Düsseldorf. .

Tobias Krause beobachtet und zählt die Vögel in Düsseldorf schon sein Leben lang.

Tobias Krause ist in der Nacht um 3.15 Uhr aufgestanden. Abends gegen 9 Uhr ist sein Blick trotzdem nicht müde, seine Augen sind schnell und scharf. Er steht am Rande des Hofgartens, als über ihm ein Schwarm grüner Papageie in eine große Platane fliegt. Zwischen all den Bäumen waren sie nur kurz am Himmel zu sehen. Krause hat sie aus dem Augenwinkel erspäht.

Er sagt: „Das waren acht“, zeigt auf den nächsten anfliegenden Schwarm, „und noch mal zehn.“ Er hat richtig gezählt. Der nächste Vogelschwarm: „Das sind nicht ganz dreißig“. Es waren deutlich mehr Vögel als in den ersten beiden Schwärmen. Für das ungeübte Auge ist die Zahl aber nicht mehr zu überprüfen. Man muss sie Krause glauben. Im Winter zählt er die Vögel durch – rund 1 200 leben zurzeit in Düsseldorf, die ersten kamen etwa 1982.

© Lars Heidrich / WAZ FotoPool

Krause arbeitet für die Untere Landschaftsbehörde und ist zuständig für Landschaftsökologie und Artenschutz. Die grünen Papageien sind Halsbandsittiche, die Krause, 40, als Grundschüler zum ersten Mal in Köln sah. Nach der Schule studierte er erst in Düsseldorf Geografie, später dann in Bonn. Und die Halsbandsittiche? „Die waren immer da, wo ich auch war.“ Tobias Krause widmete den grünen Papageien sogar seine Geografie-Diplomarbeit und untersuchte ihre Ausbreitung.

Ausbreitung am Rhein entlang

Er hat darin vorausgesagt, dass sich die Vögel weiter entlang des Rheins verbreiten werden – und er hat Recht gehabt. Mittlerweile sind die Düsseldorfer Sittiche tagsüber auch in Brutrevieren im Duisburger Süden und in Krefeld. Über Latum und Stratum kehren sie abends zurück, queren den Rhein bei Kaiserswerth, fliegen in der Dämmerung zu ihren Schlafbäumen an der Kö und machen Krach. „Die erzählen sich dann, was am Tag so gelaufen ist“, vermutet Krause. Denn an der Kö schlafen Sittiche, die aus dem Norden, dem Süden oder aus Neuss geflogen kommen. 18 Kilometer einfache Strecke fliegen manche jeden Tag, vom Schlafplatz in ihr Brutrevier. Das übrigens liegt meist in alten Hof- und Parkanlagen. „Die sind hochherrschaftlich veranlagt“, sagt Krause und lacht: In Bonn leben sie im Poppelsdorfer Schlosspark, in der Nähe Mannheims im Schwetzinger Schlossgarten, in Düsseldorf im Hofgarten oder im Benrather Schlosspark. Sie suchen sich große, alte Bäume, erklärt Krause.

In den 1960ern und 1970ern sind die Sittiche zu Tausenden legal importiert worden. Einzelne entflohene oder frei gelassene Vögel haben sich vermehrt und ganze Sittich-Bevölkerungen am Rhein gegründet – nachvollziehbar ist das heute nicht mehr. Das milde Rheinklima und der „frühe Frühling“ hier bieten ihnen überhaupt die Möglichkeit, sich zu vermehren. Im kälteren Berlin etwa hat man zwar auch einzelne Exemplare gefunden, zur Ausbreitung hat es dort aber nie gereicht. „Dafür ist die Population in Brüssel nur halb so alt wie die Düsseldorfer“, berichtet Krause, „aber mehr als doppelt so groß.“

In der Heimat – die Düsseldorfer Halsbandsittiche kommen aus Indien – leben die Papageien in Baum-Gras-Savannen. „Und was haben wir hier?“, fragt Krause im Hofgarten, „eine Baum-Gras-Landschaft“.

Aus der Platane unter der er steht, erhebt sich gerade wieder ein Schwarm. Wieder zählt Krause mit einem schnellen Blick durch: Zwölf. Er hat das Zählen früher mit anderen Vogelbeobachtern trainiert, erzählt er. Sie haben Schwärme gesehen und Wetten auf ihre Größe abgeschlossen.