Berlin/Düsseldorf. Vom Pflaumenaufleser zum Wasserstoffbeauftragten: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Rimkus hatte in der Hauptstadt nie mehr zu tun als gerade.

Andreas Rimkus beim Frühstück: Es gibt Rührei mit Speck, dazu Brötchen und einen Cappuccino. Er trägt Jackett Marke lässig, Acht-Tage-Bart und macht einen etwas übermüdeten Gesamteindruck. Es ist kurz vor 9 Uhr, und der Mann hat schon gut zwei Stunden gearbeitet. Zeit, kurz Luft zu holen in diesem herausgeputzten Restaurant, das sich im früheren Berliner Reichstagspräsidentenpalais befindet. Der SPD-Mann erklärt auch gleich, warum er sich mit uns in solch mondäner Umgebung verabredet hat: Er ist Mitglied in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft, eine überparteiliche Vereinigung von Abgeordneten des Bundestages. „Kostet 400 Euro pro Jahr, das lohnt sich aber“, verrät Rimkus. „Hier in diesem Gebäude kannst Du überparteilich Kontakte knüpfen, Räume für Empfänge mieten und durch den Jahresbeitrag eben auch günstig frühstücken.“ Ach so.

Seit zehn Jahren für die SPD im Deutschen Bundestag

Rimkus sitzt für die SPD seit zehn Jahren im Deutschen Bundestag in Berlin. Seit zehn Jahren pendelt er zwischen Düsseldorf und der Hauptstadt hin und her. Auch, wenn ihm die rheinische Mentalität lieber ist als das „streng Preußische“, mag er Berlin. Zeit, diese nie still zu stehende Stadt besser zu erkunden, hat er jedoch kaum. Zu viel zu tun. Rimkus wurde im März vergangenen Jahres von der SPD-Bundestagsfraktion zum Wasserstoffbeauftragten gewählt. Im 20. Deutschen Bundestag ist der 60-Jährige zudem ordentliches Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie.

Unterwegs von Duisburg bis nach Helgoland

Es ist viel passiert, was Auswirkungen auf seinen Arbeitsbereich hat: Krieg, Energiekrise, Inflation. „Die Fragen einer sozial gerechten, wirtschaftlich erfolgreichen und nachhaltigen Energiewende werden immer lauter“, sagt der Düsseldorfer, der sich stark für die Sektorkupplung – also für die Verbindung der „Energiesektoren“ Strom, Wärme und Verkehr – engagiert. Dafür besucht er Projekte und Initiativen in der ganzen Republik: vom Wasserstoff-Kompetenzzentrum in Herten über den Stahlerzeuger Thyssen-Krupp in Duisburg und den Flugzeughersteller Apus in Märkisch-Oderland bis hin zum Marine-Arsenal in Wilhelmshaven. Dazu gibt es Projekte auf Helgoland. Das sind nur einige Beispiele aus 2022 und dem ersten Halbjahr 2023. „Ich bin dafür gewählt worden, nach Antworten zu suchen und sie nach Möglichkeit auch zu finden.“ Dafür sei er in Berlin – und eben immer wieder auf Tour durch Deutschland.

Der Terminkalender hat keine weißen Stellen

Und als ob man ihm nicht glauben würde, fragt er seinen wissenschaftlichen Mitarbeiter Jonas Knorr, ob er mal den Rimkus-Terminplan für diese Woche zeigen könne. Der Referent tippt auf sein iPhone, während Rimkus am Cappuccino nippt. Auf dem Handy-Bildschirm öffnet sich ein Fenster. Hier, die bunten Felder seien Termine, Hintergrundgespräche, Sitzungen im Plenarsaal – die weißen bedeuteten Freizeit, erklärt Knorr. Man sieht: Die Woche des Sozialdemokraten war ein bisschen zu bunt, freie Stunden eher Fehlanzeige. Rimkus gehört ganz offensichtlich nicht zu denjenigen Leuten im Politikgeschäft, die sich einen schlanken Fuß machen. „Der Job hat sich seit Ausbruch des Krieges noch einmal stark verändert, die Aufgaben werden immer mehr“, sagt Rimkus, allerdings ohne Selbstmitleid aufkommen zu lassen: „Was sollen wir denn machen? Die Arbeit liegen lassen?“

Rimkus hat schon früh gelernt, mit anzupacken. Er erzählt von seiner Kindheit in Düsseldorf und von dem Pflaumenbaum, der zuhause im Garten stand. „Ich habe alle Pflaumen, die vom Baum gefallen sind, aufsammeln müssen. Meine Eltern haben daraus zig Gläser Gelee gemacht. Das fand ich nicht immer spaßig, aber so habe ich verstanden, dass alles an Ressourcen vorhanden ist – man muss nur wissen, wie man sie weiterverwertet.“

Preis für vorbildliches „Handeln zur Transformation von Wirtschaft“

Der gedankliche Sprung vom Pflaumenaufleser zum Wasserstoffbeauftragten ist gar nicht so groß. Rimkus ist überzeugt, dass die Energiewende „das größte und wichtigste Transformationsprojekt unserer Zeit ist“ und die so genannte Sektorkopplung -- also das Zusammenspiel von Erneuerbaren Energien und Wasserstoff – eine „zentrale Schlüsselrolle“ einnimmt. „Es ist alles da, wir müssen es jetzt nur sinnvoll einsetzen.“ Das Wirtschaftsforum der SPD – ein unabhängiger unternehmerischer Berufsverband – hat Rimkus jüngst für seinen Einsatz gewürdigt. Er wurde mit dem „WiForward 2023“ ausgezeichnet. Der Preis ehrt Persönlichkeiten, die mit ihrem Handeln zur Transformation von Wirtschaft beitragen.

Die Berlin-Adresse des Rheinländers liegt an der Turmstraße im Bezirk Alt-Moabit, die Wohnung nutzt Rimkus nur „zum in die Waagerechte zu gehen“, sagt er. Er nutzt den Shuttle-Service, Limousinen mit dem Kennzeichen B-FD, den Fahrdienst des Deutschen Bundes­tages. „Die Fahrerinnen und Fahrer sind Leute aus dem Volk, es tut oft sehr gut, sich mit denen zu erhalten“, meint Rimkus. „So erfährt man, dass wir oft alle die gleichen Sorgen haben. Das hilft stark dabei, auf dem Boden zu bleiben.“

Nach der Neuregelung fürs Wahlrecht könnte es eng werden

Rimkus ging in Düsseldorf auf die Realschule, machte eine Ausbildung zum Elektromeister, er war Mitarbeiter bei den Stadtwerken. Eine sehr sozialdemokratische Laufbahn. 1998 wurde er Mitglied der SPD, von 2011 bis 2021 war er in Düsseldorf ihr Vorsitzender. 2013 zog er erstmals in den Bundestag ein, bei der Wahl 2017 war er der bundesweit letzte Abgeordnete, der es nach Berlin schaffte. Vor zwei Jahren erlangte er mit 29,17 Prozent erstmals seit 2005 für die SPD das Direktmandat im Wahlkreis Düsseldorf-Süd.

Nun steht eine Wahlrechtsreform an, eine Neuregelung, die die Zahl der Bundestagsmandate verkleinern würde. Dann könnte es eng werden für den Mann aus der NRW-Landeshauptstadt. „Ich habe trotzdem für die Reform gestimmt“, sagt Rimkus und nippt noch einmal an seinem Cappuccino. „Ich kann anfassen, ich kann aber auch loslassen!“