Düsseldorf. . Die Kunsthalle Düsseldorf erinnert daran, wie vor 50 Jahren am Rhein der „Kapitalistische Realismus“ entstand, weil die Kunststudenten Richter, Konrad Lueg, Sigmar Polke und Manfred Kutter einen Weg suchten, sich in der Szene zu etablieren. Sie taten es mit kritischer Kunst, die Eulenspiegel-Qualitäten hatte.
Vor 50 Jahren konnte Gerhard Richter, heute bekanntlich der teuerste lebende Maler der Welt, nicht ahnen, wie sehr sein Schlagwort vom „Kapitalistischen Realismus“ einst die eigenen Werke beschreiben würde. 1963 studierte Richter nach seiner Flucht aus Dresden ein zweites Mal an der Düsseldorfer Kunstakademie. Und suchte nach einem Weg in die Kunst-Szene, die damals noch nicht wie ein Markt aussah.
Mit seinem Mitstudenten Konrad Lueg zog Richter im örtlichen Möbelhaus Berges die Aktion „Leben mit Pop“ auf. Die Künstler stellten sich hier vor allem selbst aus, saßen auf Sofas und Sesseln herum. Je vier Gemälde von Richter (darunter das verhohnepipelte „Neuschwanstein“) und Lueg sowie ein Filzanzug von Beuys gaben allenfalls den Hintergrund ab. Und jeder merkte sofort: Dieser „Kapitalistische Realismus“ war eine ironische Entgegnung auf den staatsfrommen „sozialistischen Realismus“ des damaligen Ostblocks – und er goss Kritik und Hohn über die westliche Konsumwelt, über „Ein Leben mit Pop“ – so lautete der Titel der Aktion, die den Möbelhausbesitzer übel verärgert. Er hatte sich von den Künstlern Werbung erhofft – und nicht eine ätzende Bloßstellung der Konsumwelt.
Sie malten Würstchen, Socken und Party-Szenen
Was Lueg und Richter, zu denen sich auch noch der später ebenfalls Rekordpreise erzielende Sigmar Polke und Manfred Kuttner gesellten, da malten? Alltagsgegenstände plattester Art, Würstchen, Party-Szenen, Zeitungsausschnitte, Socken – eine massive Provokation der etablierten Kunst, die sich in den 50er-Jahren ins abstrakte Informel gestürzt hatte, weil es so modern und ideologiefrei zugleich erschien.
Konrad Lueg ließ auf seinen Bildern Tapetenmuster über Anzüge und Gesichter hinwegwuchern und variierte Warhols plakative Porträt-Manier; Sigmar Polke entwickelte die später für ihn so typische Rasterung von Bildern, Gerhard Richter die markante Unschärfe seines Frühwerks.
Ihre US-amerikanischen Vorbilder, die sich oft genug in der Reproduktion von Oberflächen genügten, wo die kapitalistischen Realisten von ätzender Kritik waren, kannten die deutschen Kunststudenten überhaupt nur in Form von Reproduktionen.
Kunsthalle rekonstruiert den "Kapitalistischen Realismus"
Die Düsseldorfer Kunsthalle rekonstruiert nun mit einer Fülle von Dokumenten, Fotos, Briefen und Gemälde-Reproduktionen die drei wilden Jahre des „Kapitalistischen Realismus“. Dass es keine Original-Gemälde gebe, so Kunsthallen-Chef Gregor Jansen, passe schließlich zum Gegenstand der Ausstellung. Ganz davon abgesehen, dass es millionenschwere Versicherungssummen erspart.
Kunsthalle Düsseldorf: Leben mit Pop. Eine Reproduktion des Kapitalistischen Realismus. Bis 29. September. Die Langen Foundation auf der Museumsinsel Hombroich (Neuss) widmet Manfred Kuttner, der sich anders als die anderen entwickelte, bis zum 6. Oktober eine Einzelausstellung, welche die Düsseldorfer Schau sehr gut ergänzt.