Düsseldorf.

Es war ein langer Wahlabend – am Tag danach beginnen für Stephan Keller die Vorbereitungen für das Oberbürgermeister-Amt: Am 1. November startet seine Amtszeit. Mit unserer Redaktion spricht er über seine Pläne.

Herr Keller, war es eine Wahl von Stephan Keller oder doch eher eine Abwahl von Thomas Geisel?

Stephan Keller: Ich glaube, es ist immer eine Mischung. Wir haben eine Wechselstimmung gespürt. Das zeigt, dass die Menschen eine gewisse Unzufriedenheit hatten. Aber ich glaube auch, wir haben die richtigen Themen aufgegriffen.

An was denken Sie?

An die Verkehrspolitik zum Beispiel. Die Umweltspur war ein großes Thema im Wahlkampf. Aber auch Sicherheit und Sauberkeit haben eine Rolle gespielt. Und immer wieder haben die Menschen den Wunsch geäußert, dass die Stadt anders geführt und repräsentiert wird.

Erstes Interview nach der gewonnenen Oberbürgermeister-Wahl: Stephan Keller.
Erstes Interview nach der gewonnenen Oberbürgermeister-Wahl: Stephan Keller. © Andreas Bretz

Sie haben Geisel nicht nur als Gegenkandidaten kennengelernt, sondern auch als Chef, denn Sie waren bis 2016 Verkehrsdezernent im Rathaus. Was wollen Sie anders machen?

Wir haben durchaus partnerschaftlich zusammengearbeitet. Ich habe es auch als sehr fair empfunden, dass Thomas Geisel der erste war, der mir gratuliert hat. Das fand ich wirklich eine große Geste. Ich glaube, dass wir genauso partnerschaftlich jetzt den Übergang gestalten werden.

Was wollen Sie anders machen?

Ich möchte gemeinschaftlich führen. Ich finde, dass man die Stadtverwaltung enger mitnehmen muss, aber auch die Stadtgesellschaft. Ich habe immer wieder betont, wie viele positive Kräfte in dieser Stadt stecken. Wir haben herausragende Vertreter bestimmter Berufe, wir haben ein unglaubliches bürgerschaftliches Engagement. Das möchte ich gerne bündeln. Ich möchte eine Integrationsfigur sein. Ich bilde mir nicht ein, auf alles immer gleich die Antwort parat zu haben, aber ich glaube, ich habe ein gewisses Talent dafür, die richtigen Leute zusammenzubringen.

Sie kennen ja noch eine zweite Verwaltung gut. Sie waren bislang Stadtdirektor in Köln. Haben Sie etwas von der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker gelernt?

Auch sie hat diesen Anspruch, sehr gemeinschaftlich zu führen und die Bürger intensiv einzubinden. Das muss man gut managen, damit man das Ziel nicht aus den Augen verliert. Aber davon kann man durchaus etwas lernen, wie überhaupt die dreieinhalb Jahre in Köln eine tolle Zeit waren.

Was werden die ersten Schritte sein?

Es liegt auf der Hand, dass wir die Themen sofort anpacken, die wir im Wahlkampf genannt haben. Dazu gehört die Verkehrspolitik. Die Umweltspuren haben jetzt ein Verfallsdatum im Dezember, das hat der Verkehrsausschuss beschlossen. Wir werden die Schritte einleiten, um zu besseren Konzepten zu kommen. Wir müssen etwa Tempo beim Bau von Radwegen machen. Wir müssen auch sofort beginnen, den Ordnungs- und Servicedienst zu stärken. Ich werde auch den Weg zu den Mitarbeitern suchen. Ich weiß, dass in den nächsten fünf Jahren vieles darauf ankommt, dass wir gut zusammenarbeiten.

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Für die Abschaffung der Umweltspuren brauchen Sie eine Mehrheit im Stadtrat. Die ist nicht selbstverständlich, die Grünen haben die Spuren ja zum Beispiel mit beschlossen. Sind Sie zu weit nach vorne geprescht?

Es ist selbstverständlich, dass wir eine Mehrheit brauchen. Wir wissen aber, dass die Grünen vor allem mit der großen Umweltspur nie richtig zufrieden gewesen sind. Es gibt eigentlich niemanden, der damit zufrieden ist. Es wird gelingen, eine Mehrheit zu finden. Es muss ja auch der Wählerwille zählen: Dieses Thema hat eine große Rolle im Wahlkampf gespielt, mit dem bekannten Ergebnis.

Ist Schwarz-Grün Ihr favorisiertes Bündnis für den Rat?

Die CDU ist die stärkste Kraft geworden. Ich bin darüber hinaus am Sonntag mit einem durchaus deutlichen Ergebnis zum Oberbürgermeister gewählt worden. Daraus kann man ganz klar ablesen, dass die Mehrheit der Düsseldorfer eine tragende Rolle der CDU will. Wir werden diesem Führungsanspruch gerecht werden und mit allen Parteien reden, mit denen eine Mehrheit möglich ist. Das sind die Grünen, die auch gewonnen haben. Auch das muss man zur Kenntnis nehmen: Die Wähler wünschen sich eine starke Rolle der Grünen. Aber rechnerisch würde es auch mit der SPD gehen. Ich möchte mit der FDP ebenfalls reden, auch wenn es nicht für ein Zweierbündnis reicht. Das ist die Partei, mit der die CDU 15 Jahre lang gut regiert hat. Dann werden wir sehen, in welcher Konstellation wir unsere Themen am besten umsetzen können. Ich habe den Wunsch, dass das schnell passiert.

