Düsseldorf. Pflegekräfte sind häufig überlastet. Früher gab es Entlastung durch den Zivi. Das halten Düsseldorfs Verbände und Politik von einem Pflichtjahr.
Einen Dienst an der Gesellschaft verrichten – diesen Vorschlag machte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer schon vor zwei Jahren. Die Idee dahinter war, ein soziales Pflichtjahr einzuführen. Nun, in Zeiten von Corona, ist das Thema wieder aktuell.
Gerade Pflegekräfte stoßen an ihre Grenzen. Wäre der Zivildienst da nicht wieder eine Entlastung? Zwar gibt es den Bundesfreiwilligendienst und das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ), doch ist das ausreichend?
Durch eine Pflicht könnte Quantität erhöht werden
Bei der Düsseldorfer Diakonie stelle man schon fest, dass es weniger FSJler und Bufdis gibt als damals noch Zivis, so Sprecher Christoph Wand. Durch eine Pflicht würde die Quantität also durchaus gesteigert und es sei „immer ein plus, jemanden zu haben“. Wand sieht jedoch auch die Nachteile einer solchen Pflicht. „Zwar gab es dabei immer schon tolle Leute, aber es hängt halt sehr vom Menschen ab. Einige aber haben vielleicht keine Lust auf und das merken dann auch die Bewohner. Das ist kontraproduktiv.“ Eine Berufsorientierung begrüßt er allerdings sehr.
Der Düsseldorfer Caritas-Chef Henric Peeters kann sich durchaus ein Pflichtjahr vorstellen – allerdings nicht nur im sozialen Bereich, sondern auch im ökologischen und kulturellen Bereichen sollte ein Einsatz möglich sein. „Positiv könnte es aus unserer Sicht sein, dass Jugendliche dadurch vielleicht eigene Berufsperspektiven entwickeln und diese Arbeitsfelder auch mehr Wertschätzung und Anerkennung innerhalb der Gesellschaft erhalten.“ Entscheidend sei allerdings, neben der Frage der Finanzierung und der Kapazitäten aufseiten der Träger, dass es eine breite Auswahl an Angeboten gibt und die Jugendlichen bei einem Pflichtjahr adäquat entlohnt werden.
Andreas Rimkus: „Pflichtjahr ist aus der Zeit gefallen“
Der Einrichtungsleiter des Hans-Jeratsch-Hauses der Awo, Christian Winter, findet zwar, dass gute FSJler die Pflege entlasten, die aber kein Ersatz für gelerntes Pflegepersonal seien und auch nicht alles machen dürfen. Einer Verpflichtung steht er jedoch kritisch gegenüber.
In der Politik ist man geteilter Meinung. Überhaupt nichts von einer Verpflichtung hält der Düsseldorfer SPD-Chef Andreas Rimkus. Ein Pflichtjahr sei „aus der Zeit gefallen“. „Das klingt mehr nach billigen Arbeitskräften, die Popo und Mund abwischen sollen.“ Vielmehr sollte in den Bereich mehr investiert werden.
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Der OB-Kandidat der Linken, Udo Bonn, hat selbst Zivildienst geleistet, ebenso sein Sohn. Dieser sogar im Seniorenheim. „Er ist da manchmal schon psychisch an seine Grenzen gestoßen.“ Zudem fehlte die fachliche Grundlage. „Das sind dann mehr Hilfsdienste, die man leistet und keine direkte Pflege.“ Dennoch gebe es manche Bereiche, da fände er es gut, wenn man vor seiner Ausbildung oder dem Studium, ein praktisches Jahr macht – etwa vor dem Medizin- oder Lehramtsstudium. „Da kann man dann sehen, ob man empathisch und belastbar genug dafür ist“, so Bonn. Zudem könne er sich noch an das aufstöhnen der Sozialverbände erinnern, als der Zivi abgeschafft wurde. Es aber einfach auf junge Leute abzuwälzen, hält er für „bedenklich“. Vielmehr würde er jedem empfehlen, ein FSJ zu absolvieren. „Kinder heutzutage wachsen oft sehr behütet auf und haben alles. Es ist auch mal gut eine andere Seite zu sehen“, so Bonn.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit und Soziales, Andreas-Paul Stieber (CDU) sieht in der Pflicht auch Zwang. „Und eine Pflicht wird in der heutigen Zeit keine Akzeptanz finden. Wir sehen das ja gerade bei den Corona-Beschränkungen, dass sich da einige schwer tun.“ Vielmehr sollten Anreize geschaffen werden, der Dialog zwischen den Generationen gesucht werden. „Die Menschen können viel voneinander lernen und sich abschauen.“