Hilden. .

Zwei Jahre lang wurde Rayhan K. (20) von ihrem Ex-Freund Serhat (22) verfolgt. Beleidigt. Geschlagen. Er passte sie am S-Bahnhof Hilden ab und schlug zu. Pöbelte. Drohte. Manchmal brachten deshalb Kollegen die auszubildende Großhandelskauffrau nach Hause. Von ihren Eltern bekam sie ein Auto, um nicht mehr auf die S-Bahn angewiesen zu sein. Alles vergebens.

Am Samstag, 29. Dezember, klingelte ein vermummter Mann gegen 11 Uhr an der Wohnungstür, Albert-Schweitzer-Weg. Die Großmutter öffnete und rief Rayhan, weil sie das Murmeln des Vermummten nicht verstand. Da zog er eine Sprühflasche mit Schwefelsäure und verätzte die 20-Jährige, die in einer Duisburger Klinik um ihr Augenlicht bangen muss (siehe unseren Bericht auf der Landesseite). Die Stirn, der Hals, eine Hand, der Unterarm – alles von der Säure zerfressen.

„Niemand hat uns geholfen!“

Der 22-jährige Anstifter und der 18-jährigen Täter – beide kommen aus Langenfeld – sitzen in Untersuchungshaft. Die Familie des Opfers schimpft: „Niemand hat uns geholfen. Die Polizei hat nichts getan.“

Diesem Klageruf treten Polizei und Staatsanwaltschaft gemeinsam entgegen. Drei Anzeigen der jungen Frau aus 2011 und 2012 gegen ihren Bedroher seien aktenkundig. Und seien ordnungsgemäß bearbeitet worden. Das Amtsgericht Langenfeld sprach ein Annäherungsverbot gegen den 22-Jährigen aus. Er hätte nicht einmal zufällig den Weg von Rayhan kreuzen dürfen. „In einer kleinen Stadt wie Hilden eine extrem scharfe Maßnahme“, sagt der Polizeisprecher. Nur genutzt hat das alles nichts.

Was für Rayhans Familie mangelnder Einsatz der Polizei war, ist für Frank Bons vom Opferschutz der Kreispolizei Mettmann der Fluch der großen Zahl: „Wir hatten im Jahr 2011 insgesamt 855 Einsätze wegen häuslicher Gewalt. Und 216 Fälle gewaltsamer Nachstellungen. Wer will da die rausfiltern, die zu einer solch extremen Tat wie diesem Säureanschlag fähig sind?“

Niemand dürfe einfach auf Verdacht weggesperrt werden, sagt der Sprecher der zuständigen Düsseldorfer Staatsanwaltschaft, Ralf Herrenbrück: „Die Kreispolizei hat nach dem Säureattentat sehr professionell und schnell ermittelt.“ Rayhan wusste, wer ihr das angetan hat.

Was können bedrohte Frauen tun? Frank Bons rät: „Die Stadt verlassen.“ In ein Frauenhaus umziehen, alle Brücken hinter sich abbrechen. Auf Nachfrage gibt er zu, dass nur wenige so radikal vorgehen. Dann aber sollten wenigstens Nachbarn und Kolleginnen informiert werden, damit sie Bedrohern nicht arglos Türen öffnen. Bons: „Und niemals, niemals zu einer angeblich letzten Aussprache gehen.“