Hilden. .

Die Augen haben von der Säure nichts abbekommen. Entgegen ersten Befürchtungen. Aber das ist auch die einzige gute Nachricht nach dem Säureanschlag vom 29. Dezember 2012 auf die 21-jährige Hildenerin Reyhan C. Seit knapp sechs Monaten und noch mindestens für die nächsten zwei Jahre leidet Reyhan unter den Folgen der Schwefelsäure, die Alan K. (19) über sie gegossen hat. Den „Auftrag“ dazu hatte er nach eigenen Angaben von Serhat K. (23) bekommen, dem Ex-Freund von Reyhan C. Am Montag beginnt vor dem Düsseldorfer Landgericht der Prozess gegen die Angeklagten.

Zum Prozessauftakt wird Reyhan C. nicht erscheinen. Und auch nicht ihre Großmutter Sultan A., die sich an der Wohnungstür des Hauses am Albert-Schweitzer-Weg vor ihre Enkelin gestellt und selbst Säure über ihren Arm geschüttet bekommen hatte. „Es ist den Frauen schlicht nicht zuzumuten“, sagte gestern Anwältin Esma Cakir-Ceylan der NRZ. Sie vertritt die junge Frau in dem Verfahren.

Beide Frauen werden vor Gericht aussagen. Im Verlauf des zunächst auf fünf Tage angesetzten Strafprozesses. Dabei wird es darum gehen, die Schuld festzustellen, Be- und Entlastendes abzuwägen und zu einem Urteil zu kommen. Am Martyrium der 21-Jährigen wird dieser Prozess nichts ändern können.

Reyhan C. muss noch mindestens zwei Jahre lang einen Kompressionsanzug tragen. Der soll dafür sorgen, dass die Narben flach bleiben. „Nachts muss meine Mandantin zusätzlich eine Maske anlegen, die den Hinterkopf eng umschließt“, berichtet Anwältin Cakir-Ceylan. Maske und Anzug machen Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Rückenschmerzen. Jeden Tag. Ob später einmal Hauttransplantationen fällig werden, ist noch völlig offen.

Jetzt vor Prozessbeginn sei Reyhan C. natürlich nervös. Daran hat auch ein kurzer Urlaub in den vergangenen Tagen nichts ändern können. Gibt es aus Sicht des Opfers überhaupt ein angemessenes Strafmaß? „Wir gehen nicht mit einer vorab festgelegten Forderung in diese Verhandlung“, sagt Anwältin Esma Cakir-Ceylan. Man wolle sehen, wie sich die Angeklagten im Verfahren geben.

Allerdings weist sie darauf hin, dass der Säureanschlag nur der Höhepunkt eine sehr langen Serie von Gewalt war. Nach dem Ende der Beziehung habe Serhat K. der jungen Frau immer wieder aufgelauert. Er hat sie auf offener Straße geschlagen und zu Boden geworfen. Ein richterliches Annäherungsverbot missachtet. Deshalb sollen die Verantwortlichen so lange wie möglich in Haft, so die Vertreterin der Nebenklage.

Aus der Untersuchungshaft hat Serhat K. einen Entschuldigungsbrief geschrieben. Den habe Reyhan C. gelesen und zur Kenntnis genommen. Glauben mochte sie an die Reue nicht. Ihre Anwältin sagt: „Der Brief war voller Floskeln.“ Dirk Neubauer