Düsseldorf. Düsseldorf: Nach dem umstrittenen Polizeieinsatz hat die Polizei Duisburg die Ermittlungen beendet. Nun befasst sich die Staatsanwaltschaft.

Bei der Aufarbeitung des umstrittenen Polizeieinsatzes in Düsseldorf, der weit über die Grenzen der Stadt für Aufsehen gesorgt hat, ist der erste Schritt gemacht. Wie die Polizei Duisburg auf Nachfrage dieser Redaktion erklärt, seien die Ermittlungen abgeschlossen und an die Staatsanwaltschaft Düsseldorf übergeben worden. Das Twitter-Video, auf dem ein Düsseldorfer Polizist bei einem Altstadteinsatz sein Knie auf den Kopf eines Mannes drückt, war Mitte August großes Gesprächsthema und im Netz hundertfach verbreitet worden. Der Vorfall ging damals bis ins Innenministerium. „Auch ich habe mich erschrocken“, sagte Innenminister Reul.

Aus Neutralitätsgründen war der Düsseldorfer Polizeieinsatz von der Polizei Duisburg untersucht worden. Gegen den Düsseldorfer Polizeibeamten war wegen des Anfangsverdachts der Körperverletzung im Amt ermittelt worden. Gegen den 15-Jährigen laufen Ermittlungen wegen Beleidigung, tätlichen Angriffs und Widerstands gegen die Staatsgewalt.

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Das Video verbreitete sich rasend schnell in den sozialen Medien.
Von Katharina Gilles, Dagobert Ernst und Tobias Blasius

Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel nannte die Bilder, die sich seit Mitte August rasend schnell in den sozialen Netzwerken verbreiteten, „verstörend“. Er wolle ja niemanden vorverurteilen, aber die Bilder haben ihn sehr, sehr erschreckt. Der Rathauschef fordert von der Polizei nun „sofortige Aufklärung des Sachverhaltes“.

Auch der grüne OB-Kandidat, Stefan Engstfeld, zeigte sich nach dem Vorfall entsetzt. „Schockierende Bilder aus Düsseldorf“, postete Engstfeld in den sozialen Medien. Er fragt: „Was soll rechtfertigen, einen am Boden liegenden, fixierten Menschen das Knie in den Hals zu drücken?“

Anwalt: Gefährliche Situation für die Beamten

Der Anwalt eines Polizisten, gegen den nach dem umstrittenen Einsatz in Düsseldorf ermittelt wird, hatte das Vorgehen derweil verteidigt: „Der Einsatz ist genauso abgelaufen, wie man das trainiert“, sagte Rechtsanwalt Christoph Arnold der Deutschen Presse-Agentur: „Das war ein vorbildlicher Ablauf.“

Wie Arnold ausführte, hatte der 15-Jährige am Boden noch einen Arm frei unter dem Körper. Das sei eine gefährliche Situation für die Beamten, da er sich hochstemmen könnte oder zum Beispiel auch eine Waffe hervor holen könnte. Daher habe sein Mandant ihn mit dem Schienbein am Kopf auf dem Boden fixiert. „Das wird so gelehrt“, sagte Arnold. Auf den Hals würde ein Beamter niemals drücken. Der „Kölner Stadt-Anteiger“ hatte Arnold zuvor zitiert.

Grüner OB-Kandidat: Schockierende Bilder

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Auch die Linkspartei hatte sich gemeldet. „Auf dem Genick eines Menschen zu knien, ist lebensgefährlich“, so Sprecherin Anja Vorspel. „Jeder Polizeibeamte muss mitbekommen haben, dass in den USA ein Mensch mit dem Namen George Floyd an einer ähnlichen Polizeihandlung gestorben ist. Die beteiligten Beamten müssen sich deshalb nach dem Dienstrecht und dem Strafrecht verantworten.“

Im Fall aus der Altstadt seien nun die Vorgesetzten verantwortlich. „Der Düsseldorfer Polizeipräsident Wesseler muss jetzt umgehend die Anwendung dieser menschenverachtenden Methode abstellen“, so Vorspel weiter.

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Die Freien Wähler sind vorsichtig. „Zum aktuellen Vorfall sind uns die Zahlen, Daten, Fakten nicht bekannt. Deshalb gilt für uns solange die Unschuldsvermutung“, meint Spitzenkandidat Torsten Lemmer.

Kriminologe fordert unabhängige Aufklärung

Der Bochumer Kriminologe Prof. Tobias Singelnstein fordert eine Aufklärung durch neutrale Stellen - nicht durch Staatsanwaltschaft und Polizei selbst. „Je mehr Unabhängigkeit desto besser in solchen Fällen“, sagte Singelnstein der Deutschen Presse-Agentur. Das spreche gegen die bisher übliche Aufarbeitung durch Polizisten einer anderen Dienststelle: „Es ist unmittelbar nachvollziehbar, dass es menschlich eine problematische Situation ist, wenn man dann Kollegen als Beschuldigte hat, für die man beruflich ein besonderes Verständnis aufbringt. Die Polizei hat eine starke Binnenkultur.“

In mehreren anderen Ländern - zum Beispiel Großbritannien - sei die Aufklärung solcher Fälle wegen der besonderen Problematik an differenziert besetzte externe Gremien mit Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen gegeben worden.

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In Deutschland sei die Anzeigebereitschaft der Bürger bei möglichen Fällen von rechtswidriger Polizeigewalt sehr gering, sagte der Forscher, der zu diesem Thema 2019 eine Studie vorgelegt hatte. Weniger als ein Zehntel der Bürger, die sich ungerecht behandelt gefühlt hatten, hätten nach den Ergebnissen der Studie auch eine Anzeige erstattet.„Hauptmotiv war, dass die Betroffenen den Eindruck haben, sie haben da keine Chance, sie kommen gegen die Polizei nicht an.“

Die Polizei darf Maßnahmen mit Gewalt umsetzen

Aus rechtsstaatlicher und polizeilicher Sicht sei ein solcher Eindruck hoch problematisch, sagte Singelnstein. Für die im September 2019 als Zwischenbericht vorgestellte Studie hatten Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum knapp 3400 mutmaßliche Opfer von rechtswidriger polizeilicher Gewaltausübung befragt.

Die deutsche Polizei sei befugt, Maßnahmen mit Gewalt umzusetzen, betonte der Jurist. „Das passiert hundertfach, tausendfach.“ Dass dabei auch Fehler, Missbräuche und Grenzüberschreitungen vorkämen, sei nicht verwunderlich. „Was ich als Problem ansehe, ist, dass damit dann oft kein offener Umgang stattfindet, dass versucht wird, es unter den Teppich zu kehren, es klein zu reden.“ Das sei auch nach innen schwierig: „Wenn die Beamtinnen und Beamten das Gefühl haben, es passiert gar nichts, wenn einer über die Stränge schlägt, dann ist das auch ein Signal.“

Nicht-Identifizierbarkeit von Polizisten ist großes Problem

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In diesem Zusammenhang sei eine Kennzeichnung von Beamten mit äußerlich erkennbaren Dienstnummern ein „bewährtes Mittel“. „Mir ist kein einziges sinnvolles Argument gegen diese Regelung bekannt.“ Die Nicht-Identifizierbarkeit von Polizisten sei bisher ein großes Problem und führe oft zu Einstellungen von Verfahren. Außerdem würden Betroffene auch deshalb keine Anzeige erstatten, weil sie davon ausgingen, dass die Beamten ohnehin nicht identifiziert werden könnten. (mit dpa)