Düsseldorf. .

Anno Tobak 2013: Irgendjemand hat der Johannes-Rau-Statue auf dem Horionplatz eine qualmende Filterlose zwischen die Bronzefinger gesteckt. Andere tragen den heiligen St. Nikotin, Helmut-Schmidt, als Pappmaske mit sich herum.

Ob Rocker-Kutte oder Schützen-Joppe – der blaue Dunst eint sie hier alle. Mit der Zigarette im Mundwinkel und ordentlich Wut im Bauch traten am Samstag laut Veranstalterin Annette Helmus „gefühlte 8000“, laut Polizei 3500 Demonstranten an, um ihre Protestglut in Richtung rot-grüner Landesregierung zu schnippen. Der Zorn der Wirte, Schützen, Karnevalisten, Bürger richtet sich gegen das härteste Nichtraucherschutzgesetz der gesamten Republik. Nur Bayern ist ähnlich kompromisslos.

In der Existenz bedroht

Auf den wallenden Schwaden aus Existenzangst, Wut, Trotz und Unmut versuchen viele, ihr Thema in der nun nicht mehr schweigenden Menge zu platzieren. Als am Zielort der Demo, einer Bühne in der Liefergasse, einer das Bild von Adolf Nazi hochhält, schreiten Ordner ein. „Den wollen wir hier nicht“, sagen sie dem jungen Mann, dessen Freund Erich Honecker auf seinem Banner hat. Wohin Intoleranz führt, wollen sie so angeblich deutlich machen, mit selbst gebastelten, übergroßen Zigarettenschachteln.

Vizebürgermeisterin Marie-Agnes Strack-Zimmermann geht den gesamten Protestmarsch gegen die Regelungswut von Rot-Grün mit. Dass an dessen Spitze Mitglieder des Rocker-Clans 81 marschierten, findet sie nicht schön: „Trittbrettfahrer gibt es halt immer, da kann man nichts dagegen machen.“

Als bekennende Nichtraucherin hält Strack-Zimmermann das alte Rauchverbot in Speisegaststätten für völlig ausreichend. „Was Rot-Grün da jetzt zum Gesetz gemacht hat, ist einfach zu viel.“ Sie bringen die Wirte um ihre Existenz und einsame Menschen um ihre kleine Kneipe, beklagt sie. Zudem würde der Denunziation Vorschub geleistet: „Wenn jetzt die Raucher draußen vor den Kneipen stehen, ist das vielen Anwohnern zu laut.“ So viel miese Laune will Strack-Zimmermann im schönen Düsseldorf nicht haben.

Wie ein Bumerang

Der oberste Karnevalist Josef Hinkel kitzelt in der Liefergasse das Patriotische im Protest. Im Namen aller Narren wendet er sich gegen das überzogene Rauchverbot mit seiner staatlichen Bevormundung und lässt dann die Nationalhymne singen. Dritte Strophe, Hinkel ist da unverdächtig. Der Düsseldorfer Jonges-Baas Wolfgang Rolshoven ermuntert in einem kurzen Gruß zum bürgerlichen Widerstand: „Nur so kann es gelingen, dieses Gesetz zu kippen.“ Der Neusser Bürgermeister Herbert Napp schimpft über das „Raucherverfolgungsgesetz“ der Landesregierung. Der „Vesuv von Neuss“ bekommt viel Beifall – auch von der Gruppe, die sich ein „R“ wie einen Judenstern auf die linke Brust gepappt hat.

SPD-Chef Andreas Rimkus steht ebenfalls in der Liefergasse. „Ich will hier erst einmal zuhören“, sagt er. Das gehöre sich so in einer Demokratie. Am Freitagabend war Rimkus bei den Bilker Schützen im großen Festzelt: „Über 1000 Leute, eine tolle Stimmung – und da hat das mit dem Rauchverbot problemlos geklappt.“ Dass die Landes-SPD die Lufthoheit über den Stammtischen den politischen Gegnern so leicht geschenkt hat, scheint Rimkus aber alles andere als glücklich zu stimmen. Er ahnt, spätestens im Kommunalwahlkampf kommt die Sache mit der Bevormundung wie ein Bumerang zurück.

Derweil legt Demo-Organisatorin Annette Helmus, Wirtin von „Tills Eleven“ Zahlen nach. In der Woche seien die Umsätze um 40 Prozent zurückgegangen, an Wochenenden um 30 Prozent. Dass die rot-grüne Landesregierung die Raucher-Proteste als „kleine, lokale Demonstrationen“ bezeichnet hat, zu der man keine Stellung nehme, macht Helmus wütend: „Schauen Sie her, Frau Gesundheitsministerin Steffens, wir sind hier, wir sind viele – und wir werden immer mehr.“