Düsseldorf.. Ein herrenloser Koffer hat am Dienstag den Flughafen Düsseldorf lahm gelegt. Drei Stunden lang waren alle Terminals gesperrt, zig Flüge fielen aus. Am Mittwoch war klar: Im Koffer waren Drogen, kein Sprengstoff. Die Polizei rechtfertig ihr Vorgehen: “Wir mussten mit dem Schlimmsten rechnen“.
Er sah aus wie ein harmloses Touristen-Gepäckstück, vielleicht bei irgendeinem Straßenhändler erstanden. Doch dieser mit Big-Ben- und London-Doppeldeckerbus-Foto bedruckte Rollkoffer stand herrenlos an einer Sitzgruppe im Terminal A des Flughafen Düsseldorf. Als er gegen 15 Uhr am Dienstag-Nachmittag entdeckt wurde, war nicht abzusehen, dass daraus ein fünfeinhalbstündiger Polizeieinsatz würde, bei dem schließlich sogar das gesamte Flughafengebäude evakuiert wurde und der Flughafen Düsseldorf drei Stunden lang lahm gelegt war.
Am Tag danach gibt's Anlass zur Manöverkritik: Hatte wirklich der gesamte Flugverkehr am Flughafen Düsseldorf gestoppt werden müssen? Hatten tatsächlich sämtliche Terminalbereiche mit Tausenden Passagieren evakuiert werden müssen? Hätte es nicht gereicht, nur einen Teil des Airports zu räumen?
Polizei ermittelt "wegen eines Drogendelikts"
Hinterher ist man immer schlauer. Zumal sich am Mittwoch herausstellte, dass im Koffer - zum Glück - keine Bombe war. Sondern Drogen in Pulverform, das laut Polizei wohl zur Herstellung von Amphetaminen geeignet gewesen wäre. Drei Päckchen mit insgesamt neun Kilo Drogen stellten Spezialisten der Polizei Düsseldorf in den Rest-Fetzen des Koffers sicher. Sie ermitteln nun "wegen eines Drogendelikts" und bitten um Hinweise von Zeugen, denen der Koffer und Personen, die ihn mitführten, aufgefallen war.
Zuvor war der Koffer am Dienstagabend durch Sprengstoffexperten der Bundespolizei mit einem "Wassergewehr" unschädlich gemacht worden. Mit einem Roboter den Koffer zu öffnen, erschien den Experten zu riskant. "Wäre eine Bombe darin gewesen", erklärt ein Sprecher der Bundespolizeidirektion in Sankt Augustin bei Bonn, "wäre der Zündmechanismus durch den Wasserdruck außer Kraft gesetzt worden". So sei man beispielsweise beim Kofferfund im Bonner Hauptbahnhof vorgegangen. Wem der Koffer gehörte, sei zwar nun sehr schwer zu ermitteln, heißt es bei der Polizei. Dort aber betont man: "Gefahrenabwehr geht vor Strafverfolgung".
Die Bundespolizei sieht ihr Vorgehen in Düsseldorf jedenfalls auch einen Tag nach dem Geschehen voll gerechtfertigt, "man muss sich nur mal vorstellen, in dem Koffer wäre tatsächlich eine Bombe gewesen", sagt Sprecher Jens Flören. Ohnehin sei die Sperrung des Airports "in Stufen erfolgt". Dass eine polizeiliche Großaktion daraus würde, mit 140 ausgefallenen Starts und Landungen, 20 umgeleiteten Flügen, Tausenden ratlosen Flugpassagieren, etwa 300 Reisenden, die auf Feldbetten die Nacht auf Mittwoch im Terminal verbringen mussten und drei Kilometer Stau auf der nahen Autobahn A44, sei jedenfalls am Dienstag um 15.20 Uhr, als der Koffer entdeckt worden war, nicht absehbar gewesen.
Bombendrohung vor zehn Jahren setzte Flughafen schon mal lahm
"Wir haben zuerst recherchiert, wem der Koffer gehören könnte", sagt der Bundespolizeisprecher. Dazu seien auch Videoaufnahmen aus dem Terminal angeschaut worden. Auch Personen in der Nähe wurden befragt. Als das nicht weiterhalf, habe man sich an die "Einsatzszenarien" gehalten, die in solchen Fällen als Leitfaden dienen: Absperren des Bereichs, Heranziehen von Sprengstoffexperten, alarmieren von Polizei und Rettungsdiensten, Einberufen eines Krisenstabs. Das Terminal letztlich ganz zu räumen "war notwendig", sagt die Polizei - alleine wegen der großen Glasflächen der Gebäude. "Wir mussten mit dem Schlimmsten rechnen".
Bei der Flughafengesellschaft muss man lange zurückdenken, um einen vergleichbaren Fall zu finden. Im September 2003 hatte eine junge Frau mit einem anonymen Anruf Bombenalarm ausgelöst und den Airport stundenlang lahm gelegt. Ein Gericht verurteilte sie Jahre später zu Schadenersatz in Millionenhöhe. Der Schaden jetzt werde derzeit "operativ ermittelt", hieß es am Mittwoch bei der Flughafengesellschaft. Zur Kritik von Reisenden, wegen mangelnder Durchsagen und schlechter Information der Flugpassagiere, mochte sich am Mittwoch trotz mehrmaliger Nachfrage niemand gegenüber DerWesten äußern.
Lufthansa entschuldigt sich für Wartezeit an Ticket-Schaltern
Für die Lufthansa entschuldigte sich am Mittwoch Sprecher Florian Grenzdörfer: Als die Sperrung gegen 20.30 Uhr wieder aufgehoben wurde, hatte sich vor den Lufthansa-Schaltern rasch eine mehrere Hundert Meter lange Warteschlange gebildet - die Schalter allerdings waren gar nicht besetzt. Das Personal habe erst von seinen Evakuierungspunkten zurück zum Terminal gelangen müssen, sagt Grenzdörfer. Und bevor man dort habe die Reisenden versorgen können, hätten die Lufthansa-Kräfte über den Stand der Dinge gebrieft werden müssen. Das habe jedoch höchsten 15 Minuten gedauert, sagt Grenzdörfer.
Anspruch auf Schadenersatz haben Reisende nach Einschätzung der Verbraucherzentrale NRW wegen der Evakuierung am Flughafen Düsseldorf nicht, sagt Reiserechtlerin Beate Wagner. Der Polizeieinsatz war ein "außergewöhliches Ereignis", landläufig "höhere Gewalt" genannt. Gleichwohl haben Reisende in solchen Fällen, wenn Flüge ausfallen, Anschlüsse verpasst werden und man am Airport letztlich hängen bleibt, einen Rechtsanspruch darauf, dass ihnen ihre Fluglinie hilft. Die EU-weit geltenden "Fluggastrechte" zwingen Fluglinien je nach Flugdistanz und Verspätungsdauer zu "Betreuungsleistungen" wie Verpflegung und Getränke. Flugreisende können ihre Tickets stornieren oder die Kosten für Hotel und Taxi der Fluglinie in Rechnung stellen, sagt Rechtsanwältin Beate Wagner.
Der Flughafen Düsseldorf weist unterdessen auf seiner Internetseite auf einen neuen Termin hin, der mit Koffern zu tun hat: An diesem Donnerstag, 26. September, ab 14 Uhr, werden im alten Kinosaal der Flughafenverwaltung zurückgelassene Fundstücke versteigert. Koffer sind auch dabei.