Düsseldorf. . Die Bemühungen der Düsseldorfer Polizei, die Nazi-Vergangenheit der Behörde aufzuarbeiten.

Die Regale an der Wand des kleinen Büros im ersten Stock des Polizeipräsidiums am Jürgensplatz sind vollgestopft mit ordentlich beschrifteten Akten und Büchern über den Nationalsozialismus. An den Wänden hängen Bilder von Tatorten und auch von Tätern, Düsseldorfer Polizisten, die während des Zweiten Weltkrieges im „auswärtigen Einsatz“ waren.

In diesem kleinen Raum voller historischer Dokumente arbeitet Hauptkommissar Klaus Dönecke, Sachbearbeiter für Öffentlichkeitsarbeit. Doch eigentlich ist der 57-Jährige mit dem buschigen grauen Bart viel mehr. Er ist Buchautor, Vorsitzender des Vereins „Geschichte am Jürgensplatz“ und seit 2010 Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande.

Über seinem Schreibtisch: Fotos. Auf einem schüttelt Klaus Dönecke dem damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler die Hand. Auf einem anderen steht er neben Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, bei der Verleihung des Verdienstkreuzes. Doch wichtiger als Auszeichnungen und Ehrungen ist Dönecke die Aufarbeitung der Düsseldorfer Polizeigeschichte, besonders ihres dunkelsten Kapitels – im Nationalsozialismus. In diese Aufgabe investiert der Polizeibeamte viel Zeit, hauptberuflich und ehrenamtlich. „Ich habe ein Verständnis von Geschichte, dass sie sich immer wiederholt. Dafür, dass sich dieser schreckliche Teil der Geschichte nicht wiederholen darf, dafür mache ich das hier“ , beschreibt er seine Motivation.

Herrmann Spix und Polizeihauptkommissar Klaus Dönecke sind beide Mitglieder des Vereins Geschichte am Jürgensplatz. Foto: Sergej Lepke / WAZ Fotopool
Herrmann Spix und Polizeihauptkommissar Klaus Dönecke sind beide Mitglieder des Vereins Geschichte am Jürgensplatz. Foto: Sergej Lepke / WAZ Fotopool © Sergej Lepke / WAZ Fotopool

Seit fast 40 Jahren arbeitet Dönecke bei der Polizei. Fast genauso lange interessiert er sich für Polizeigeschichte. Er hat Seminare und Exkursionen für seine Kollegen zu Gedenkstätten in Polen und nach Israel organisiert. 2009 nahm er gemeinsam mit 25 weiteren Düsseldorfer Polizeibeamten und dem damaligen NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers in Yad Vashem, der Holocaust-Gedenkstelle in Jerusalem, an einer Kranzniederlegung teil – auf Wunsch der israelischen Gastgeber erstmals als deutsche Polizisten in Uniform.

Die Personal-Karteien

Mehr oder weniger zufällig war Dönecke in den 90er Jahren auf drei große Holzkästen mit alten Personalkarteikarten gestoßen und fand kurz darauf auf dem Speicher des Polizeipräsidiums die dazugehörigen Personalakten. 1997 schuf der damalige Polizeipräsident Rainer Wittmann eine neue Stelle für Dönecke, der zu diesem Zeitpunkt noch Dienstgruppenleiter in der Wache in Wersten war, damit er sich intensiv dem Studium der historischen Personalakten widmen konnte. Das Ergebnis waren „4629 einzelne Datensätze von Düsseldorfer Polizisten aus den 1920er Jahren bis in die Mitte 50er“, erzählt der Hauptkommissar.

Die Dauerausstellung „Transparenz und Schatten“ über die Geschichte des Düsseldorfer Polizeipräsidiums von 1918 bis 1953, die seit dem 16. April 2007 im Keller des Polizeipräsidiums zu sehen ist, zeigt einen Teil dessen, was Klaus Dönecke gemeinsam mit den Münsteraner Historikern Carsten Dams und Thomas Köhler im akribischen Aktenstudium herausgefunden hat.

