Düsseldorf. Während der Fußball-EM soll das Nachtflugverbot am Flughafen gelockert werden. Fluglärm-Betroffene fürchten schlaflose Nächte. Was geplant ist.
Die Vorfreude auf die Fußball-EM 2024 (14. Juni bis 14. Juli) steigt. Fünf der Spiele finden in Düsseldorf statt. Doch für Anwohner in der Nähe des Düsseldorfer Flughafens drohe dann Lärmbelastung bis spät in die Nacht, warnt die Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF). Denn an den Flughäfen der Gastgeber-Städte sollen nach Uefa-Anforderungen die geltenden Beschränkungen für Nachtflüge gelockert werden.
Flughafen-Anwohner: Lärm „etwa so laut wie ein Presslufthammer“
„Das geht zurück auf den Bewerbungsprozess, der 2017 stattfand“, erklärt Werner Kindsmüller, Pressesprecher der BVF. Dabei mussten die Städte auch den Bedingungen der UEFA für die An- und Abreise per Flugzeug entsprechen, die vor und nach Spielen auch einen Betrieb nachts beinhalten. Ablehnen können hätte die Stadt diese Bedingung nicht, so der Vereinssprecher: „Dann hätte Düsseldorf den Zuschlag nicht bekommen.“
Kindsmüller wohnt in Kaarst, unter der Einflugschneise des Düsseldorfer Flughafens. Damit gehört er zu den, wie er erklärt, rund 100.000 Menschen in Düsseldorf und der Region, die vom Fluglärm des Airports betroffen sind. In mehreren Städten gibt es Lärm-Messstationen des Vereins Deutscher Fluglärmdienst. „70 bis 75 Dezibel verursacht eine landende Maschine, Starts sind noch lauter“ erklärt Kindsmüller – wie viel man davon mitbekomme, unterscheide sich je nach Flughafen-Entfernung. Am größten ist die Lärmbelastung direkt am Flughafen in Düsseldorf-Lohausen: Hier werden während des Flughafenbetriebs ständig Werte von über 80 Dezibel (dB) gemessen, teilweise sogar mehr als 90 dB. „Das ist in etwa so laut wie ein Presslufthammer“ verbildlicht Kindsmüller den Spitzenwert.
Der reguläre Betrieb am Flughafen dauert von 6 bis 22 Uhr. Danach, täglich von 22 bis 23 Uhr, dürfen nur noch 33 Landungen und keine Starts passieren. Bestimmte Flugzeuge können noch bis 23.30 Uhr verspätet landen. Mit einigen Ausnahmen – darunter Airlines mit „Home Base“ in Düsseldorf, die bis 24 Uhr landen dürfen – sind Landungen und auch Starts danach nur noch mit Ausnahmegenehmigung der Luftaufsicht möglich.
Starts und Landungen in Düsseldorf weit nach Mitternacht befürchtet
„Einige der EM-Spiele starten erst um 21 Uhr“, betont der Kaarster. Wenn Mannschaften oder Fangruppen danach in eine andere Stadt fliegen, könnten Starts und Landungen deutlich nach Mitternacht passieren, befürchtet er. Die Uefa rechne jedenfalls mit 18.000 Fans, die zu jedem Spiel via Flug an- und abreisen.
Für Betroffene ist der Fluglärm auch eine gesundheitliche Belastung, so Kindsmüller. Zusammenhänge etwa mit Herz-Kreislauf- und psychischen Erkrankungen seien gut erforscht. Das liege besonders am gestörten Schlaf. „Ich selbst brauche mir keinen Wecker zu stellen. Sobald um sechs Uhr der Flugbetrieb losgeht, wache ich auf.“ Maßnahmen von Anwohnern, ob Ohropax oder bauliche Vorkehrungen, seien nur von begrenzter Wirksamkeit.
Die BVF fordert, dass die bisherigen Nachtflugregelungen bestehen bleiben – Regeln, die sie abseits der EM eigentlich gerne verschärft sähen. Starts- und Landungen nach den dafür erlaubten Zeiten gäbe es dann weiterhin nur mit Genehmigung. Bei Mannschaften, die nach Abendspielen schnell zurück zum „Camp“ müssen, fände er vereinzelte Ausnahmen dann nachvollziehbar, so der Vereinssprecher – Fangruppen-Flüge mitten in der Nacht allerdings nicht.
Entscheiden müsse über die Änderung der Nachtflugbeschränkungen der NRW-Verkehrsminister. Noch liege keine Entscheidung vor, berichtet Kindsmüller. „Ich vermute, dass es damals, als sich Düsseldorf beworben hat, eine Rücksprache mit dem Verkehrsministerium gegeben hat.“ Auf eine Anfrage diesbezüglich beim Ministerium habe der Verein noch keine Antwort bekommen. Das NRW-Verkehrsministerium erklärte am Mittwoch laut einem Medienbericht lediglich, keine Ausnahme-Genehmigungen für Nachtflüge während der EM erteilt zu haben.
Nachtflugregelung bleibt laut Flughafen Düsseldorf bestehen
„Die Nachtflugregelung bleibt grundsätzlich bestehen, doch können Fluggesellschaften Ausnahmen bei der zuständigen Luftaufsicht beantragen, etwa wenn Mannschaften aufgrund spät angesetzter Spiele nachts in ihre Basiscamps zurückkehren müssen“, erklärt Flughafen-Sprecher Süleyman Ucar auf NRZ-Anfrage. „Nach jetzigem Stand erwarten wir Ausnahmen von den bestehenden Nachtflugregelungen nur in begrenztem Umfang.“ Der Flughafen rechne während der EM mit erhöhter Nachfrage nach Flügen – bislang geplante Flüge konzentrieren sich dabei hauptsächlich auf Fan-Flüge innerhalb der üblichen Betriebszeiten, so der Sprecher.
Am Donnerstag brachte die Ratsfraktion der Linken das Thema Fluglärm in den Stadtrat: „Fluglärm in der Nacht beeinträchtigt die Gesundheit in Flughafennähe, aber kein städtischer Ausschuss fühlt sich dafür zuständig“, erklärte Fraktionssprecherin Anja Vorspel. Die Linke will das Thema deshalb einmal im Jahr im Stadtrat mit der zuständigen Kommission Flughafen diskutieren. Mit ihrem Antrag dazu hatte die Fraktion Erfolg: Einmal jährlich soll, laut Ratsbeschluss, von nun an ein Vertreter der Kommission Flughafen in einer Ratssitzung über die Tätigkeit und Beschlüsse der Kommission informieren.
Die Stadtverwaltung antwortete auch auf eine Anfrage der Linken zu Starts und Landungen in der Nacht. Aus der Antwort geht hervor, dass im Jahr 2023 insgesamt 106 Starts und Landungen im Nachtzeitraum genehmigt wurden, 96 Anträge abgelehnt. Doch nur 66 der Antragssteller haben die erhaltene Genehmigung tatsächlich in Anspruch genommen. Außerdem: „Einzelfallgenehmigungen für Privatflüge wurden nicht erteilt“, so die Stadt. Acht der 66 Flugbewegungen hatten als Start oder Ziel einen Flughafen, der weniger als 500 km vom Flughafen Düsseldorf entfernt lag, so die Verwaltung.