Düsseldorf. Der Ausbau der Radwege geht nur langsam voran. Darunter leidet auch die Sicherheit im Radverkehr, mahnen Kritiker.
Dr. Stephan Martin war irritiert, als er an der Volmerswerther Straße von einem Mitarbeiter des Ordnungs- und Servicedienstes (OSD) angesprochen wurde. Dieser habe ihn angehalten: Er würde „widerrechtlich auf dem Bürgersteig fahren“. Der Arzt und NRZ-Kolumnist Martin hingegen sagt, er benutze den vermeintlichen Radweg bereits seit über 25 Jahren ohne Probleme, auf dem Boden seien zumindest die Reste einer weißen Markierung zu erkennen gewesen – gute Gründe, von einem Fahrradweg auszugehen. Außerdem sei die Fahrbahn an der Stelle wegen intensiven „Schwerlast- und Busverkehrs“ für Radfahrer schlichtweg „lebensgefährlich“. Der OSD-Mann habe ihn unterrichtet, dass „durch eine Änderung der Straßenverkehrsordnung in 30er-Zonen geteilte Bürgersteige/Fahrradwege nicht mehr erlaubt seien“.
„Infrastruktur-Rückstau“ bei der Stadt
Das allerdings stimmt so nicht, wie Christian Rütz (CDU), Mitglied des Ordnungs und Verkehrsausschusses (OVA) erläutert. In Tempo-30-Zonen dürfte es nur keine „verpflichtenden“ Fahrradwege auf dem Bürgersteig geben. Unter bestimmten Umständen jedoch sei es erlaubt auf dem Bürgersteig zu fahren. So etwa bei einer entsprechenden Markierung. Ob die Reste der alten Markierung ausreichen würden, um ein Bußgeld zu umgehen, musste Martin glücklicherweise nicht testen. Der OSD-Mitarbeiter beließ es bei der Verwarnung. Dennoch sei er nun bewusster auf Düsseldorfs Radwegen unterwegs, sagt der Arzt. Seine Beobachtungen hat er in einem öffentlichen Brief an den OVA zusammengefasst.
Dort allerdings rennt er offene Türen ein. In seiner Funktion als Mitglied des OVA zählt Rütz noch weitere Beispiele auf, die auch der Verwaltung bekannt seien. Allerdings: „Auf entsprechende Hinweise reagiert sie vielfach nicht.“ So sei auch die „Aufhebung der baulichen Radwege Volmerswerther Straße eigeninitiativ durch die Stadtverwaltung erfolgt“. Er habe sich bereits fünf mal an das Verkehrsdezernat gewandt und keine Antwort erhalten. Gleichzeitig gibt Rütz zu bedenken, dass es einen erheblichen „Infrastruktur-Rückstau“ zu verzeichnen gebe, der erst einmal abgearbeitet werden müsse. Die Stadt wisse Bescheid und sei „bemüht, die Sicherheit für Radfahrer zu erhöhen“.
Lerke Tyra hingegen, Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs Düsseldorf (ADFC), verzeichnet einen „Stillstand“ bei den Bemühungen der Stadt. Zwar gäbe es „gute Vorsätze und ambitionierte Pläne“, doch „die Umsetzung verzögert sich“. Hinzu komme der schlechte Zustand bestehender Radwege. Diese seien „uneben, schlecht zu befahren, zu schmal, mit verblichenen Markierungen“. Auch der ADFC beklagt Probleme bei der Trennung von Fuß- und Radverkehr. Die geschehe „viel zu selten konsequent und gut erkennbar.“ Laut ADFC würden „die Verkehrsträger ungleich behandelt“. Maßstab sei weiterhin das Auto: „Solange die durch die Verkehrspolitik der letzten Jahrzehnte bedingten ‘Besitzstände’ des Kfz als unantastbar gelten, wird die Stadt keine Fortschritte in Sachen Verkehrswende verzeichnen können.“ Allerdings wurde in der letzten Sitzung des OVA grünes Licht für das 21,4 Millionen-Euro-Projekt „Nord-Süd-Radleitroute“ gegeben. Damit soll ein durchgängiger Radverkehr von Lohausen bis zum Südring ermöglicht werden. Beim Parallelprojekt der West-Ost-Leitroute könnte es durch einen Antrag der FDP-Fraktion allerdings zu einer Verzögerung kommen: Der Antrag sieht vor, die Route zugunsten des Kfz-Verkehrs zu verlegen, um so „das Risiko von Unfällen und Zusammenstößen zu reduzieren“. Neben den Großprojekten bleiben aber auch die vielen kleinen Fälle. Rütz habe bereits am 2. November letzten Jahres „mehrere hundert radverkehrsbezogene Falschbeschilderungen an die Verwaltung gemeldet“. Passiert sei „nahezu nichts“.
2023 bereits drei Radfahrer gestorben
Neben Rütz und Martin weiß auch Tyra von Radwegen zu berichten, die eher schaden als nutzen. Als Beispiele führt sie etwa „den Klassiker“ Schadowstraße, die Oberbilker Allee oder die Kreuzung Heerdter Lohweg/Willstädter Straße an. Ein allgemeines Problem seien ferner die „sogenannten ‘freien Rechtsabbieger’ für den Autoverkehr, die zu gefährlichen Situationen für Menschen mit Rad führen“. Dass es sich bei dem Anliegen, Fahrradwege sicherer zu gestalten, um keine Lappalie handelt, verdeutlicht ein Blick in die Statistik. 2022 kamen bei 1102 Unfällen im Stadtgebiet drei Fahrradfahrer ums Leben. Dieses Jahr waren es bis einschließlich Juli, wie ein Sprecher der Polizei erklärte, 633 Unfälle mit ebenfalls drei Toten. Für Aufsehen sorgte dabei der Fall eines Radfahrers aus Duisburg, der an einer Querung der Kalkumer Schlossallee von einem Auto erfasst und getötet wurde. Bereits 2021 hatte der ADFC diese Querung als „eine der gefährlichsten in Düsseldorf“ bezeichnet. Geschehen war bis zum Unfall nichts.
Damit sich das auf der Volmerswerther Straße nicht wiederholt, hat Martin seinen offenen Brief geschrieben. Darin heißt es, es sei „nur eine Frage der Zeit“, dass es auf der Volmerswerther Straße zu einem schweren Unfall komme. Genau das hatte der ADFC auch über die Querung an der Kalkumer Straße gesagt.