Düsseldorf. In der Düsseldorfer Neonreal-Gallery wird der erste VR-Film Deutschlands gezeigt. Moritz Führmann war bei der Vorpremiere dabei.
In jedem zweiten Kino-Trailer wird versprochen, dass der darin beworbene Film die Zuschauer mitnimmt in eine andere Welt, sie „eintauchen“ lässt in die Geschichte. Was es wirklich bedeutet, in einem Plot mittendrin statt nur dabei zu sein, das präsentiert jetzt die Neonreal-Gallery am Düsseldorfer Burgplatz. In dem von außen eher unscheinbar wirkenden Ladenlokal wird in den nächsten Wochen und Monaten der erste VR-Spielfilm Deutschlands gezeigt. „Aufwind“ heißt das Werk von Regisseur Florian Siebert, rund 25 Minuten lang, für Virtual Reality ziemlich lang, aber wunderbar kurzweilig erzählt. Die Story handelt von Charlotte Möhring und Melli Beese. Es waren die beiden ersten deutschen Frauen, die im Jahr 1912 in einer männerdominierten Welt den Pilotenschein machen. „Aufwind“ ist Storytelling der Zukunft. High-End-Technologie und immersive Erfahrung. Der Zuschauende erlebte den Film mit allen Sinnen. Er kann ihn nicht nur sehen, er kann ihn fühlen - und sogar riechen.
Schauspieler waren von bis zu 40 Kameras umgeben
Johannes Partow hat das Projekt gemeinsam mit dem Düsseldorfer Unternehmen Neonreal von Anfang an begleitet - und will es weiter wachsen lassen. „Es war wahnsinnig aufwändig, aber auch spannend, bis hierhin zu kommen“, sagt der 58-jährige Diplom-Ingenieur für Theater- und Veranstaltungstechnik, der schon Geschäftsführer in der Oberhausener Arena war. Der Film soll mindestens für ein halbes Jahr in Düsseldorf gezeigt werden, danach soll „Aufwind“ während einer Art Deutschland-Roadshow durch Hamburg, Berlin, München und andere Großstädte wehen.
Beim Preview-Termin in der Neonreal-Gallery am Dienstag, 21. November, sah auch Moritz Führmann den Film zum ersten Mal. Die Welten in „Aufwind“ sind komplett digital, die Schauspieler echt. Führmann und Co. spielten bei den Dreharbeiten auf einer Weißfläche ins Nichts hinein und wurden später durch die so genannte Volume Captures-Technolgie in die 360 Grad-VR-Welt eingebaut. Für den in Düsseldorf lebenden Mimen war das eine ganz neue Erfahrung. „In dem Studio war es sehr hell, ich habe danach drei Tage gebraucht, um mein Augenlicht wieder komplett zurück zu erlangen“, erzählte Führmann bei der Vorpremiere lachend. „Außerdem war es relativ eng, man war ständig von 30 bis 40 Kameras umgeben.“ Der 45-Jährige, der lange zum Ensemble des Schauspielhauses gehörte, kennt Regisseur Siebert aus Berlin. Als die Nachfrage für „Aufwind“ kam, sagte er sofort zu. „Dieser Film ist perfekt für dieses Medium“, sagt Führmann, der in dem Plot einen frauenverachtenden Flugzeugmechaniker darstellt.
Regisseur hat sich auf völlig neues Terrain gewagt
Führmann ist nicht der einzige Top-Schauspieler im Cast von „Aufwind“: Wotan Wilke Möhring besetzt die Rolle des herrischen Vaters, die beiden Protagonistinnen werden von Luise Befort und Michelle Barthel gespielt. Und dann ist da noch Thea, das Mädchen, das das Fliegen lernt. Thea wird von den Besuchern gespielt, von demjenigen Menschen, der gerade auf dem bequemen Gamer-Sessel in der Neonreal-Gallery sitzt und komplett in die Szenerie eintaucht: Thea hilft mit einer Grubenlampe beim Licht machen, Thea fährt mit dem Oldtimer durch die Stadt Essen von 1912 (die ersten Luftfahrtvereine in Deutschland gab es im Ruhrgebiet), Thea fliegt am Ende sogar selbst mit dem Flugzeug. Thea spürt den Wind, wenn es durch die Lüfte geht, Thea riecht sogar die aufgewühlte Erde, wenn vor ihr ein Propellerflugzeug gerade eine Notlandung verursacht hat. Thea wird heiß, Thea spürt die Erschütterungen beim Autofahren. Wie das geht? „In unserem Multisensorik-Raum sorgen Ventilatoren und Luftbestäubermaschinen für das besondere immersive Filmerlebnis“, erklärt Partow.
Er hat Recht. Der Film von Florian Siebert ist ein Werk für alle Sinne. Der Regisseur ist froh, dass es Förderungen von der Filmstiftung NRW und vom Medienboard Berlin Brandenburg gab und eben durch die Düsseldorfer von Neonreal unterstützt wurde. „Sonst hätten wir dieses Projekt nicht umsetzen können“, sagt Siebert, der auch schon viele klassische Filme gedreht hat. Der Mann hat sich komplett auf neues Terrain gewagt. „Bisher gab es Virtual Reality ja nur im künstlerisch-musealen oder im Education-Bereich“, so Siebert, der mit „Aufwind“ auch schon bei der Berlinale und bei den Filmfestspielen in Venedig für Aufsehen gesorgt hat. „Bei diesem Projekt war Teamarbeit noch wichtiger als das bei klassischen Drehs ohnehin schon der Fall ist. Und das hat eben mit der neuen Technologie zu tun.“
Tickets für den Film gibt es ab Freitag, 24. November
Als Moritz Führmann beim Preview-Abend in der Neonreal-Gallery nach der „Aufwind“-Vorführung die VR-Brille abzieht, ist er gerührt und nimmt seinen Regisseur in den Arm. „Das ist noch viel besser geworden, als ich mir das vorgestellt habe“, sagt der sympathische Schauspieler. Es ist nicht nur die Technologie, die begeistert, sondern auch die Geschichte an sich. Dass man 25 Minuten so dicht und vollständig erzählen kann, hätte an diesem Abend niemand für möglich gehalten.
Die Neonreal-Gallery befindet sich am Burgplatz 2-3 und besteht aus drei Räumen: Das Entree mit Leuchtbildern hat eher musealen Charakter. Dahinter rechts dann eine Art Mini-Kinosaal, in dem eine Dokumentation über den Beginn der Fliegerei ab Otto Lilienthal gezeigt wird. Daneben dann der VR-Raum mit acht Plätzen, um „Aufwind“ multisensorisch erleben zu können. Tickets für das Kino-Erlebnis gibt es ab Freitag, 24. November, unter www.aufwindvr.com.