Düsseldorf. .

Autoren wie Wladimir Kaminer oder Martin Suter stellten ihre Texte für das Obdachlosen-Magazin kostenlos zur Verfügung. Die Bilder steuerte Fotokünstlerin Katharina Mayer bei.

Geballtes literarisches Gewicht hat die 30 000 fache Düsseldorfer Auflage von Fiftyfifty in diesem Monat. Auf 32 Seiten erzählen Wladimir Kaminer, Milena Moser, Martin Suter, u. a. ihre „Stadtgeschichten“. Literatur im Obdachlosenmagazin ist zwar nicht neu. „Die Initialzündung“, sagt Herausgeber Hubert Ostendorf, „die kam von uns bereits 2005, in Zusammenarbeit mit dem Literaturbüro NRW.“ Die Autoren-Worte und Werke, darunter von Elfriede Jelinek oder Günter Grass, erschienen vereinzelt monatlich.

Klassensatz für die Schule

Dass die aktuelle August-Ausgabe eine komplett von namhaften Schriftstellern geprägte Sonderausgabe ist, geht auf ein deutschsprachiges Projekt zurück, in dem Straßenmagazine in Deutschland, Österreich und der Schweiz vernetzt sind, erklärt Birgit Müller auf Nachfrage. Die Chefredakteurin des Hamburger Magazins. „Hinz & Kunzt“ hat für Deutschland die Koordination übernommen. Kostenlos stellten rund 40 Autoren (und Verlage) ihre Texte zum Abdruck in einem Pool zur Verfügung. „Weil sie das Projekt Straßenmagazin toll finden, das Menschen hilft, in der Gesellschaft wieder Fuß zu fassen.“

Straßenmagazine seien verstärkt gezwungen, immer wieder neu auf sich aufmerksam zu machen, so Müller. Und da seien Highlights wie die Wort-Geschenke der Schriftsteller eine wichtige ideelle wie materielle Unterstützung.

„Von der Straße lesen“ heißt beziehungsreich die Botschaft in Düsseldorf. Und hier kommt das „fiftyfifty“-Literatur-Exemplar mit den bekannten Namen offenbar an. „Das Heft verkauft sich gut“, bestätigt Ostendorf. Das haben die derzeit rund 400 aktiven Verkäufer auch nötig. „Die Resonanz im vergangenen Monat war furchtbar, bei diesem Regen!“ Für den Deutschunterricht will Ostendorf übrigens einen Klassensatz (30 Exemplare) der literarischen “Stadtgeschichten“ zu 15 Euro den Schulen der Stadt anbieten. Interesse gebe es bereits...

Die Auswahl aus dem Geschichten-Pool trifft jedes Magazin selbst. Einen längeren Text von Siegfried Lenz will Ostendorf später veröffentlichen. Eine Kostprobe aus der „Business Class“ gibt jetzt Mar tin Suter für fiftyfifty. Roger Willemsen ist „Einsam in Tokio“, während Wladimir Kaminer Straßen-Persönlichkeiten auf der Schönhauser Allee in Berlin porträtiert, und Axel Hacke einen „Selbstabbruch“ gesteht. Wie der Hunger in der Gefängniszelle Alpträume gebiert, dieser Auszug aus dem Roman von Abbas Khider , „Die Orangen des Präsidenten“, hat Katharina Mayer besonders beeindruckt.

Assoziationsangebote

Die Düsseldorfer Fotografin, einstige Becher-Schülerin, hat - ebenfalls honorarfrei - die Bilder der Ausgabe beigesteuert. „Es ging nicht darum, die Geschichten zu illustrieren“, betont sie. Vielmehr behaupten sich ihre aus einem großen Fundus ausgesuchten Fotografien als eigenständiges, zusätzliches Assoziationsangebot zum Text. Wobei die Aufnahmen freilich auch ein persönliches Unterfutter haben.

So entstand das atmosphärsich starke Foto einer Asiatin auf grüner Bank, das Katharina Mayer zu Willemsens Story „Einsam in Tokio“ gesellte, während ihres Stipendiums in New York. Und auf dem von Geld umspielten Leopardensofa lümmeln sich ihre beiden Söhne und deren Freunde, während Sybille Berg „Die Reichen“ seziert... Entstanden ist die Aufnahme 2005 und gehört zu ihrer Serie „familia“. Mit „fiftyfifty“ arbeitet die Künstlerin aus Überzeugung zusammen. So porträtiert die Fotografin Verkäufer des Obdachlosenmagazins. Und die fiftyfifty-Galerie an der Jägerstraße zeigte bereits 2007 eine große Ausstellung ihrer Obdachlosen-Bilder. Politisches Engagement heißt bei Katharina Mayer: Einsatz nicht für eine Partei, wohl aber für „radikale Humanität“.