Düsseldorf. Die Linke wirft der Stadt vor, tatenlos zuzuschauen und fordert Hilfe vom Land. Zentrale Stelle der Antidiskriminierungsbeauftragten wieder frei
Auf Anfrage der Linken-Ratsfraktion soll die Stadtverwaltung in der Ratssitzung am Mittwoch Rede und Antwort stehen, wie weit man mit dem so genannten Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Antiziganismus und Rassismus sei. Laut der NRW-Kriminalstatistik gibt es in Düsseldorf einen Anstieg der politisch rechts motivierten Straftaten. Insgesamt 19 rechtsextreme Gewalttaten und 40 antisemitische Vergehen wurden 2022 registriert sowie weitere 231 Straftaten mit einem rechten Hintergrund. Damit bleibt laut der Linken Düsseldorf „ein Hotspot der rechten Gewalt in NRW“.
Im Februar 2020 hatte der Stadtrat einstimmig beschlossen, ein Konzept mit Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu erstellen. Zehn Monate später habe auf Anfrage der Linken die Stadtverwaltung offenbart, noch nicht mit der Arbeit begonnen zu haben. Im Juni 2021 listete der Stadtrat das Handlungskonzept dann als noch offene Aufgabe, weil die ausgeschriebene Stelle zur Antidiskriminierungsbeauftragten zunächst nicht besetzt werden konnte. Einen Monat später konnte die Stelle dann doch vergeben werden. Zu einer „Startschuss-Veranstaltung“ für die Erstellung eines Handlungskonzeptes habe die Stadt dennoch erst Anfang diesen Jahres geladen.
„Teilzeitstelle reicht nicht aus“
Die Linke kritisiert nun, dass seit dem Beschluss zur Ausarbeitung eines solchen Konzeptes noch nichts weiter passiert sei. „Es geht einfach nicht, dass sich rechte Gewalt in Düsseldorf ausbreitet und die Stadt tatenlos zuschaut“, ärgert sich Ratsfrau Julia Marmulla. „Die Linke verlangt nach drei Jahren Auskunft darüber, was aus dem Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus geworden ist.“
Zudem übt die Linke Kritik daran, dass die Stelle zur Antidiskriminierungsbeauftragen nur auf Teilzeit ausgeschrieben wurde. „Unsere Fraktion hatte bereits 2021 zwei Vollzeitstellen gefordert“, so Linken-Sprecher Christian Jäger. Denn: Eine halbe Stelle würde für die Aufgaben nicht ausreichen. „Die Antidiskriminierungsbeauftragte sollte vor allem die einzelnen Bezirksvertretungen, Vereine und Wohlfahrtsverbände an einen runden Tisch bringen, damit sie über konkrete Maßnahmen beraten.“
SPD sieht Handlungsbedarf
Da bisher von Seiten der Stadt nichts Wirkliches in der Sache passiert sei, fordert die Linke nun, dass „man das Konzept mit Hilfe des Landes erarbeiten soll“, so Jäger. Dazu solle sich die Stadt an die Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus und Rassismus in NRW (LKS) wenden, die Kommunen bei der Entwicklung und Umsetzung von Konzepten gegen Rechtsextremismus hilft. Wichtig ist Jäger vor allem eines: „Es müssen Akteure vernetzt werden, um in den Stadtteilen, wo eine Normalisierung von Rechtem stattfindet, entgegenzuwirken.“
Und auch Ratsmitglied Hakim El Ghazali (SPD) sieht dringenden Handlungsbedarf. „Besonders bei der Stelle der Antidiskriminierungsbeauftragten, die seit Anfang des Jahres wieder frei ist.“ Auch Ghazali betont, dass eine halbe Stelle zu wenig sei. „Ich würde empfehlen, eine ganze Stelle dafür zu veranschlagen.“ Zudem kritisiert der Sozialdemokrat, dass seit der Auftaktveranstaltung im Januar nichts mehr passiert sei. „Von der Stadt wurde angekündigt, dass acht bis zehn Wochen später eine weitere Veranstaltung stattfinden sollte. Die hat es aber bis heute nicht gegeben“, so Ghazali.
„Gesellschaft muss sensibilisiert werden“
Im Konzept müsse laut dem Sozialdemokrat vor allem Maßnahmen zur Sensibilisierung enthalten sein, „um die Problematik in der Stadtgesellschaft zu thematisieren“. Zudem müsse man neben den Wohlfahrtsverbänden und Vereinen neue Partner finden, die bisher nichts mit der Sache zu tun gehabt hätten. „Auch Jugend- und Freizeitstätten müssen mit einbezogen werden“, sagt Ghazali.
Laut Grünen-Fraktionschef Norbert Czerwinzki müsse vor allem die pädagogische Arbeit mit Schulklassen, wie sie bereits in Zusammenarbeit mit der Mahn- und Gedenkstätte durchgeführt wird, vorangetrieben werden. „Die Maßnahmen sollten mit der Zivilgesellschaft koordiniert werden. Zudem sollte geschaut werden, wie man die Gesellschaft stärken kann.“
Rolf Tups, Fraktionsvorsitzender der CDU, möchte „abwarten, was die Stadtverwaltung zu dem Thema zu sagen hat“, bevor er sich näher dazu äußert.
Klartext von Stephan Wappner: Erschreckend schlechter Witz
Ja, Düsseldorf verfügt über weitestgehend offene, tolerante Stadtgesellschaft. Aber auch bei uns wird in bestimmten, oft bildungsfernen Gesellschaftskreisen, aber eben auch nicht nur dort, rechtes Gedankengut immer hoffähiger. Wie gefährlich das ist, muss an dieser Stelle wohl nicht erwähnt werden.
Umso erschreckender ist es, wie stiefmütterlich die Stadt mit dem Thema umgeht. Was ist das für eine Haltung? Sollen sich die Probleme von allein lösen? Anstatt das Ordnungsamt als Kontrollinstanz immer weiter mit Personal aufzublähen (OB Kellers Wahlversprechen), sollte die Stadt Menschen einstellen, die ein Konzept gegen Alltagsrassismus und -diskriminierung auf die Beine stellen.
Das mit einer halben Stelle abtun zu wollen, ist ein (erschreckend) schlechter Witz.