Düsseldorf. Bundesweite Hausdurchsuchungen bei der „Letzten Generation“ stoßen auch auf Kritik. Düsseldorfer Aktivisten wollen weiter protestieren.

Gegen die Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“ (LG) gab es diese Woche eine bundesweite Razzia durch das Bayrische Landeskriminalamt. Gegen sieben Mitglieder laufen Ermittlungen wegen Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung. Die LG-Webseite wurde beschlagnahmt. Dort fand sich dann zwischenzeitlich schon ohne Gerichtsentscheidung der Hinweis, bei der „Letzten Generation“ handele es sich um eine kriminelle Vereinigung – und Spenden an die Gruppe könnten damit ebenfalls strafbar sein. Diese Hinweise nahm das Bayrische LKA später zurück.

Aktivisten bekamen breite Solidarität

In Düsseldorf, wie in ganz NRW, fanden keine Durchsuchungen statt. Während also keine der Düsseldorfer „Letzten Generation“ direkt betroffen waren, so fühlen sie sich doch „getroffen“, erklärt LG-Aktivistin Britany Winners. „Es war bundesweit ein Schock“, so die Studentin. „Es sind staatliche Repressionen, die unserer Meinung nach unverhältnismäßig sind.“ Sowohl Juristen, die sich in der „Letzten Generation“ engagieren, als auch Beobachter von außerhalb seien der Meinung, dass die Aktionen der Aktivisten sich im Rahmen des legitimen Protestes und zivilen Ungehorsams bewegen, sagt sie. „Wir gehen deswegen davon aus, dass das eine Taktik ist, um uns einzuschüchtern.“ Den Aktivisten nehme dies etwas das Vertrauen in den Rechtsstaat, sagt Winners. Grundsätzlich gelte: „Wir als Letzte Generation glauben an den Rechtsstaat. Und wir stehen hinter der Demokratie.“

Diese „Einschüchterungstaktik“ funktioniere durchaus, sagt die Umweltaktivistin. Doch: „Wir haben eine riesige Welle an Solidarität erfahren. Von Greenpeace, von Menschen aus Kirchengemeinden, von Menschen aus Parteien. Daraus schöpfen wir Kraft gerade.“ Und so „gestärkt“ wollen sie ihren Protest fortsetzen, erklärt Winners. Anlässlich der Razzia seien für kommende Woche bundesweit Demonstrationen geplant – auch in Düsseldorf solle eine stattfinden.

Mit Worten wie „Klima-RAF“ vorsichtig sein

In der Stadtpolitik gehen Meinungen zur Aktivistengruppe sowie zur Razzia auseinander. Wie man die Razzia bewerte, solle nicht damit zusammenhängen, was man von der „Letzten Generation“ hält, sagt Sabrina Proschmann, Sprecherin der Düsseldorfer SPD-Ratsfraktion. „Ich finde, Razzien sollten nur stattfinden, wenn sie rechtsstaatlich in Ordnung sind.“ Sie könne verstehen, dass die Aktionen nicht jedem „schmecken“, so Proschmann, auch ihr selbst missfielen sie zum Teil. „Aber ich habe Bedenken, dass wir hier eine Gruppe zu radikalen Tätern erklären, die es nicht sind.“ Besonders den zwischenzeitlich auf der beschlagnahmten Webseite platzierten Hinweis kritisiert die Sozialdemokratin: „Ich führe eine Razzia zum Zwecke von Ermittlungen durch, nicht, weil diese schon abgeschlossen sind.“ Die kurzzeitig veröffentlichte „Vorverurteilung“ gehe in einem Rechtsstaat nicht. Auch in der medialen Behandlung wünscht Proschmann sich Vorsicht, wenn etwa Worte wie „Klima-RAF“ behandelt werden – diesen Begriff hatte CSU-Politiker Alexander Dobrindt geprägt, der damit vor einer Radikalisierung der Klimaaktivisten warnte.

Auf diese Weise werde gesellschaftlich weitere Spaltung verursacht, so die Ratsfrau. In der Corona-Pandemie sei lange darüber debattiert worden, wie man Menschen erreiche, die unzufrieden waren, sich etwa trotz allem Risiko nicht impfen lassen wollten. „Es ist spannend zu sehen, bei wem solche Debatten geführt werden, und bei wem nicht“, so Proschmann.

