Düsseldorf. Oft fallen Konzentrationsprobleme im Klassenraum auf. Doch es gibt weitere Gründe für das schwache Ergebnis, urteilen Lehrerinnen aus Düsseldorf.

Von einem „Schock“ ist derzeit an vieler Stelle die Rede, wenn es um das Abschneiden deutscher Schüler bei der aktuellen Pisa-Studie geht. Besonders in Mathematik sind die Leistungen abgesunken, aber auch in der Lesekompetenz schnitten die deutschen Schüler schlechter ab, als in vorherigen Studien. Probleme, die viele Düsseldorfer Lehrkräfte auch im Alltag merken.

So wie etwa Patricia Ollesch, die Englisch und Religion an der Gemeinschaftshauptschule Bernburger Straße im Stadtteil Eller unterrichtet. „Das zeigt sich im Unterricht, und das schon seit mindestens zehn Jahren“, berichtet sie. Dahinter gebe es vielfältige Gründe: „An erster Stelle der Lehrermangel.“ Die Politik habe es lange verpasst, genügend Lehrkräfte einzustellen. Das führe unter anderem dazu, dass Lehrer auch in Fächern unterrichten müssen, für die sie eigentlich nicht qualifiziert sind. Doch auch weitere Fachkräfte, wie Sozialarbeiter, fehlen, sagt Ollesch.

Einen weiteren Grund sieht sie woanders: „Erhebliche Konzentrationsschwächen“ bei vielen Kindern, hinter denen sie und ihre Kollegen die starke Nutzung von Social-Media-Apps wie YouTube und Tiktok vermuten. „Die Schüler sind nur gewohnt, kurze Informationsschnipsel aufzunehmen. Die Konzentration, sich länger mit Themen zu beschäftigen, fehlt.“

„Es rächt sich jetzt massiv der Lehrermangel in den Grundschulen“

Gerade diese Kompetenz ist eigentlich eine Grundvoraussetzung für den schulischen Erfolg, erklärt Hanna Tuszynski, die an einem Gymnasium im Düsseldorfer Osten unterrichtet. Bleibt der aus, wechseln viele Kinder vom Gymnasium auf eine andere Schulform. „Die Kinder, die scheitern, sind typischerweise diejenigen, die sich nicht gut konzentrieren können oder Defizite im Bereich Lesen haben“. Diese Schulwechsel seien ein Grund dafür, dass ein genereller Leistungsabfall im Gymnasium nicht so deutlich zu sehen sei. Doch auch die Bio- und Chemielehrerin bemerkt, dass bei Schülern im Schnitt die Ausdrucksfähigkeit und Rechtschreibung nachgelassen haben, schildert sie.

„Ich denke schon, dass auch Corona groß eingeschlagen hat“, urteilt Tuszynski. Dabei seien ganze Schülergruppen vernachlässigt worden, besonders diejenigen, die Zuhause keine guten Bedingungen zum Lernen haben. Man habe einige vielversprechende Konzepte zum Umgang mit dieser Situation einfach nicht umgesetzt und viele Schüler mit dem Problem so allein gelassen. Doch Corona sei nicht der Hauptgrund für die Negativentwicklung: „Es rächt sich jetzt massiv der Lehrermangel in den Grundschulen“, vermutet die Lehrerin.

Kritik an zu großen Klassen

Monika Maraun, Sprecherin der Fachgruppe Grundschule der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Düsseldorf, sieht einen Grund für das schlechte Abschneiden bei der Pisa-Studie auch in den teils überfüllten Klassen: „Wir haben in den Grundschulen durchgehend völlig übergroße Klassen, bei einem hohen Migrationsanteil. Dazu einen durchgehenden Lehrermangel.“ Der Förderunterricht, den Kinder viele mit Migrationsgeschichte brauchen, könne oft aus Personalknappheit nicht stattfinden. Maraun selbst leitet die Katholische Grundschule Paulusschule in Düsseltal.

Auch interessant

Auch sie nimmt wahr, dass die Konzentrationsfähigkeit von Schülern nachgelassen hat. „Früher hatten Klassen 22, 23 Kinder, heute an die 30, auf weiterführenden Schulen sogar oft größer.“ Diese großen Klassen seien auch ein Grund für die Konzentrationsprobleme bei den Heranwachsenden. Etwa dadurch, dass Lehrkräfte weniger auf einzelne Kinder eingehen können. „Jedes dritte Kind bringt ein kleines oder großes Problem mit“, erklärt sie. Das gehöre zum „Tagesgeschäft“ für Lehrkräfte, die unter großer Belastung stehen. Dass der Beruf so unattraktiv werde – wie auch durch die Abschaffung der bedingungslosen Teilzeit – helfe nicht mit dem Personalmangel. Für die vielen eingestellten Quereinsteiger wünscht sie sich dagegen bessere Möglichkeiten zur Weiterbildung.

Große Klassen, wenig Zeit

Gabriella Lorusso ist Englischlehrerin an der Gesamtschule Stettiner Straße in Garath. Auch sieht hat Erklärungsansätze für das desolate Pisa-Ergebnis: „Was wir merken, ist eine ständige Überlastung der Kollegen.“ In den sehr großen Klassen sei dabei keine Zeit für wichtige „Beziehungsarbeit“, keine Zeit, um mit Schülern über Probleme zu sprechen. Auch Sozial- und Sonderpädagogen werden dringend gebraucht, sagt sie.

Besonders in Inklusionsklassen, wo Lehrer aus Personalmangel Funktionen erledigen müssen, für die sie eigentlich nicht ausgebildet wurden: „Ich muss in meiner Arbeit selbst Aufgaben übernehmen, für die ich keine Qualifikation habe, für die eigentlich Sonderpädagogen gebraucht werden.“ Durch die große Belastung werde ein Beruf unattraktiv, der eigentlich sehr sinnstiftend sein kann - etwas, wonach viele junge Leute suchen, denkt sie. Viele werdende Lehrkräfte brechen jedoch im Referendariat ab, stellt sie fest.

Neben der Ausstattung mit mehr Personal findet sie auch eine Sache entscheidend: „Die Lehrpläne sind überfrachtet, Wir hetzen von Klassenarbeit zu Klassenarbeit. Wir haben keine Zeit im Unterricht, zu üben. “ Lieber hätte sie als Lehrerin mehr Spielraum, die Zeit selber einzuteilen und den Unterricht anders zu gestalten.