Düsseldorf. .

Ein Rentnerpaar wurde tot in seiner Wohnung in Düsseldorf-Flingern gefunden. Vermutlich lagen die Leichen schon seit Wochen auf dem Bett. Da die beiden Toten Brustquetschungen haben, schließt die Polizei einen Mord nicht aus.

Wolfgang Siegmund musste sich schon viele Tote ansehen. Das gehört zu seinem Job. Als der Mordermittler am Dienstag das Gebäude der Gerichtsmedizin betrat, glaubte er erst, es mit einem ganz normalen „Todesermittlungsverfahren“ zu tun zu haben. Auf den Seziertischen waren die Leichen einer 91-jährigen Rentnerin und ihres 86-jährigen Lebensgefährten. Beide hatten vermutlich schon seit Wochen zu Hause tot im Bett gelegen.

Als die Polizei sie am Samstag in der Wohnung im Haus Kettwiger Straße 5 in Flingern entdeckte, ahnte keiner etwas von einem Verbrechen. Es gab nichts, aber auch gar nichts Verdächtiges. Keine einzige Spur von Gewalt oder Kampf. Die Obduktion wurde deshalb angeordnet, weil ein Selbstmord nicht ausgeschlossen werden konnte. Doch dann, bei der Untersuchung, waren der Gerichtsmediziner und der Kommissar sprachlos. Die Toten hatten, was beim ersten Augenschein nicht zu sehen war, das gleiche Verletzungsmuster: „Kompression des Brustkorbes“, heißt es später im Befund-Bericht. Für die Polizei stellt sich damit die Frage, ob sie einen Doppelmörder suchen muss.

Kein Motiv, kein Täter

Dies zu klären, ist jetzt Aufgabe der gerade gebildeten Mordkommission. Um die ist sie wirklich nicht zu beneiden. Die Kommissare stochern im Nebel. Zwar sagt die Gerichtsmedizin, dass sich die Opfer die Verletzungen weder selbst noch durch einen Sturz zugefügt haben könnten. Aber zum derzeitigen Zeitpunkt steht nicht einmal fest, ob sie tatsächlich an den Brustquetschungen starben. Der fortgeschrittene Verwesungsprozess erschwert die Ursachensuche der Rechtsmediziner enorm. „Die Untersuchungen sind bei weitem noch nicht abgeschlossen“, berichtet Staatsanwältin Britta Schreiber. „Es erschließt sich uns nicht, was in der Wohnung passierte“, ergänzt Wolfgang Siegmund.

Vermutlich handelt es sich um ein „Tötungsdelikt“. Aber wer und wo soll der Täter sein? Und warum bringt man zwei alte Menschen um? Es ist die verzweifelte Suche nach einem Phantom. Kein Nachbar im Haus hatte eine „dritte Person“ beim Rentnerpaar gesehen. Die Senioren lebten völlig zurückgezogen ihr eigenes Leben in der gemeinsamen Wohnung an der Kettwiger Straße. Fast abgeschirmt von der Außenwelt. Selbst die wenigen Angehörigen können der Polizei nicht weiterhelfen.

Hilfe der Bevölkerung

„Wir brauchen die Hilfe der Bevölkerung“ appelliert Siegmund. „Wir müssen mehr über die beiden wissen und wer Kontakt zu ihnen hatte.“ Deshalb hat sich das Polizeipräsidium entschieden, die Namen der beiden mutmaßlichen Opfer zu nennen: Es handelt sich um Johanna Hoppe, geboren in Freiburg/Breisgau, 91 Jahre, geschieden, 1,58-1,60 Meter groß, Brillenträgerin, schlohweißes Haar - und um Nikolaos Hatzikostas, geboren auf Rhodos, 86 Jahre, geschieden, nur 1,58 Meter groß, kräftige Statur, Stirnglatze, weiße Haare, ebenfalls Brillenträger.

Beide lebten seit Jahrzehnten in Düsseldorf, seit 1998 in ihrer Wohnung an der Kettwiger Straße. Mit den Nachbarn sprachen sie kaum. Das Telefon wurde fast nie benutzt. Eine Zeitung lasen sie nicht. Die Einrichtung ist schlicht. Vermögend war das Paar nicht. Die Frau hatte einen Sohn, der gleich nach der Geburt zur Adoption freigegeben wurde. Sohn und Mutter hatten kaum Kontakt. Ebenso die Kinder und Enkelkinder von „Niko“ Hatzikostas, die in Griechenland leben.

Fast ohne soziale Kontakte

Hatzikostas betrieb früher eine Änderungsschneiderei, seine Lebensgefährtin soll ebenfalls Schneiderin gewesen sein. Nach einem Oberschenkelhalsbruch im vorigen Jahr hielt er sich fast nur noch in der Wohnung auf. Die Einkäufe in Flingern-Süd erledigte die sehr ausgemergelte, aber geistig rege Johanna Hoppe selbst. Sie war stets auf ihren Rollator angewiesen. Einen ambulanten Pflegedienst lehnten beide ab. Nur der Hausarzt kam ab und zu vorbei - zuletzt am 26. Juli. Er war der letzte, der sie lebend gesehen hatte. Am vergangenen Samstag rief schließlich ein Nachbar, der einen sonderbaren Geruch vor der Wohnungstür wahrnahm, die Polizei. Der Schlüssel steckte noch von innen. Die Feuerwehr musste die Tür gewaltsam öffnen. Zwar waren keinerlei Schränke oder Schubladen durchwühlt worden. Einige Tage später aber, bei einer genauen Durchsuchung, stellten die Ermittler fest, dass doch „einige Sachen“ fehlten. Um welche Gegenstände es sich dabei handelt, will die Mordkommission aus ermittlungstaktischen Gründen nicht sagen.