Düsseldorf. Anpacken statt Jammern: Die Düsseldorfer Bäcker warten nicht allein auf Hilfe von außen. Sie versuchen kreativ ihre Situation zu verbessern.
Krisen auch als Herausforderung zu sehen, ist nicht allen Menschen gegeben. Der Düsseldorfer Biobäcker Johannes Dackweiler spricht sogar von neuen Chancen, die sich ergeben, wenn man die richtigen Konsequenzen zieht. Ähnlich sieht es Bäcker- und Bürgermeister Josef Hinkel, der sich von der Energie- und Rohstoffkrise ebenso wenig unterkriegen lassen möchte wie von den gestiegenen Personalkosten. Hinkel hat im Einvernehmen mit Ehefrau und Tochter, Letztere wächst nach und nach in die Führung des Unternehmens hinein, einen neuen Haustarif für die Angestellten aufgesetzt. Indirekt hatte auch die Erhöhung der Mindestlöhne dabei eine Rolle gespielt. „Wir sind inzwischen bei einem Lohnkostenanteil von rund 50 Prozent“, erklärt der Bäcker, der allerdings auch beispielhaft auf die gestiegenen Zucker-, Weizen- und Papierpreise hinweist. „Wir geben diese Preissteigerungen auch an die Kunden weiter, weil wir versuchen müssen, nicht in die roten Zahlen zu rutschen.“ Hinkel rechnet nach drei sanften Preisanpassungen seiner Produkte eine Verteuerung 10 bis 15 Prozent vor. Zu seinem Glück halten die Kunden der Bäckerei die Treue. Immer noch sei das Brot das stärkste Grundnahrungsmittel. Ein Brot von einem Kilo gibt es weiterhin für unter 5 Euro und macht mehrere Menschen satt.
Hinkel: Eine vergleichbare Krisensituation habe ich noch nicht erlebt
Die Hinkel-Öfen werden mit Gas betrieben und noch läuft dafür ein längerfristiger Vertrag, der allerdings beim Ausruf der dritten Warnstufe einseitig kündbar sei. „Dann haben wir ein noch größeres Problem“, sagt Hinkel. Energiepreise mit einem Faktor 10 gegenüber der vorherigen Situation werden mehr als eine Herausforderung, obwohl die Sparmaßnahmen ebenso durchdacht seien wie auch die Überprüfung des Sortimentes.
„Das ist auf jeden Fall die größte Krise in meiner Karriere, weil so viel zusammenkommt“, sagt Hinkel, der aber auch an die Menschen denkt, die es ganz heftig trifft.
Mehrpreis für aufwendige Ware
Die derzeitige Situation und die vielfachen Probleme sind nicht ungefährlich, sagt Johannes Dackweiler. „Als Biobäcker habe ich ein relativ spezielles Sortiment, was die Kunden wertschätzen.“ Die klassischen Bäcker seien hingegen schon dicht am Limit. Der Obermeister der Gesamtinnung Rhein-Ruhr und Besitzer der Hercules Bäckerei auf der Ulmenstraße muss sich natürlich auch mit gestiegenen Personal- und Rohstoffkosten auseinandersetzen. Allerdings kauft er den Roggen für die Sauerteigbrote, die nicht viele Zutaten benötigen, regional von „seinem Bauern“ ein. „Da ist das Ganze noch überschaubar“, sagt er. Aber im Falle von Mandel- oder Walnussbroten sieht das schon anders aus. Da müsse man nun mehr kalkulieren, und Menschen, die das gerne essen, greifen dafür dann eben tiefer in die Tasche. Andere energieaufwendige Produkte stehen auf dem Prüfstand. Auf Saisonaktionen wie jüngst das Kartoffelbrot mit Röstzwiebeln oder das Kürbisbrot ab diesem Wochenende soll nicht verzichtet werden. „Der Spaß am Schmecken soll nicht zu kurz kommen“, sagt Dackweiler.
Die Löhne wurden im Sinne einer guten Betriebskultur angepasst
Das soziale Engagement muss die Bäckerei Hercules nicht einschränken. „Da bleiben wir auf jeden Fall treu. Wir produzieren aber dafür nicht extra, sondern geben das, was nicht verkauft und weiter verarbeitet werden kann, gerne ab.“
Die Löhne hat Dackweiler angepasst, auch weil er im engen Austausch mit seinen Mitarbeitern ist. „Wenn es dem Betrieb gut gehen soll, muss es auch den Angestellten gut gehen“, sagt der Biobäcker, der versucht der Jammerkultur im Land entgegenzuwirken. Er will die Chancen dieser Krise nutzen und hat es geschafft, bereits 20 Prozent an Stromkosten einzusparen.
Unterstützung durch die Kunden
Jan Patrick Behmer, ebenfalls Obermeister der Innung macht deutlich, wie wichtig die Beratung zum Beispiel über Einsparmöglichkeiten ist. Andererseits versucht die Innung auch die lauten Stimmen, die die Probleme schildern, zu bündeln, um sie über den Bundesverband auch an die Politik heranzutragen. „So schaut sich der Verband gerade die Beschlusslage zu den Gaspreisen an, um zu sehen, ob dies für unsere Bäckereibetriebe eine Hilfe darstellen wird“, erklärt Behmer. Neben der Rohstoff- und Energiekrise weist der Düsseldorfer Bäcker auch auf die Personalprobleme hin, die sich durch die Steigerung des Bürgergeldes und des Mindestlohnes um 22 Prozent ergeben. „Die Krise wird uns wohl zwei Jahre beschäftigen, aber wenn unsere Kunden mitmachen, werden wir sie überstehen“, sagt Behmer, der weiß, dass die Betriebe an vielen Fronten kämpfen müssen und über die Öffnungszeiten, das Sortiment, die Kühlungen und die Beleuchtung der Geschäfte nachdenken sollten.
Der Eierpreis hat sich im September dreimal erhöht
Für Thomas Puppe ist es wichtig, den Blick nach vorne zu richten. „Das sollten wir für unsere Kunden genauso wie für unsere Mitarbeiter tun“, sagt der Bäcker, der über 400.000 Euro Mehrkosten nur beim Strom hinnehmen muss und mit einer neuen PV-Anlage nur etwas mehr als fünf Prozent abdecken kann. „Dass sich im Verlauf des Septembers der Eierpreis dreimal erhöht hat, ist markant.“ Aber das Klagen müsse aufhören, und „wir müssen die Flucht nach vorne antreten“, sagt Puppe. „Dann werden wir einfach nachmittags mal einen Laden schließen, wenn es die Personalsituation erfordert oder statt vier Herdstellen nur zwei nutzen und noch den Ofenbelegungsplan überdenken.“ Puppe will anpacken und vorangehen, Initiative ergreifen. Er plane zum Beispiel, den Preis für ein Brot aus dem Sortiment dauerhaft um 20 Prozent zu senken.