Düsseldorf. Düsseldorfs früherer SPD-Oberbürgermeister Thomas Geisel im Interview über Schwarz-Grün, die Oper und eine mögliche OB-Kandidatur im Jahr 2025.
Thomas Geisel trägt blaues Hemd zu leicht gebräunter Haut. Der Mann sieht gut aus, man möchte fast sagen, drahtiger denn je. Der 59-Jährige kommt gerade aus dem Urlaub, aus der Provence. Dort verbrachte er eine „richtig gute Zeit“, in einem kleinen Ort, 30 Kilometer vom Meer entfernt. „Ich mag es, wenn es ruhiger ist und ich ein bisschen mit dem Rennrad unterwegs sein kann“, sagt Geisel. Komplett ruhig angehen lassen kann es Düsseldorfs Ex-OB aber auch wieder nicht. Irgendwie juckt es ihm in den Fingern, hat man den Eindruck. Die Redaktion besuchte den SPD-Mann zuhause und redete mit ihm über die schwarz-grüne Stadtregierung, über die Oper und eine mögliche Kandidatur zum Oberbürgermeister im Jahr 2025.
Herr Geisel, Sie sind jetzt seit fast drei Jahren nicht mehr im Amt, beobachten aber nach wie vor das politische Geschehen in der Stadt – wie Sie selbst sagen, von der Seitenlinie aus. Wie beurteilen Sie von dort die Arbeit der schwarz-grünen Koalition?
Von dem, was man so mitbekommt, scheint es ja in der Opernfrage ziemlich geruckelt zu haben. Ich sehe mich jetzt nicht als denjenigen, der beurteilt, wie es im Innenleben dieser Koalition aussieht. Ich weiß aber, dass nicht alle in der CDU über diese Konstellation glücklich sind. Und bei einigen Grünen verhält es sich offensichtlich ähnlich. Wenn ich mir die Bilanz anschaue, was Schwarz und Grün bisher geleistet haben, dann fallen mir keine großen Highlights ein. Beim Thema Schulbau gibt es zum Glück Kontinuität mit dem, was in meiner Amtszeit passiert ist, wenn auch mit etwas reduziertem Tempo. Ähnlich ist es beim Ausbau der Radwege.
Das heißt, sie haben ausgesät, was Schwarz und Grün jetzt ernten. Mehr ist nicht passiert?
Na ja, ich finde erstaunlich, dass – nach meinen Eindruck – viele Ankündigungen und Versprechungen ihrer Erfüllung harren. Mein Nachfolger hat im Wahlkampf in seiner Kampagne das Thema Sicherheit und Sauberkeit in den Mittelpunkt gestellt. Niemand, der mit offenen Augen durch die Stadt geht, würde sagen, die Stadt sei heute sicherer, geschweige denn sauberer. Beim Thema Digitalisierung nehme ich nicht wahr, dass wir da große Fortschritte machen. Und beim Thema Verkehrswende – hier wurde ein staufreies Düsseldorf versprochen – tut sich auch nicht viel. Die Abschaffung der Umweltspuren war reine Symbolpolitik – jetzt fahren da, wo vorher Fahrräder, ÖPNV und Fahrgemeinschaften fahren durften, eben nur noch Fahrräder. Auch beim Thema Park and Ride kommt die Stadt nicht voran. Und die neuen Gebühren für den Anliegerparkausweis sind eine Abzocke, jedenfalls solange der Anlieger nicht davon ausgehen kann, wirklich einen Parkplatz zu bekommen.
Welche Note geben Sie in diesem Zusammenhang der Rats-Opposition, also vor allem Ihrer SPD?
In der Opposition zu punkten, ist erfahrungsgemäß kein einfaches Geschäft. Ich habe aber einen guten Eindruck insbesondere von der neuen Co-Vorsitzenden Sabrina Proschmann. Ich denke, die Opposition täte ganz gut daran, der schwarz-grünen Ratsmehrheit häufiger den Spiegel vorzuhalten. Und auch zu vergleichen: Was ist eigentlich in Düsseldorf passiert, als die Stadt von einem sozialdemokratischen Oberbürgermeister und einer von Sozialdemokraten angeführten Ampel-Kooperation regiert wurde? Ich denke, die Bilanz dieser sechs Jahre sieht deutlich besser aus, als das, was Schwarz-Grün in den letzten drei Jahren produziert hat.
