Düsseldorf. .

Irgendwann ging es mit Tobias nur noch bergab. Unaufhaltsam schien der Junge in eine kriminelle Laufbahn abzurutschen. Er wurde zum Sorgenkind der Familie.

Immer wieder gab es Stress mit dem Vater, weil der Junge nicht in der Schule lernte, ständig mit der Polizei in Konflikt geriet. Eine „Vielzahl von Straftaten“ hatte er seit 2006 begangen - da war er erst 14 Jahre alt. Die Latte der Vergehen ist ellenlang: Diebstahl, Sachbeschädigung, Rauschgiftdelikte, Körperverletzung, Schwarzfahren. Ein typischer „Intensivtäter“ - mehrfach verurteilt.

Nicht mehr
auffällig

Und doch schaffte es der junge Tobias, aus dem Kreislauf der Kriminalität auszubrechen. Darüber wurde gestern exemplarisch der Jugendhilfeausschuss im Fachbericht der „Jugendhilfe in Strafverfahren“ informiert.

Seit über eineinhalb Jahren sind gegen Tobias keine weiteren Strafverfahren eingeleitet worden Im letzten Sommer schaffte er seinen Hauptschulabschluss. Nun will er auf einem Berufskolleg sein Fachabitur machen. Tobias ist für das Jugendamt ein Fallbeispiel für eine „typische Jugendepisode“, die „aufgrund der erzieherischen Maßnahmen in den Zeitverfahren zeitlich kurz gehalten werden konnte.“

Der Fall zeigt, wie wichtig es ist, sich möglichst frühzeitig und gezielt um delinquente Jungen und Mädchen zu kümmern. Tobias musste Sozialstunden ableisten, zeitnah wurde auch Jugendarrest gegen ihn ausgesprochen. Als sich schließlich die „soziale Prognose“ für ihn verbesserte, musste Tobias trotz der vielen Straftaten nicht ins Gefängnis. Auf „erzieherischen Wegen“ sollte laut Jugendhilfe seine schulische und berufliche Perspektive verbessert werden und ihm dabei geholfen werden, von der Cannabis-Sucht wegzukommen. Denn die vielen Ladendiebstähle hatte er begangen, um seine Sucht zu finanzieren.

Auch die Polizei hatte ein wachsames Auge auf ihn geworden, der Einsatztrupp „ET Jugend“ suchte ihn zu Hause auf, führte mehrere Gespräche mit ihm. Tobias wurde im Projekt „Fallkonferenz für jugendliche Intensivtäter“ aufgenommen, in denen seit 2008 unterschiedliche Vorkehrungen für 20 besonders auffällige junge Täter besprochen und beschlossen werden. Sechs von ihnen gelten inzwischen „als unauffällig:“ Die Jugendhilfe wertet dies als Erfolg. Bei der Polizei sind insgesamt 184 junge Intensivtäter aktenkundig.

Bewährt habe sich auch ein zweites Projekt: die Diversionstage. Unter dem Motto „Gelbe Karte“ wird bei kleineren Delikten auf eine Anklage und formale Verurteilung verzichtet. Die Delinquenten müssen gemeinnützige Arbeit leisten, oder ein Anti-Gewalt-Training absolvieren oder am Programm „Täter-Opfer-Ausgleich“ teilnehmen. 256 Jugendliche bekamen so „einen Schuss vor den Bug“, um sie wieder auf den rechten Weg zu führen. Die Rückfall-Wahrscheinlichkeit liegt bei 40 Prozent.

5342 Strafverfahren
eingeleitet

Nach dem Bericht der Verwaltung mussten 2008 insgesamt 5342 Jugendstrafverfahren eröffnet werden. Drei Viertel der über 3300 jungen Täter sind männlich. Bei den 14-Jährigen liegt der Anteil der Mädchen schon bei 35,6 Prozent.

Bei den 14- bis 15-Jährigen dominieren Eigentumsdelikte. Bei den Jungen ist fast jede fünfte Straftat eine Körperverletzung. Unter den 18- bis 21-jährigen Tätern hatten über 40 Prozent keinen Schulabschluss, 34 Prozent nur einen Hauptschulabschluss. Im Jugendhaus der JVA Ulmer Höh’ sind jährlich rund 300 Gefangene mit einem Ausländeranteil von 40-50 Prozent.