Lehmhaus (FDP) kritisiert Blockade-Aktionen

FDP-Ratsfrau Monika Lehmhaus, stellvertretende Sprecherin ihrer Fraktion, sieht die Aktivistengruppe sehr kritisch: „Für mich ist das eine Gruppe, die das ganze Leben, auch anderer Menschen, ihren eigenen Prinzipien unterordnet. Da habe ich ein Problem mit.“ Die Protestformen der LG kritisiert sie für ihre „Brutalität“. Denn durch die Straßenblockaden legten sie den Verkehr lahm und schränkten auch das Leben von Bürgerinnen und Bürgern erheblich ein, wenn sie etwa zur Arbeit fahren oder Kinder aus dem Kindergarten abholen müssen. Und das, obwohl die Lage nach Corona und angesichts der aktuellen Inflation empfindlich sei. Dazu weist sie sie auf Aktionen hin, die die Gruppe bisher in Berlin durchführte: Dort wurden etwa die SPD- sowie die FDP-Zentrale beschmiert, außerdem ein Grundgesetz-Denkmal. „Das ist Sachbeschädigung“, sagt Lehmhaus. „Sie überschreiten damit Grenzen.“ Mit ihren Aktionen würden die Aktivisten auch der Klimabewegung schaden, so Lehmhaus.

Bezüglich der Razzia habe sie vertrauen in den Rechtsstaat: „Ohne Grund, ohne ernsten Verdacht, dürfen solche Razzien nicht passieren – dann gäbe es gar keinen Durchsuchungsbeschluss“. Mit der Bezeichnung der Gruppe als kriminelle Vereinigung auf der beschlagnahmten Webseite, ohne gerichtlichen Hintergrund, habe die Polizei einen Fehler gemacht, so Lehmhaus, allerdings diesen Fehler ja auch wieder zurückgenommen.

„Ich bin der Ansicht, dass der Zweck nicht immer die Mittel heiligt“, sagt Dagmar von Dahlen, stellvertretende Vorsitzende der CDU-Ratsfraktion, zur LG-Aktivistengruppe. Auch denke sie nicht, dass die „Letze Generation“ das Ziel des Klimaschutzes mit ihren Aktionen voranbringen. Über die Erfüllung eines Straftatbestands erlaube sie sich als Nicht-Juristin allerdings kein Urteil.

Linke äußert Sympathie für „Letzte Generation“

Grundsätzlich sympathisch stehe die Ratsfraktion der Linken der LG gegenüber, so Fraktionssprecherin Julia Marmulla. Bezüglich der Razzia schlagen „zwei Herzen“ in ihrer Brust, sagt sie: Einerseits müsse so ein Vorgehen des Rechtsstaates in Verdachtsfällen zur Ermittlung möglich sein. „Andererseits sagt mein Gefühl, dass das Vorgehen gerade übertrieben ist.“ Die Vorwürfe passten nicht zum Eindruck, den sie von den Aktivisten bekommen habe. Und eine Vorverurteilung wie im nun zurückgenommenen Webseiten-Hinweis dürfe es in einem Rechtsstaat nicht geben.

Auch Düsseldorfer Klimaaktivisten der Gruppe „Extinction Rebellion“ (XR) äußerten sich. „Das Vorgehen des Staates macht uns Angst. Wir erklären uns solidarisch mit der Letzten Generation.“ Die Durchsuchungen, die Vorverurteilung auf der Webseite sowie die Abschaltung von LG-Mailaccounts kritisieren sie. Dafür gebe es, so XR, nur eine Erklärung: „Die Letzte Generation macht darauf aufmerksam, dass die Politik nicht handelt, nicht einmal die einfachsten Maßnahmen ergreift, obwohl wir nur noch ganz kurze Zeit haben, den Klimakollaps abzuwenden.“ Durch die Razzia solle dieser „Klimaalarm“ wohl „diskreditiert und abgestellt“ werden, mutmaßen die Aktivisten.

Düsseldorfs Grünen-Sprecherin Sophie Karow wollte sich auf Anfrage unserer Redaktion nicht zum Thema äußern.