Verhält sich die SPD in der Opernfrage richtig? Sie hat dem Neubau zugestimmt mit der Bedingung, OB Keller müsse mehr Wohnungen bauen lassen...
Zunächst einmal war es vernünftig von der SPD, eine Verbindung herzustellen. Also dass man sagt: Es kann nicht sein, dass die Stadt einen riesigen Betrag, den sie sich gegenwärtig eigentlich kaum leisten kann, für einen Leuchtturm der Hochkultur ausgibt, während drängende Fragen wie bezahlbarer Wohnraum vernachlässigt werden. Ich fand übrigens interessant, wie sich der aktuelle OB plötzlich im Handstreich an die Spitze der Bewegung für Wohnungsbau gestellt hat. Da stellt sich schon die Frage nach der Glaubwürdigkeit.
Sie halten einen Neubau der Oper für okay?
Düsseldorf ohne Oper ist schwer vorstellbar. Für mich kommt es weniger auf die Frage ‘Protzbau oder Zweckbau’ an, sondern eher darauf, dass noch einmal genau untersucht wird, welche Ausstattung die Oper eigentlich haben muss, und vor allem, wie wir die ständig steigenden Betriebskosten in den Griff bekommen. Durch den Verzicht auf eine Seitenbühne und die Ermöglichung kommerzieller „Mitnutzungen“ ließen sich die Baukosten für die Stadt deutlich senken. Und durch eine umfassende Kooperation mit benachbarten Opernstandorten könnten die Verwaltungskosten reduziert werden.
Sie sagten bereits in dieser Zeitung, dass wir ohnehin zu viele Opern in NRW haben. Sollte man die Kräfte besser bündeln?
Ja, 15 Spielstätten sind es, und zwölf Organisationen. Das macht die Sache ziemlich teuer! Wir sollten die nicht-künstlerischen Bereiche soweit wie möglich zusammenlegen, und vielleicht auch gemeinsam produzieren und die Stücke dann in den einzelnen Spielstätten der Opernkooperation aufführen. Da wird es natürlich Einwände und Bedenken geben, weil angeblich jede Bühne anders ist. Aber wenn man sich das Ziel setzt, ist es auch realisierbar. Da bin ich sicher.
Als Sie vor drei Jahren abtreten mussten, haben Sie den Eindruck eines Unvollendeten gemacht. Würden Sie 2025 noch einmal als OB kandidieren?
Also zunächst mal zum angeblich Unvollendeten: In meiner Amtszeit sind eine ganze Menge Projekte realisiert oder zumindest so auf den Weg gebracht worden, dass sie nicht mehr gestoppt werden können. Das betrifft den Bau von Schulen und Bädern oder die Sanierung von Kultureinrichtungen, aber auch etwa die Fußball-Europameisterschaft 2024 oder die Invictus Games, für die wir uns während meiner Amtszeit erfolgreich beworben haben. Aber natürlich fallen mir auch noch ganz viele Projekte ein, die der Stadt gut täten.
Welche wären das?
Die weitere Hafenentwicklung beispielsweise; das Thema interkommunale Zusammenarbeit beim Wohnungsbau und beim Verkehr; die Entwicklung neuer Stadtteile, etwa an der Bergischen Kaserne. Der Wettbewerb zum „blaugrünen Ring“ hat eine ganze Menge Impulse für die Stadtentwicklung geliefert, die mein Nachfolger ad acta gelegt hat. Mit der Verlängerung der Rheinuferpromenade ließe sich beispielsweise auch die Parkplatzproblematik an der Tonhalle oder das Taxi-Problem auf der Heinrich-Heine-Allee entschärfen. Dieses Projekt könnte man auch zum Anlass nehmen, endlich einen vernünftigen Radweg zur Arena zu bauen. Ich bin ohnehin enttäuscht, wie wenig an nachhaltigen Projekten im Zusammenhang mit der Euro 2024 realisiert wird. An der Arena selbst entsteht wesentlich weniger, als seinerzeit in Aussicht gestellt wurde: aus dem geplanten neuen Pressezentrum wird nichts, ein Fahrradparkhaus, von dem einmal die Rede war, kommt nicht und noch nicht einmal der gefährliche Kreisverkehr soll entschärft werden. Und ich bedaure auch, dass man die Euro 2024 nicht zum Anlass genommen hat, das Thema Breitensport noch mehr in den Mittelpunkt zu stellen, indem man Sportanlagen ausbaut und modernisiert. Natürlich macht die Stadt viele gute Aktionen im Rahmen der EM. Aber es wird am Ende zu wenig davon übrig bleiben. Noch nicht mal die U 81 wird rechtzeitig fertig.
