Düsseldorf. Auf der Suche nach einem Platz für Suchtkranke und Obdachlose geht der Streit zwischen der Stadt und sozialen Initiativen weiter.

Die Altstadt-Armenküche und das Straßenmagazin Fiftyfifty wollen nicht länger dabei zuschauen, wie suchtkranke und/oder obdachlose Menschen in Düsseldorf von „Hotspots“ wie dem Worringer Platz vertrieben werden. Unter dem Motto „Platz“ nehmen!“ fordern die beiden Hilfsorganisationen einen Platz, wo sich obdachlose und suchtkranke Menschen aufhalten können. Nun luden sie an einen solchem Ort zu einem Essen für arme Menschen ein. Es handelt sich um den ehemaligen Parkplatz zwischen Gesundheitsamt und der U-Bahn-Station Moskauer Straße. Dieser Ort soll als Aufenthaltsort etabliert werden.

Drogenszene in Baugrube abgedrängt

„Während die Politik weiter untätig bleibt, wollen wir mit unserer Essenausgabe erneut auch auf die schwierige Situation am Worringer Platz aufmerksam machen“, erklärte Streetworker Oliver Ongaro von Fiftyfifty. Der Immermann-Hof, wo sich die Szene aufgehalten hat, sei von der Stadt umstrukturiert und die Drogenszene in die Baugrube der Adler Group (Grand Central) abgedrängt worden. Dort sei die Situation laut Ongaro bereits unerträglich. „Wir sind dafür, das Geschehen auf verschiedene Plätze in der Stadt aufzuteilen, damit könnten dann die Anwohner und Geschäftsleute gut leben.“ Und für die Betroffenen wären die Hilfsangebote schneller zu erreichen.

Den Platz neben dem Gesundheitsamt an der Kölner Straße lehnt die Verwaltung aber offenbar ab. Das hatte die Stadt noch am Mittwoch mitgeteilt. „Der Platz kommt nicht infrage“, heißt es wörtlich. Der ehemalige Parkplatz müsse ertüchtigt, abgesichert und „attraktiv ausgestattet“ werden, damit eine sinnvolle Nutzung denkbar wäre, so die Begründung. Zudem wird dort eben bald gebaut – auf der Fläche soll ein Gesundheitscampus entstehen, der das bestehende Gesundheitsamt ergänzen soll. Die Bauarbeiten sollen in einigen Jahren beginnen. „Das Etablieren eines tatsächlich genutzten Platzes mit einer Aufenthaltsqualität und die Bebauung schließen sich gegenseitig aus.“ Hinzu kämen Bedenken wegen der direkten Nachbarschaft zum Spielplatz einer Kita und dem städtischen Gesundheitsamt.

Die Antwort der Stadt ließ die Beteiligten fassungslos zurück. SPD-Ratsherr Martin Volkenrath machte sich am Mittwoch nicht nur als Zaungast ein Bild von der Aktion – auch von den Zuständen in der „Zeltstadt“ im Grand Central-Bauloch. „Die Herangehensweise der Stadt finde ich wirklich unmöglich“, sagt der Sozialdemokrat. Angeblich habe OB Stephan Keller die Angelegenheit zur Chefsache erklärt. „Aber es passiert nichts, die Sache wird von einem Dezernat ins andere geschoben.“

Und auch Streetworker Oliver Ongaro bezeichnet die Haltung der Stadt als „unsäglich“. Die Stadt habe einfach kein Konzept für eine vernünftige Drogenpolitik, sagt er. „Von der Verwaltung hören wir immer nur, was nicht geht, und nicht das, was gehen könnte.“ Dabei sei es einfach und mit wenigen Mitteln zu erreichen, auf dem besagten Parkplatz eine feste Überdachung zu erstellen, geeignete Sitzgelegenheiten zu bieten, um damit auch Streetwork möglich zu machen. Ongaro: „Damit würden diese Menschen auch nicht so viel Druck vom OSD und der Polizei bekommen“, so Ongaro. „Das wäre dann ein fester und legalisierter Aufenthaltsort für diese Leute.“

Ähnlich deutlich wird auch Pater Wolfgang Siefert, der Vorsitzende der Altstadt-Armenküche. „Ich finde es gut, den Worringer Platz zu entlasten und für Menschen, die genauso zu unserer Stadt gehören, einen Raum zu schaffen“, erklärt der Pater, der froh ist, dass dieser Platz von Streetworkern und Politikern aus der Bezirksvertretung und dem Rat gefunden wurde. „Die U-Bahn-Station ist nah, und das Gesundheitsamt ist auch nicht weit weg. Hier einmal anzufangen, wäre kein Problem.“ Er sehe es nicht, dass andere Menschen durch die Anwesenden gestört werden sollten.

SPD fordert Gesamtkonzept

SPD-Mann Volkenrath spürt indes den Zeitdruck, der dieses Thema schon länger begleitet. Doch das gilt nicht nur für einen möglichen Aufenthaltsort an der Warschauer Straße. Die SPD-Ratsfraktion fordert zudem eine nachhaltige und menschenwürdige Lösung für die Lage rund um den Worringer Platz. „Wir wollen dieser Situation nicht länger tatenlos gegenüber stehen“, sagt Volkenrath zu seinem Antrag im Stadtrat, der die Situation rund um den Worringer Platz beinhaltet. Konkret fordert die SPD-Ratsfraktion darin, dass „das Gesundheitsamt, das Dezernat für Wohnungslose und das Ordnungsdezernat sowie weitere Verwaltungsvertreter aus dem Lenkungskreis Suchthilfe ihre gemeinsame Strategie für den Umgang mit der Situation in einer Sondersitzung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales und des Ordnungs- und Verkehrsausschusses darstellen“.

Volkenrath: „Wir wollen sofort etwas machen, um etwas bis spätestens Anfang November auf den Weg zu bringen.“ Er sei dafür, das Problem in Etappen anzugehen und zeitlich begrenzte Projekte anzusetzen. Denn für die Umsetzung eines Gesamtkonzeptes dränge die Zeit viel zu sehr. „Der Platz an der Warschauer Straße ist genau das, was sich für ein Pilotprojekt anbietet“, glaubt der Sozialdemokrat.

Klartext von Stephan Wappner

NRZ-Redakteur Stephan Wappner kritisiert den Umgang der Stadt mit suchtkranken und obdachlosen Menschen.
NRZ-Redakteur Stephan Wappner kritisiert den Umgang der Stadt mit suchtkranken und obdachlosen Menschen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Alles, was nicht zur Hochglanz-Metropole Düsseldorf passt, kommt in die Versenkung. Deshalb werden inzwischen Suchtkranke und Obdachlose vom Worringer Platz systematisch vertrieben. Anstatt eine nachhaltige Drogenpolitik anzugehen, schickt OB Keller seine Lieblingsabteilung, den OSD, auf Achse, um vor Ort aufzuräumen. So landen die bemitleidenswerten Mitmenschen in einer Baugrube zwischen Bahnhof und Capitol. Dort herrschen elende Zustände, es ist kaum zu ertragen. Das könnte sich der OB mal angucken.

Soziale Initiativen sind auf der Suche nach einem neuen Ort für diese Menschen, auch, um die Lage am Worringer Platz zu entzerren. Einen Platz neben dem Gesundheitsamt lehnt die Stadt ab. Warum? Weil dieser ja „attraktiv ausgestattet“ werden soll, damit eine – so wörtlich – „sinnvolle Nutzung“ denkbar wäre. Diese Begründung offenbart ein fragwürdiges Menschenbild.