Düsseldorf. Der verheerende Unfall vom Düsseldorf Weihnachtsmarkt, ausgelöst durch einen 84-jährigen Autofahrer, hat eine heftige Debatte entfacht.
Die Debatte war abzusehen. Nachdem am vorvergangenen Dienstag ein Mann auf dem Weihnachtsmarkt in eine Menschenmenge gefahren war, wurde – vor allem in den sozialen Medien – heftig über eine Altersbeschränkung für Autofahrer diskutiert. Der Unfallfahrer war 84. Er hatte auf der Kö mit seinem Mercedes SUV zunächst eine rote Ampel übersehen und war danach mit einem von rechts kommenden Wagen zusammengekracht. Dennoch hatte er laut Zeugen weiter Gas gegeben. Bei dem Crash wurden vier Menschen verletzt, zwei Fußgänger schwebten zwischenzeitlich in Lebensgefahr. Hatte der Senior Gas und Bremse verwechselt? Die Polizei lässt den Wagen gerade von Experten checken.
Meldung ans Straßenverkehrsamt
Unfälle, an denen Seniorinnen und Senioren beteiligt sind, machen in Düsseldorf laut Verkehrsstatistik der Polizei einen vergleichsweise kleinen Anteil aus. Von insgesamt 23.196 Unfällen im Jahr 2021 wurden 1063 registriert, an denen Ältere beteiligt waren. Bei 820 dieser Crashs waren sie allerdings auch die Verursacher. Sollte es regelmäßige Fahrtauglichkeitsprüfungen geben? „Wenn ein Autofahrer mit seinem Fahrzeug eine Ordnungswidrigkeit begeht und wir vermuten, dass dies vielleicht an mangelnder Fahrtauglichkeit lag, dann schreiben wir einen Bericht an das Straßenverkehrsamt“, erklärt Polizeisprecherin Anja Kynast. „Die Behörde lädt dann denjenigen vor.“ Heißt: Die Fahrtauglichkeit der Älteren wird also bislang nur dann auf den Prüfstand gestellt, wenn sie sich im Verkehr etwas zu Schulden kommen lassen.
Der Rest beruht auf Freiwilligkeit. Die Verkehrswacht versucht niederschwellig an ältere Mitbürger heranzukommen. Das Projekt „Fit und sicher am Steuer“ bietet Seniorinnen und Senioren die Möglichkeit, die Fertigkeiten am Lenkrad überprüfen zu lassen. „Und zwar, ohne dass die Leute befürchten müssen, den Führerschein zu verlieren“, betont Simon Höhner, Geschäftsführer der Düsseldorfer Verkehrswacht. Ziel des Programms sei auch, dass die Teilnehmer ihr Wissen auffrischen. „Wir haben zum Teil Leute dabei, die seit 60 Jahren ihren Führerschein haben“, so Höhner. „Da kann es nicht schaden, wenn man sich mal ein Update holt.“ Das Programm wird zusammen mit den Seniorenvertretungen und einigen örtlichen Fahrschulen durchgeführt. Höhner: „In diesem Jahr konnten wir mehrere Dutzend Menschen an die Fahrschulen vermitteln. Ich gehe davon aus, dass es in 2023 noch einmal deutlich mehr werden, weil dann auch Corona nicht mehr die große Rolle spielt.“
Projekt der Verkehrswacht
Elmar Lücke, Inhaber der Fahrschule Maas an der Herderstraße, ist so ein Kooperationspartner der Verkehrswacht – und ein echter Experte, was das Fahrtraining für Senioren angeht. „Wir reden von einem sensiblen Thema, weil die Leute tatsächlich Angst haben, ihren Führerschein zu verlieren. Manche nennen am Telefon da noch nicht einmal ihren Namen“, sagt Lücke. Dabei könne er ohnehin nur eine Empfehlung aussprechen, Zwang wäre da kontraproduktiv. „Die allermeisten Herrschaften kommen freiwillig und sind einsichtig, Beratungsresistente sind die absolute Ausnahme.“
Das hat auch Ulrike Schneider beobachtet, Vorsitzende des Düsseldorfer Seniorenrats. „In der Regel merkt es jede Autofahrerin oder Autofahrer selbst, wenn gewisse Fähigkeiten nachlassen oder sie werden von Familienmitgliedern darauf hingewiesen“, so Schneider, die das Thema auch schon häufiger im Seniorenrat besprochen hat. Viele ältere Leute würden zudem immer dieselbe, kurze Strecke fahren, „die kurven jetzt nicht groß in der Weltgeschichte herum, sondern fahren nur zum Einkaufen“. Sie selbst wohne im Stadtteil Kalkum, sehr ländlich, der ÖPNV sei dort noch nicht so gut ausgebaut und man sei aufs Auto angewiesen.
Führerschein des 84-Jährigen ist noch nicht eingezogen
Wobei: Der Straßenverkehr von heute unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von dem von vor 30 oder noch mehr Jahren. Deswegen täte jedem eine Auffrischung gut, sagt Simon Höhner von der Düsseldorfer Verkehrswacht. „Das gilt übrigens nicht nur für unseren älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger. Wir hatten ja jüngst die Novelle der Straßenverkehrsordnung. Ich bin sicher, dass auch viele jüngere Leute nicht auf dem neuesten Stand sind.“
Im Falle des 84-Jährigen scheint wohl menschliches Versagen Ursache für den verheerenden Crash auf der Kö gewesen zu sein. Es deutet zumindest vieles darauf hin. „Die Untersuchung sind zwar noch nicht abgeschlossen“, betont Polizeisprecherin Kynast. „Aber zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir davon aus, dass es sich um keinen technischen Defekt handelte.“ In dem Fall würde gegen Fahrer wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ermittelt. Der Führerschein des 84-Jährigen ist aber noch nicht eingezogen.