Sie sind eben meiner Frage ein wenig ausgewichen. Also: Wollen Sie sich in zwei Jahren noch einmal als SPD-OB zur Verfügung stellen?
Na ja, wer mich als Oberbürgermeister erlebt hat, wird gemerkt haben, dass ich für diese Stadt brenne und dieses Amt mit Leidenschaft ausgeübt habe. Und, wie erwähnt, gibt es noch viele Projekte und Vorhaben, die nach meiner Überzeugung Düsseldorf gut täten. Ob eine Kandidatur mir und meiner Familie gut täte, habe ich noch nicht entschieden. Die sechs Jahre meiner Amtszeit haben schon Schleifspuren hinterlassen, die man bei solchen Entscheidungen nicht ausblenden sollte.
Heißt übersetzt: Sie müssten erst einmal Ihre Familie fragen?
Richtig, das wäre die Grundvoraussetzung. Und wenn Sie fragen: Wollen Sie sich aufstellen lassen? Dann gibt es ja noch diejenigen, die für die Kandidatenaufstellung zuständig sind. Die müssen das auch wollen.
Sie reden von den SPD-Funktionären. Haben Sie da schon vorgefühlt?
Nein, ich habe nicht vorgefühlt. Ich weiß aber, dass viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Düsseldorf – meines Erachtens zurecht – mit Stolz auf eine Zeit zurückblicken, in der sehr erfolgreich eine Kommunalpolitik mit erkennbar sozialdemokratischer Handschrift gemacht wurde. Tragende Pfeiler meiner Amtszeit waren zum einen große Investitionen in Schule und Bildung oder Investitionen in Einrichtungen der Daseinsvorsorge, gerade auch in den Stadtteilen. Ich darf etwa an das Bäderprogramm erinnern oder das Projekt Garath 2.0. Düsseldorf hat sich in diesen sechs Jahren zudem präsentiert als eine solidarische und sympathische Stadt, die gerade in Krisenzeiten zusammensteht. Denken Sie an den Sturm Ela ganz am Anfang meiner Amtszeit, an die „Flüchtlingskrise“ oder später an Corona.
Als Stephan Keller Sie beerbte, schaffte er als erstes die Umweltspuren ab. Was würden Sie als erstes tun, wenn Sie wieder im Amt des Oberbürgermeisters wären?
Anstatt mit irgendwelchen symbolischen Handlungen nach vorne zu preschen, würde ich mich zunächst einmal mit den Kolleginnen und Kollegen in der Verwaltung zusammensetzen, um die gemeinsame Agenda festzulegen, Vertrauen zu schaffen und einen Spirit des Zusammenhalts herzustellen. Ein Thema, das mir in diesem Zusammenhang ebenfalls sehr wichtig ist, ist die Erhaltung der Leistungsfähigkeit einer bürgerorientierten Verwaltung. Dies wird man mit Sicherheit nicht durch die Schaffung zusätzlicher Stellen hinbekommen. Wenn die Babyboomer-Generation in den kommenden Jahren in Ruhestand geht, wird die Verwaltung einen dramatischen Aderlass erleben, der durch Neueinstellungen mit Sicherheit nicht kompensiert werden kann. Deshalb müssen wir uns die Frage stellen: was muss und will die Verwaltung leisten, und welche strukturellen Veränderungen – was Aufgaben, Prozesse, aber auch etwa neue digitale Möglichkeiten angeht – müssen vorgenommen werden, um diese Aufgaben mit den verfügbaren Ressourcen erfüllen zu können. Die Probleme sind ja heute bereits offenkundig. Wer hin und wieder Umgang mit städtischen Behörden hat, kann ein Lied davon singen, wie schwierig es geworden ist, Termine zu bekommen.