Sie sind nur bis 1. Oktober in Köln beurlaubt, Ihre Amtszeit als Oberbürgermeister beginnt am 1. November. Wie machen Sie das denn jetzt praktisch?

Ich stehe formal bis zum 31. Oktober in den Diensten der Stadt Köln. So lange läuft auch die Amtszeit von Thomas Geisel. Davor habe ich großen Respekt. Ich werde ihm nicht in irgendeiner Form hineinregieren.

Die Coronakrise wird eine wichtige Herausforderung. Geisel vertrat die Position, dass man innerhalb der Schutzmaßnahmen möglichst viel Freiraum schaffen muss. Stehen Sie für einen anderen Ansatz?

Ich bin zunächst mal ganz froh, dass ich in Köln den Krisenstab geleitet habe und deshalb weiß, was zu tun ist. Wir haben in Düsseldorf hervorragende Leute in der Verwaltung. Es kann sein, dass ich mich in der Kommunikation unterscheiden werde. Aber Düsseldorf ist wie auch Köln bislang gut durch die Krise gekommen. Daher bin ich zuversichtlich, dass auch die Vorkehrungen getroffen worden sind, um auf einen möglichen Wiederanstieg der Infektionszahl zu reagieren.

Muss die Stadt mehr tun, um ihre Akteure durch die Krise zu bringen?

Ich habe im Frühjahr gefordert, dass die Stadt mehr für die Gastronomie tun muss. Wir müssen die Situation neu bewerten, wir sind ein halbes Jahr weiter. Grundsätzlich wollen wir das tun, was wir können, um der Wirtschaft zu helfen. Wir müssen den Standort sichern. Und wir müssen darauf achten, dass keine Schäden durch Insolvenzwellen in der Gastronomie und dem Einzelhandel entstehen.

Die Stadtfinanzen sind durch Corona in einer dramatischen Lage. Wie werden die Bürger das spüren?

Ich werde mich in den nächsten Wochen über die Haushaltslage informieren. Wir wissen noch nicht, welcher Teil der Steuerausfälle durch Bund und Land kompensiert wird. Ich habe aber immer gesagt, dass wir die Zukunftsinvestitionen nicht vernachlässigen dürfen, etwa in Bildungs- und Verkehrsinfrastruktur. Dabei geht es auch um den positiven Impuls für die Wirtschaft. Wir können nicht Hilfsgelder entgegennehmen und dann der Wirtschaft öffentliche Aufträge entziehen.

Aber in der Stadtkasse herrscht Ebbe. Wird unter dem Oberbürgermeister Keller die Schuldenfreiheit endgültig beseitigt?

Die Schuldenfreiheit ist doch schon länger nicht mehr gegeben und durch Corona ohnehin nicht zu halten. Wir haben jetzt besondere Zeiten, die besondere Maßnahmen erfordern. Wichtig ist aber, dass wir nicht jede Solidität fahren lassen. Die seriöse Haushaltswirtschaft war immer ein Markenzeichen Düsseldorfer Politik. Das wird auch mit mir so bleiben. Wir müssen einen klaren Pfad definieren, wann und wie wir auf den Weg der Schuldenfreiheit zurückkommen. Für den genauen Zeitplan fehlt mir noch der Einblick in die Haushaltslage.

Sie wohnen in Wersten. Fahren Sie mit dem Rad oder mit dem Auto ins Rathaus?

Ich bin die sechs Jahre als Verkehrsdezernent mit dem Rad angereist. Das war ein Stück Lebensqualität. Das hat mir wirklich gut getan. Ich beabsichtige, das auch jetzt wieder möglichst oft zu tun. Ich werde aber natürlich auch den Dienstwagen nutzen.

Thomas Geisel hat sich einen Diesel-Van ausgesucht. Und Sie?

Das ist eine Frage, über die ich mir ehrlich gesagt noch wenig Gedanken gemacht habe. Ich glaube, ein Diesel ist für einen Dienstwagen, der hauptsächlich in der Stadt unterwegs ist, nicht der richtige Antrieb. Ich würde in Richtung Elektro oder Wasserstoff gehen.

Was sollen die Leute 2025 über Stephan Keller sagen?

Ich wünsche mir, dass sie sagen, dass ich meine Versprechen eingehalten habe. Dass ich sage, was ich tue und dann tue, was ich sage. Die Menschen sollen das Gefühl haben, dass ich ihre Probleme angepackt habe. Und sie sollen sagen, dass ich diese Stadt besser gemacht habe und Düsseldorf ein noch lebenswerterer Ort ist als heute.