Er hat mitten unter ihnen gelebt. Seit eineinhalb Jahren. Für die Polizei war er bisher völlig unauffällig.
Ein Mann, der offenbar mit keinem Nachbarn im fünfgeschossigen Wohnhaus an der Aachener Straße 113 im Clinch gewesen sei. Einer, der viel zu Hause war, der sich irgendwie durchs Leben schlagen musste: keine Familie, keine Kinder, keine Arbeit. Sein Hund sei der „Lebensretter” gewesen, weil der Samstagfrüh plötzlich an der Tür gekratzt, Herrchen auf den Qualm im Treppenhaus aufmerksam gemacht habe und deshalb die Feuerwehr schnell alarmiert werden konnte. So habe es später Arno S. einem Boulevard-Blatt und Anwohnern erzählt. Eine rührende Geschichte. Nur - die Polizei glaubt dem 35-jährigen Mieter nicht.
Zu viele Widersprüche, zu viele Ungereimtheiten. Am Dienstag nahm sie ihn ins Kreuzverhör. „Da war er eingeknickt”, berichtete Oberkommissar Markus Dreisewerd. Der Mieter gab zu, das Feuer „möglicherweise ausgelöst” zu haben. Ein Brand, der 17 Menschen in höchste Gefahr brachte und Schaden von mindestens einer halben Million Euro verursachte.
Die Version, die der Beschuldigte nun präsentierte, löste bei Staatsanwalt Andreas Stüwe Stirnrunzeln aus: Arno S. sei mit seinem Terrier in der Frühe Gassi gegangen. Wieder zurück habe er im Hausflur im Erdgeschoss ein Geldstück verloren. Da es zu dunkel gewesen sei, habe der 35-Jährige mit seinem Feuerzeug Licht gemacht, um die Münze auf dem Boden zu suchen. Dabei könne der Brand entstanden sein. Also Fahrlässigkeit?
„Ich nehme diese Angaben zur Kenntnis”, sagte der Staatsanwalt trocken. Und ließ keinen Zweifel daran, dass er sehr wohl Zweifel hat. Aufgrund „objektiver Erkenntnisse” (über die derzeit noch nichts gesagt wird) geht Andreas Stüwe nämlich davon aus, dass Arno S. das Feuer absichtlich gelegt hat- warum auch immer. Das Motiv ist unklar. Auch andere Fragen bleiben noch offen, darunter diejenige, warum ein Brandstifter in seine Wohnung zurückkehrt, sich selbst in Lebensgefahr begibt und später mit Freundin und Hund über die Drehleiter aus der dritten Etage gerettet werden muss.
Genau diese Frage stellte sich gestern auch der Haftrichter, als der Verdächtige vorgeführt wurde. Zwar erließ er gegen Arno S. Haftbefehl, setzte den aber gleichzeitig unter Auflagen wieder außer Vollzug - und damit den Tatverdächtigen erstmal auf freien Fuß. Für den Richter sei Arno S. vorerst nur wegen „vorsätzlicher Sachbeschädigung” und „fahrlässiger Brandstiftung” dringend verdächtig. Zwar soll er im Hausflur abgestellte Gegenstände angezündet haben, sich aber wohl nicht bewusst gewesen sein, dass die Flammen auf das Haus übergreifen.
Letztlich werden die weiteren Ermittlungen und die juristische Bewertung ergeben, ob der Verdächtige mit einer Geldstrafe davonkommt oder für Jahre hinter Gitter muss.
Nachbarn zeigten sich gestern schockiert, dass einer unter ihnen gezündelt haben soll. „Unfassbar” ärgerte sich ein Versicherungsvertreter. Er kann nicht mehr in sein Büro im Erdgeschoss, die Teeverkäuferin nicht mehr in ihr Geschäft. Ihre Habseligkeiten durften die Bewohner noch mitnehmen. Jetzt haben nur noch die Bauarbeiter Zugang. Sie werden Monate brauchen, um das Gebäude mit dem abgebrannten Dachstuhl wieder bewohnbar zu machen. So mancher Mieter wird wohl nicht mehr zurück wollen.