Düsseldorf. Die US-Kultmarke eröffnet in Düsseldorf den ersten Shop in Deutschland. Und die clevere Werbe-Strategie geht auf: Menschentrauben warten geduldig auf Einlass. Warum das funktioniert, erklärt Marketingexperte Professor Schröder.
Schlangen vor der Eingangstür, Schlangen vor den Umkleidekabinen, Schlangen vor der Kasse: Warten ist bei Abercrombie & Fitch Programm. Bislang vor allem auf der 5th Avenue in New York. Doch am Donnerstagmorgen, pünktlich um 10 Uhr, eröffnete die US-Kultmarke mit dem Elch-Logo nun auch ihren ersten Laden in Deutschland – auf der Düsseldorfer Königsallee.
Schon Stunden zuvor hat sich eine Menschentraube vor dem Haus mit der Nummer 17 gebildet. Ganz am Anfang der Schlange steht Bastian – und das schon morgens um 6 Uhr. „Wenn ich schon bei der Deutschlanderöffnung dabei bin, dann will ich auch als erster in den Laden gehen“, sagt er. Den ganzen Tag haben sich der 20-jährige Auszubildende und seine Freunde dafür freigenommen.
Urlaub zum Shoppen
Urlaub zum Shoppen und dann auch noch freiwillig Schlangestehen? „Das macht doch erst den Reiz aus“, sagt Marion. Die 42-Jährige ist aus Krefeld angereist, um sich mitbegehrten Klamotten einzudecken – im Auftrag ihrer Töchter. „Die sitzen jetzt in der Schule“, sagt Mutter Marion. Zum Glück gibt es Handys! Damit schickt sie den Töchtern fleißig Fotos von den brav vor dem Eingangsbereich wartenden Teenies.
Ein Großteil der Jugendlichen nimmt das Schlangestehen gerne in Kauf; für sie ist der Einkauf bei Abercrombie & Fitch ein Erlebnis, „etwas ganz Besonderes“, sagt Hendrik Schröder. „Das Konzept heißt Verknappung. Die Kleidung wirkt begehrenswerter und wertvoller, weil man darauf warten muss.“ Schröder ist Professor für Marketing und Handel an der Uni Duisburg-Essen und weiß um die clevere Vermarktungsstrategie des Labels. „Die Marke wird greifbar, weil sie den Kunden auf verschiedenen Sinnesebenen anspricht.“ Firmentochter „Hollister“, die vergangenen Winter einen Shop im Centro Oberhausen eröffnete, hat's in Deutschland vorgemacht.
Ältere Kundschaft bewusst ausgeklammert
Abercrombie & Fitch perfektioniert es nun auf vier Etagen in Düsseldorf. Und das beginnt schon an der Tür: „Welcome to A and F“, empfängt die Kundschaft dort ein Beau mit verführerischem Zahnpastalächeln, der im normalen Leben auch ganz gut Deutsch spricht. Aber Englisch und gutes Aussehen ist bei Abercrombie & Fitch Pflicht. Betäubend süßer Parfümduft schlägt den Kunden dort entgehen, während der Schönling fürs gemeinsame Foto seinen stählernen Waschbrettbauch in Szene setzt. Das Polaroid gibt’s gratis. Danach ist nichts mehr umsonst. Denn Exklusivität hat ihren Preis: „Gut dreimal so teuer wie in Amerika ist es hier“, beschwert sich eine Kundin.
Gut, dass man das auf den ersten Blick kaum erkennen kann: In der düsteren Modewelt von Abercrombie & Fitch gelten eben andere Regeln. Licht wird hier nur sparsam und vor allem gezielt auf das gerichtet, worauf es ankommt: Die Klamotten. Nach Preisschildern muss man mühsam mithilfe des Handydisplays suchen. Um die vorweihnachtliche Kauflust trotzdem zu steigern, dröhnt im Hintergrund die Techno-Version von „All I want for Christmas is You“ aus den Boxen.
Auch das gehört natürlich zur ausgetüftelten Vermarktungsstrategie, glaubt Marketingexperte Schröder: „Die Musik wird bewusst zu laut gespielt. Damit vermeidet man, dass Leute, die das nicht mögen, in den Laden kommen.“ Vor allem Ältere seien das – denn die wolle man bei Abercrombie & Fitch nicht haben, so Schröder. „Da wird ganz bewusst eine Grenze zur jungen Zielgruppe gezogen.“ Unter der wiederum entstehe ein Gemeinschaftsgefühl und das Bedürfnis dazu zu gehören.
Marken kommen, Marken gehen
So wie bei Merit und Charlotte. Fast eine Stunde haben die Zwölfjährigen an ihrem schulfreien Tag in der Schlange ausgeharrt. Ob dieses Konzept aber aufgeht, darüber wagt Marketingexperte Schröder keine Prognose: „Vor Abercrombie & Fitch hatten auch schon Gap, Marks & Spencer und Lindex große Pläne auf dem deutschen Markt.“ Doch die seien schnell wieder verschwunden. Trotzdem könnte A&F eine Ausnahme sein. „Das Paket aus Ware, Personal und Reizen ist revolutionär“, so Schröder.
Der Eröffnungstag startete dennoch verhalten: Nur etwa 250 Leute hätten kurz vor Ladenöffnung in der Schlange gestanden, so der Malteser Hilfsdienst. Ob’s der Regen war? Die Türsteher von Abercrombie & Fitch sehen’s gelassen. Sie rechnen mit mindestens 2500 Besuchern – die sich freiwillig in die Schlange stellen.