Düsseldorf. Der Straßenkarneval in der Landeshauptstadt hat begonnen. Die Polizei spricht von einem vergleichsweise ruhigen Nachmittag.
Um halb 11 tönt am Donnerstag bereits Musik durch die Altstadt. Der Marktplatz ist da zwar schon gefüllt, aber noch eher licht als dicht. Das ändert sich an diesem Vormittag schnell: Als um 11 ein langhaariger „Hippie“ auf den Rathausbalkon tritt, um die Menge zu begrüßen, ist der Platz durch steten Zustrom über die Bolkerstraße proppenvoll. Unter der Perücke, der runden Sonnenbrille und den ulkigen 60-er Klamotten verbirgt sich niemand geringeres als Oberbürgermeister Stephan Keller, begleitet von Venetia Uåsa Maisch. In einem neckischen Zwiegespräch heizen sie den Möhnen vor dem Rathaussturm ein. Der Oberbürgermeister winkt schonmal mit dem riesigen Stadtschlüssel. Die Laune ist merklich blendend – auf dem Platz ebenso wie im Rathaus. Kellnerinnen und Kellner stellen im Jan-Wellem-Saal die datumsgemäße Altbierversorgung sicher, während sich Karnevalisten, Lokalpolitiker und Leute aus der Stadtverwaltung fröhlich begrüßen , umarmen und gemeinsame Fotos aufnehmen.
„Es ist wieder wie vor Corona“
Um kurz vor 11.11 Uhr rückt der Oberbürgermeister den Schlüssel raus. Venetia Uåsa jubelt – und stimmt den Countdown zum Rathaussturm an. Doch nicht nach allen Uhren scheint ihr dabei eine Punktlandung gelungen zu sein: „Elf Uhr Elf war schon!“ ruft jemand im Saal. Aber von Detailfragen lässt sich an diesem Altweiber niemand ablenken, als die Möhnen unter lauten Jubelrufen das Rathausgebäude stürmen.
Akustisch scheint es ab dann keinen Unterschied mehr zwischen dem Marktplatz und der Arena zu geben. Die Menge schunkelt ausgelassen. Unter den Feiernden im Rathaus ist auch SPD-Ratsfraktionssprecherin Marina Spillner. Auf ihrem dunkel-lilanen Mantel sind viele kleine schwarze Spinnen zusehen. „Ich bin als widerspenstige Hexe verkleidet, die das Rathaus verzaubert“, sagt sie. Sie freue sich sehr über die gute Stimmung. „Nach den Corona-Jahren und auch angesichts des Krieges, der mich sehr bedrückt, finde ich es schön, wenn man mal ausgelassen Karneval feiern kann“, so die Sozialdemokratin.
Düsseldorfs erster Bürgermeister Josef Hinkel (CDU) posiert für viele Fotos. In seinem knallgelben Frack sticht er selbst im bunt gefüllten Wellem-Saal heraus. „Gelb ist natürlich die Farbe meiner Bäckerei“, erklärt der Bäckermeister. Auf den Frack sei die Wahl gefallen, weil er als „Dirigent“ heute, als zweithöchster Stadtvertreter hinter OB Keller, die Emotionen dirigiere. Viel dirigieren muss Hinkel bis zum Mittag dabei kaum. „Es ist wieder wie vor Corona“, stellt er fest. Den Nachholbedarf der letzten Jahre merke man den Leuten an, so Hinkel – auch wenn die Rheinländer es ja an Karneval ohnehin besonders toll treiben, sagt er mit einem Augenzwinkern.
Im dichten Gedränge des Saals ist auch der inzwischen per Scherenschnitt um seine Krawattenspitze gebrachte Stephan Keller gefragt. Zwischen Fernsehinterviews und Umarmungen verteilt er Karnevalsorden. „Ich finde, die Stimmung ist super!“ sagt der Oberbürgermeister. Man merke, wie sehr die Düsseldorfer darauf gewartet haben, wieder Karneval zu feiern. Und, dass sie etwa nachzuholen hätten. So sei die Partylaune nicht nur wieder wie vor Corona, sondern sogar etwas besser, schließt Keller ab.
Die öden Karnevals-Bilder des vergangenen Jahres scheinen weit weg, wenn man an diesem Altweiber durch die Altstadt läuft. Von Ratinger Straße bis Burgplatz, Bolkerstraße bis zum Nähkörbchen auf der Hafenstraße steppt der Bär.
Altstadt-Glasverbot erfolgreich
Während die Polizei erst am Freitag ihre volle Altweiber-Bilanz zieht, ließ sich am frühen Abend schon vorsichtig Positives feststellen: Im Vergleich zu den Altweibe-Erfahrungen vor Corona sei die Lage eher ruhig gewesen, so ein Polizeisprecher. Bei der sich in den Abendstunden immer weiter füllenden Altstadt sei gleichzeitig von viel Arbeit für die Beamten am Donnerstagabend auszugehen. Bis zum späte Nachmittag waren insgesamt acht Menschen nach verschiedenen Vergehen in Gewahrsam genommen worden.
Das Ordnungsamt betonte in seiner Zwischenbilanz den Erfolg des an Karneval geltenden Glasverbots in der Altstadt. Innerhalb der Verbotszone waren bis 15 Uhr zwar 74 Verstöße dagegen zu verzeichnen, die meisten Altstadtbesucher waren aber trotz der längeren Karnevalspause gut informiert und führten keine Glasflaschen oder Gläser mit.
Auch die Feuerwehr zog am Donnerstag, 15 Uhr, Bilanz. Bis dahin hatten die Feuerwehrleute 206 Einsätze im Stadtgebiet aufgenommen. Davon entfielen 192 Notfalleinsätze und Krankentransporte auf den Rettungsdienst. Der Sanitätsdienst hatte bis 15 Uhr in den Unfallhilfsstellen 21 Karnevalisten versorgt, 11 davon mussten in Krankenhäuser gebracht werden. Im Vergleich zu den Zahlen von 2020 bedeutet das einen erfreulichen Rückgang. Herz-Kreislauf-Probleme und übermäßiger Alkoholkonsum waren die häufigsten Ursachen.