Ein ungewöhnliches Begleitprogramm hatte der Rotlichtprozess gestern: In dem Verfahren um die mutmaßliche Abzocke von Bordellkunden brachte eine Angeklagte (27) ihre einjährige Tochter mit. Weil die junge Frau keine Betreuung gefunden hatte, erlaubte der Vorsitzende den „Besuch“ der kleinen Sally (Name geändert). Deren Durchhaltevermögen setzte der Verhandlung Grenzen. Wegen überstrapazierter Geduld waren auch Anwälte knatschig. Sie warten auf ihr Geld.

Bevor gestern ein Ermittlungsbeamter vernommen werden konnte, bemängelte ein Verteidiger, dass er noch kein Geld erhalten habe. Als Pflichtanwälte werden die Verteidiger – zunächst – vom Staat bezahlt. Dazu reichen sie Abrechnungen ein. Man habe ihm gesagt, man warte auf Protokolle der Verhandlungen, so der Anwalt. „Nirgendwo steht, dass wir kommen müssen, ohne bezahlt zu werden!“, ärgerte er sich. Der Disput zeigte an: Der Mammutprozess wird auch in finanzieller Hinsicht die Norm sprengen.

Zu bezahlen sind die Verteidiger von neun Angeklagten (insgesamt sind es 18) sowie die Anwälte der mutmaßlichen Opfer. Allein das sind rund 5000 Euro pro Verhandlungstag. Insgesamt wird der Prozess Millionen kosten. Zahlen müssen das am Ende die Angeklagten, die verurteilt werden – soweit sie das können. Auf dem Rest bleibt der Staat sitzen.

Von Geld weiß die kleine Sally noch nichts. Wegen ihres Quengelns unterbrach der Vorsitzende die Verhandlung nach einer Stunde. Nach 15 Minuten schlief Sally wieder. Nun konnte Rechtsanwalt Benedikt Pauka nachbohren, wie die Polizei auf die Idee gekommen ist, dass den Freiern in den Bordellen Substanzen eingeflößt wurden, die ihre Willensbildung aufhoben. Denn einige mutmaßliche Opfer sollen die Abbuchungen noch in Telefonaten mit der Bank autorisiert haben.

Sally quäkte noch einmal auf – mitten in einem Wortgefecht zwischen Pauka, dem Vorsitzenden und dem Zeugen. „Jetzt haben Sie sogar das Kind zum Weinen gebracht“, hielt Pauka den Beiden vor. Sally schlief aber weiter. Bis 13.35 Uhr. Da war sie dann nicht mehr ruhig zu halten, die Verhandlung wurde vertagt.