Düsseldorf. Düsseldorfer Politiker zweifeln am prognostizierten Erfolg der geplanten Partei. Die Linke im Stadtrat zeigt sich von der Ankündigung unbeirrt.

Am Montag kündigten die Linken-Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht – die ihren Wahlkreis bis vor wenigen Jahren in Düsseldorf hatte – und weitere Linken-Abgeordneten eine Vereinsgründung an, auf die eine neue Partei folgen soll. Eine aktuelle Wahlumfrage des Instituts Insa nahm das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) schon als Option auf – ganze zwölf Prozent der Befragten gaben an, für die neue Partei stimmen zu wollen.

„In Düsseldorf sind die Wagenknecht-Fans gegangen“

„Wir sind froh, dass es endlich so weit ist“, sagt Anja Vorspel, Sprecherin der Düsseldorfer Linke-Ratsfraktion. Seit Jahren habe sich Wagenknecht schon nicht mehr an demokratische Beschlüsse des Parteitages der Linken gehalten, sagt sie. Deswegen habe die Partei schon viele Wählerstimmen verloren, meint die Ratsfrau. Zu Wagenknecht habe der Kreisverband schon seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr, berichtet Vorspel weiter. Dort sei der Konflikt längst ausgetragen worden. „In Düsseldorf sind die Wagenknecht-Fans gegangen“. Dass es bald Austritte und Parteiwechsel zur „BSW“-Partei geben könne, hält sie für möglich, doch viele würden es nicht sein, denkt sie. Dass Sahra Wagenknecht künftig auch in Düsseldorf einige Wähler gewinnen wird, hält Vorspel dagegen für wahrscheinlich. „Auf ihre populistischen Forderungen fahren viele ab“, sagt sie. Die Linken in der Landeshauptstadt wollen sich davon jedoch nicht beirren lassen und „weiter starke Oppositionsarbeit im Stadtrat machen“, betont die Ratsfrau.

Für Die Linke hänge nun viel davon ab, ob sie in den nächsten zwei Jahren die Wähler erreichen kann, die der Partei bereits – auch wegen Wagenknechts langjähriger prominenter Rolle – den Rücken gekehrt haben, sagt Vorspels Fraktionskollegin Julia Marmulla. Dabei müsse auch klarer in die Kommunikation gegangen werden, um von dem Gesellschaftsmodell zu überzeugen, für das ihre Partei stehe. Die Abspaltung der Wagenknecht-Anhänger sei „unausweichlich“ gewesen, erklärt die Ratsfraktionssprecherin. Zu den Themen, an denen sich der Konflikt am meisten festgemacht habe, Klima- und Migrationspolitik, hatte Marmulla vom „BSW“ auf deren Pressekonferenz am Montag eigentlich eine klarere Positionierung erwartet. „Vielleicht heißt das, dass sie in ihrem Bündnis noch um die richtige Position ringen werden.“ Dass Wagenknechts Partei wirklich so große Wahlerfolge feiern werde, wie bisher prognostiziert, daran zweifelt Marmulla: Einmal weil unklar sei, ob die Kombination „ökonomisch links, gesellschaftspolitisch eher rechts“ wirklich so viele Anhänger finde. Und: „Eine Partei kann kein Personenkult sein“, so ihre Meinung. Und während Wagenknecht unbestreitbar eine gewisse Ausstrahlung habe, wirkten einige der Politiker, die jetzt neben ihr stehen, eher wie „lahme Enten“, urteilt Marmulla.

Rimkus (SPD) lädt Linken-Abgeordnete ein

Der angekündigte Austritt von bisher zehn Fraktionsmitgliedern – Wagenknecht mitgerechnet – würde Die Linke im Bundestag den Fraktionsstatus kosten. Damit einher geht der Verlust bestimmter Rechte und finanzieller Mittel. „Ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen in der Linksfraktion“, sagt dazu der Düsseldorfer SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Rimkus. Viele von ihnen hätten ein ernsthaftes Interesse am „Vorankommen der Republik“. Für den Fall dass Die Linke im Bundestag bald ihren Fraktionsstatus verliert, spricht er eine Einladung an deren Abgeordneten aus, der Bundesfraktion der Sozialdemokraten beizutreten: „Wir breiten die Arme aus“.

Er gehe allerdings davon aus, dass ein Teil von ihnen Wagenknecht in das „BSW“ folgen werden. „Mir ist aber aufgefallen, dass von den Parteilinken auf der Konferenz am Montag niemand zu sehen war“, sagt Rimkus, und schließt daraus, dass Wagenknechts Unterstützung in der Fraktion wohl nicht allzu groß sei. Die Ergebnisse der am Sonntag veröffentlichten Insa-Umfrage nehme er nicht ernst: „Das ist eine Momentaufnahme, noch dazu im Auftrag der Bild-Zeitung“, erklärt Rimkus weiter.

Zweifel am starken Umfrageergebnis

„Ich glaube, dass man solche Umfragen nicht überbewerten sollte“, findet auch die Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete Sara Nanni (Grüne). Für die Grünen sieht sie in der angekündigten Wagenknecht-Partei keine Konkurrenz. Bei Themen wie Diversität und in der Außenpolitik stehe Wagenknecht den Grünen diametral gegenüber. „Man konnte damals bei der Demo, die angeblich für den Frieden war, sehen, dass sich Sahra Wagenknecht nicht auf die Seite der Opfer stellen will – und die Schuld für den Überfall der Ukraine bei der Nato sieht.“ Ein Weltbild, das die Grünen entschieden ablehnen, so Nanni.

Die Ankündigung sei „auch langsam Zeit geworden“, witzelt Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). „Frau Wagenknecht spricht seit einem Jahr darüber“, erinnert sich die Düsseldorfer Bundestagspolitikerin. „Wer gackert, sollte dann auch mal das Ei legen.“ Sie sei überzeugt davon, dass die neue Partei sich hervorragend mit der AfD verstehen werde, erklärt Strack-Zimmermann: „Inhalt und Attitüde sind ja bemerkenswert deckungsgleich.“

Die Schwierigkeit, regierungsfähige Koalitionen zu bilden werde nun größer, je größer Parteien an den „extremen Rändern“ werden, befürchtet nun der Düsseldorfer CDU-Bundestagsabgeordneter Thomas Jarzombek. Die kommende Wagenknecht-Partei sieht er dabei sozusagen an beiden Rändern „Da bestätigt sich die Hufeisen-Theorie ein Bisschen.“ Vor ihren Inhalten warnt er: „Die wollen mit allem brechen, was uns über 70 Jahre Frieden und Wohlstand gebracht hat.“

Anstelle der Bindung an den Westen würde die neue Partei die Bindung an Russland herstellen wollen. Ob sie allerdings wirklich zwölf Prozent erreichen könne, das müsse man erstmal abwarten, meint Jarzombek. Aktuell projizierten Leute alle möglichen Wünsche auf die Partei. „Die Wirklichkeit einer Partei ist komplizierter. Das wird auch keine One-Woman-Show werden.“