Wenn die alte Kastanie in Himmelgeist sprechen könnte, hätte sie Geschichten aus zwei Jahrhunderten zu erzählen.

Menschen kamen und gingen, während sich um den Baum jedes Jahr ein neuer Ring legte. Keiner weiß, was es alles zwischen den Ringen der Rosskastanie zu lesen gibt, aber so viele Geschichten wie in den letzten beiden Jahren, hat sie sicher noch nie mitbekommen. Denn zum „Tag des Baumes" am Samstag war es genau zwei Jahre her, dass der Baum am Kölner Weg eine eigene Postanschrift mit Briefkasten bekommen hat.

An dieser Adresse wurde am Samstag mit 300 Gästen gefeiert. Dazu gab es allen Grund, denn seit es die Anschrift gibt, kommen täglich etwa sechs Briefe. Mehr als 2000 Nachrichten, besonders von Kindern aus der Nachbarschaft, aber auch von Naturfreunden aus ganz Deutschland, sind seither eingegangen. Der Himmelgeister Postbote Dönder Ekrem holt die Briefe täglich ab, jedes einzelne Schreiben wird vom „Baumgeist Jüchtwind" individuell beantwortet. Aber was hat das auf sich, ein Baum mit einem schreibenden Geist und eigener Anschrift?

Dahinter steckt die Bürgerinitiative „Himmelgeister Baumgeister", die seit drei Jahren besteht. Damals sammelte die Gruppe rund um Andreas Vogt 2500 Unterschriften gegen die geplante Abholzung der Kastanie durch das Gartenamt. Denn die offizielle Begründung, der Baum sei durch einen aggressiven Pilz marode und abfallende Äste eine Gefahr, war falsch. Das stellte sich in einem unabhängigen Gutachten heraus, dass die Initiative gemeinsam mit dem ehemaligen Himmelgeister Förster Otto Kieker erwirkte.

Als klar war, dass die Kastanie bleibt, wollte die Initiative nach dem Vorbild eines Baumes in Eutin eine eigene Anschrift für den Baum und stieß bei der Post auf offene Ohren. „Dazu entstand die Idee, einen Briefkasten aufzustellen, weil dadurch vor allem Kinder einen Zugang zur Natur, zum Umweltschutz und nebenbei auch zum Schreiben bekommen", sagt Sabine Vogt.

Sie ist mit ihrem Mann bei den „Himmelgeister Baumgeistern" und kam am Samstag ganz in Grün als Jüchtwind. „Die Kinder freuen sich und stellen mir Fragen - zum Beispiel, ob ich Freunde im Baum habe", schmunzelt die 41-Jährige. Genauso wie in den Briefen, kann sie dann von Spechten und kleinen Würmern erzählen. Ihr Mann berichtet, dass manche Erwachsene aber auch Trauer oder Trennungen in den Briefen verarbeiten.

Nicht nur mit ihren Antworten auf die Briefe zeigen die Vogts soziales Engagement. Im Vorfeld der Feier hatten sie bei verschiedenen Düsseldorfer Unternehmen 5000 Euro Spenden gesammelt. Das Geld wurde an den „Ambulanten Kinderhospizdienst Düsseldorf" übergeben, der schwer erkrankte Kinder und deren Familien betreut. Zusätzlich konnten noch private Spenden übergeben werden. Auch der siebenjährige Florian Zech gibt etwas. Wenn er heute einen Brief an den Baumgeist schreibt, bedankt er sich darin für „das schöne Fest mit Luftballons und vielen Ständen".

Von dem lustigen Treiben ist unter der Kastanie allerdings fast nichts zu hören, das dichte Blattwerk des 18 Meter hohen Baumes dämpft die Geräusche. Das genaue Alter dieses offiziellen „Naturdenkmals" ist unklar. Und das bleibt hoffentlich vorerst so, denn es lässt sich erst an den Ringen ablesen, wenn der Baum gefällt werden muss.