Am Massaker beteiligt

Sie förderten Schreckliches zu Tage: Düsseldorfer Polizisten waren am Massaker von Babi Jar beteiligt, bei dem im September 1941 in der Ukraine, etwa 34 000 Menschen ermordet wurden. Nachgewiesen sei bis heute, dass mindestens 1230 Düsseldorfer Polizisten im Zweiten Weltkrieg im sogenannten „auswärtigen Einsatz“ waren, so Dönecke. Mit einigen habe er versucht zu sprechen: „Es gibt genug von denen, die noch leben, aber die reden nicht darüber“, weiß er inzwischen.

Transparenz und Schatten

Die Ausstellung „Transparenz und Schatten“ im Keller des Polizeipräsidiums, Jürgens-
platz 5-7, ist montags bis freitags von 8 bis 15 Uhr geöffnet. Führungen, auch für Kleingruppen ab vier Personen, sind möglich, nach telefonischer Terminabsprache mit Klaus Dönecke, Telefon 0211 / 870 20 30. Über die Düsseldorfer Polizeigeschichte haben Carsten Dams, Klaus Dönecke und Thomas Köhler außerdem ein Buch herausgegeben: Dienst am Volk? Düsseldorfer Polizisten zwischen Demokratie und Diktatur.

Deshalb muss Dönecke sich auch beim aktuellem Projekt seines Vereins auf das Quellenstudium verlassen. In seiner Freizeit arbeitet er zusammen mit dem zweiten Vorsitzenden des Vereins, dem pensionierten Geschichtslehrer und Autor Hermann Spix an einem Buch über die Geschichte des Reserve-Polizei-Bataillons 67 aus Essen, zu dessen Stammpersonal 40 Düsseldorfer Beamte gehörten und das an Deportationen und das an Erschießungen tausender Menschen in Südost-Polen beteiligt war. Es habe zwar Ermittlungsverfahren gegen einige Mitglieder des Bataillons gegeben, berichtet Dönecke, davon seien allerdings etwa 90 Prozent eingestellt worden – etwa weil die Taten als verjährt gegolten hätten.

Nicht aber für nachgewiesenen Mord. Ende März 2011 gelangten Dönecke und Spix in den Besitz von Dokumenten, die Verjährung widerlegen könnten, so die Vereinsvorsitzenden: Von einem Militariahändler erwarben sie 250 Briefe aus dem mutmaßlichen Nachlass des Sohnes von Kurt D., einem Hamburger, der 1940 in das Reservebataillon 67 einberufen worden sei und regelmäßig Briefe nach Hause, an „Meine liebe Mammi, mein lieber Hans-Jürgen“, geschrieben habe, in denen er detailliert und teilweise unter der Nennung voller Namen über die Gräueltaten seines Bataillons berichtete. So schrieb er etwa über die Erschießung von Geiseln in Hrubieszow in Polen: „...Inzwischen waren die übrigen Kameraden heute Morgen mit dem Lastwagen fortgefahren um 20 Geiseln zu holen. Haben dabei 8 Mann erschossen (weil sie nicht mehr auf den Wagen passten)...“

Staatsanwaltschaft informiert

Kurt D. wird für seine Taten nicht mehr bestraft werden. Denn, er sei bereits 1945 in russischer Kriegsgefangenschaft gestorben – das lasen Dönecke und Spix in russischen Archivbeständen. Trotzdem haben sie die Briefe an die Dortmunder Staatsanwaltschaft weitergeben, die für die Strafverfolgung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen zuständig ist. Derzeit prüfe das Landeskriminalamt, ob die Beteiligten noch leben.

Spix und Klaus Dönecke haben auch Recherchereisen nach Polen und Israel unternommen. Spätestens im Frühjahr 2014 soll ihr Buch in zwei Bänden erscheinen. Etwas mehr Zeit bleibt Dönecke noch im Polizeidienst. In etwa fünf Jahren wird er pensioniert. Für ihn kein Grund aufzuhören. Er hofft dann sein kleines Büro im Polizeipräsidium als Geschäftsstelle seines Vereins weiterführen zu können.