Düsseldorf/Essen. Gut 100 Bankkunden in NRW dürften alleine in den ersten drei Monaten dieses Jahres Opfer von Klaubanden geworden sein. Die Täter schlagen in Bank-Räumen zu, überfallen Kunden während diese Geld am Automaten abheben - tagsüber und ohne Sorge vor Videoüberwachung. Was tun die Banken?
Die drei schlugen am hellichten Tag zu, an einem Mittwoch, "voll in der Geschäftszeit", wie ein Polizeisprecher sagt. Die Videoüberwachung im Vorraum der Sparkassenfiliale in der Düsseldorfer Innenstadt störte sie nicht. Auch nicht, dass noch eine zweite Kundin im Raum war. Als die Seniorin, auf die sie es abgesehen hatten, die Pin-Nummer am Geldautomaten eingegeben hatte, drängten zwei der Täterinnen die Rentnerin ab. Im Handgemenge drückte eine der jungen Frauen auf die "500 Euro"-Auswahltaste. Dann verschwanden die drei mit dem Geld.
Ein Fall, wie es alleine in den ersten drei Monaten dieses Jahres mindestens 100 in NRW gegeben haben dürfte. Und laut Landeskriminaltamt NRW im vergangenen Jahr insgesamt vermutlich 500 - vollendet oder versucht. Die Masche - Raubüberfall auf Kunden an Geldautomaten in Bankräumen - gilt als neu und sie wird zunehmend brutaler durchgezogen. Anfangs wurden Opfer abgelenkt, jetzt werden sie am Automaten geschubst, abgedrängt, angespuckt oder bedroht. Rechtlich handelt es sich längst nicht mehr um Trickdiebstahl, sondern um räuberischen Diebstahl. Den Tätern ist das ziemlich egal.
Raubüberfall an Geldautomaten - meist sind es Klaukids aus Osteuropa
Immer handelt es sich um die gleiche Tätergruppe - Klaukids aus Osteuropa, sagt Frank Scheulen, Sprecher im Landeskriminalamt NRW. "Sie werden hierzulande auf Beutezug geschickt". Oftmals sind sie so jung, dass sie hierzulande nicht strafmündig sind. Ein Polizist berichtet mit erkennbarem Frust: "Werden sie geschnappt, kommen sie in die Obhut einer Jugendeinrichtung. Dort büxen sie dann kurze Zeit später wieder aus".
Auch interessant
Beim Opferhilfe-Verein "Weisser Ring" spricht Sprecher Veit Schiemann von organisierter Kriminalität: "Diese Banden sind mobil, wechseln häufig ihre Aufenthaltsorte und setzen gezielt Minderjährige ein." Sie nutzen damit "ein rechtliches Manko in Deutschland". Es sei längst "an der Zeit", meint Schiemann, "diese Taten rechtlich besser greifbar zu machen. Ohne das Jugendstrafrecht auszuhebeln". Beim Deutschen Richterbund in NRW hält man es für nötig, wieder "über die Einführung von geschlossenen Einrichtungen für Jugendliche nachzudenken", wie es sie in NRW vor Jahrzehnten mal gab.
PIN am Schluss - was hilft gegen Trickdiebe am Bankautomaten?
Die Banken tun sich schwer damit, einzugestehen, dass Kunden bei ihnen Raubopfer geworden sind. Die Postbank mag "aus Sicherheitsgründen" keine Auskunft geben. Auch die Deutsche Bank bittet auf Anfrage um "Verständnis, dass wir dazu keine Zahlen veröffentlichen". Bei der Commerzbank gesteht ein Sprecher ein, dass "einzelne derartige Trickdiebstähle 2012 bei uns in NRW vor(kamen)"; in diesem Jahr jedoch noch keiner. Allerdings versichern die Banken, dass sie mittlerweile Vorkehrungen zum Schutz der Kunden treffen.
Die Postbank verweist dabei auf eine Infobroschüre: "Wichtige Informationen zur Betrugsprävention: Trickbetrug am Geldautomaten" in ihren 200 "Finanzcentern". Und erklärt, dass man "sukzessive Warn-Aufkleber" an den 400 Geldautomaten anbringe. Die Deutsche Bank, mit 200 Filialen und 120 SB-Centern in NRW, versichert, die Mitarbeiter "seien für das Thema sensibilisiert und besonders aufmerksam". Kunden würden "mittels Plakaten gewarnt". Und die Stadtsparkasse Düsseldorf, in einer deren Filialen der eingangs geschilderte Fall geschah, kündigt an, dass an den Geldautomaten der 71 Geschäftsstellen "Hinweisschilder" angebracht würden.
PIN-Eingabe erst zum Schluss
Entscheidender dürften technische Änderungen an den Geldautomaten sein. So erklärt die Commerzbank, die in NRW zusammen 560 Geldautomaten in 280 Filialen zählt: "Wir haben gehandelt und zum Beispiel die Auswahl der vorgegebenen Beträge für Barauszahlungen beschränkt." Außerdem müssten Kunden an den Automaten "zunächst den gewünschten Auszahlbetrag eingeben und erst danach ihre PIN." So könnten Täter zumindest die Eingabesumme nicht manipulieren.
Auch interessant
Die Reihenfolge der Eingaben an Geldautomaten ist je nach Bank und Automatentyp verschieden. Für die Postbank erklärt Sprecher Ralf Palm, die PIN-Eingabe sei mittlerweile "an das Ende einer Auszahlungstransaktion verschoben" - eine Reaktion auf die sich häufenden Trickdiebststähle. Die Deutsche Bank prüfe derzeit, ob das auch bei ihren Automaten sinnvoll sei, sagt Sprecherin Andrea Michels. Bei der Stadtsparkasse Düsseldorf meint Sprecher Michael Dieter Klein: "Es ist fraglich, ob bei einer anderen Reihenfolge der Eingabeschritte die Gefahr von Trickdiebstählen wirklich kleiner wäre".
Markus Feck, Finanzjurist bei der Verbraucherzentrale NRW, stellt sich unterdessen die Frage, wer für den Schaden eines Trick-Raubes am Geldautomaten eigentlich haftet: Der Kunde - oder gar die Bank?
Wer haftet für den Schaden?
Generell sieht Feck "den Kunden selber verantwortlich", sich vor Kriminalität zu schützen. In der Frage der Haftung nach einem Raubüberfall während des Geldabhebens sieht Feck jedoch Banken und Sparkassen durchaus in der Pflicht. Fecks Argument: "Ablauf und Folge der Trick-Raubüberfälle sind mit dem Skimming vergleichbar" - also mit der technischen Manipulation an den Automaten. Und dabei haften die Banken zumeist für den erlittenen Schaden. Sofern Geschädigten nicht eigenes Verschulden nachgewiesen wird.
Auch interessant
In Punkto Skimming haben die deutschen Kreditinstitute in den vergangenen zwei Jahren kräftig nachgerüstet. Mit Erfolg: 2010 wurden in NRW laut LKA zusammen 1200 Skimmingfälle registriert. Im vergangenen Jahren waren es 212. Die Parallele zu den Trick-Raubüberfällen? "In beiden Fällen hat der Kunde für die Abhebung keine Weisung gegeben". Bei der alten Dame in Düsseldorf wurde die Abhebung von den Täterinnen manipuliert. Feck: "Das ist auf den Bildern der Videoüberwachung dokumentiert". Wie in anderen Fällen auch.
"Jeder Fall wird einzeln geprüft"
Die Banken versprechen auf Nachfrage Kulanz: "Wir prüfen jeden Einzelfall und versuchen, im Gespräch mit dem Kunden eine zufriedenstellende Lösung zu finden", sagt Deutsche-Bank-Sprecherin Andrea Michels. Die Stadtsparkasse Düsseldorf versichert, "es wird versucht, für den Kunden eine bestmögliche Lösung herbeizuführen". Die Commerzbank teilt mit, "jeder Fall wird von uns einzeln geprüft."
Nur die Postbank erklärt klar: "Sollten die Voraussetzungen für eine Erstattung vorliegen, regulieren wir den Schaden". Dazu müssten Betroffene sich nach der Tat "umgehend in der Filiale melden", "zeitnah Anzeige bei der Polizei erstatten" und der Bank anschließend "schriftlich den Sachverhalt schildern", samt Kopie der Polizei-Anzeige.
Wie sollten sich Kunden verhalten?
"Wachsam sein"- was die Polizei Bankkunden empfiehlt
Die Polizei setzt auf Prävention. Dass die Düsseldorfer Polizei bereits wenigen Stunden nach dem Raub auf die Seniorin Bilder aus der Videoüberwachung der Sparkasse veröffentlichte, "war ein neuer Schritt für uns", sagt Sprecher Markus Niesczery. Die Gesichter der Täterinnen wurden verfremdet, weil die Fotos "nicht der Fahndung dienen sollten, sondern der Aufklärung". Niesczery. "Das Tatphänomen ist für die meisten noch unbekannt".
Die Polizei rät deshalb, auch innerhalb von Bank-Räumen vorsichtig zu sein:
- Prüfen Sie das Umfeld des Geldautomaten und warten Sie lieber, bis andere Personen den Nahbereich verlassen haben.
- Lassen Sie sich beim Geldabheben nicht ablenken.
- Wenn Sie am Automaten bedrängt werden, brechen Sie den Vorgang umgehend aktiv ab.
- Vergewissern Sie sich, dass die Transaktion komplett abgebrochen und dass kein Geld ausgezahlt wurde, entnehmen Sie Ihre EC-Karte.
- Rufen Sie Bankangestellte hinzu oder im Verdachtsfall auch die Polizei.
Bis zu 1000 Euro lassen sich auf einfachen Knopfdruck an einem Geldautomaten abheben. Auch die Banken mahnen: "Grundsätzlich sollten Kunden beim Geldabheben besonders aufmerksam sein".