Düsseldorf. Der erste (und vielleicht letzte) Opernabend im Düsseldorfer Autokino stellte alle vor Herausforderungen. Aber es war auch ein großer Erfolg.
Freitagabend kurz vor 22 Uhr: Nahezu alle der 500 Plätze auf dem Messe-Parkplatz 1 sind besetzt. Seit April keine Seltenheit, betreibt hier doch die Stadttochter D.Live das Autokino und begründete damit eine Erfolgsstory, die rund um die Welt ging. Doch am vergangenen Freitag öffnete das Autokino für ein außergewöhnliches Format: für eine Opern-Gala live unter freiem Himmel im Autokino.
400 Quadratmeter große Leinwand
Ein Event, das vermutlich in Düsseldorfer Musikgeschichte eingehen wird. In Freizeit-Outfit die Zuschauer. Keine feine Gala-Abendroben und Lackschuhe. Stattdessen viele in kurzen Hosen, Jogging-Anzügen und bequemen Tretern, manche gar in Pantoffeln. Lässig die Füße auf das Armaturenbrett unter der Windschutzscheibe gelegt. In einigen Autos standen dort Schampus- und Weingläser parat. Picknick-Körbe und Leckereien, mit denen man sich die perfekt gesungenen Arien und dramatischen Attacken von Rossini, Verdi und Co. noch versüßen konnte.
So entspannt die Zuschauer in Limousinen, so konzentriert waren die sieben Sänger in Glitzerroben, die zur ersten Garde des Rheinopern-Ensembles gehören, die Symphoniker und 20 Solisten des Opernchors, die seit Beginn der Corona-Pandemie nicht mehr auftreten dürfen. Letztere aufgereiht in Zwei-Meter-Abstand, auf einem Steg vor der 400 Quadratmeter großen Open-Air-Kino-Leinwand.
Nervosität sah man anfangs auf den Gesichtern der Sänger und Musiker
Davor 40 Orchester-Mitglieder, die unter freiem Himmel sich einspielten. Die Solisten in Kojen in zwei überdachten Nebenbühnen. Leichte Nervosität sah man anfangs auf den Gesichtern, auch auf dem ihres Dirigenten Axel Kober. Wegen Pandemie, Lockdown und Abstand-Regeln konnten Musiker und Sänger lange Zeit nicht mehr üben, proben, geschweige denn vor Publikum das machen, wofür sie ziemlich gut bezahlt werden.
„Wir melden uns zurück,“ sagte Kober dann in seiner Moderation, in der der GMD die Besucher in ihren Autos (über UKW-Frequenz 92,6) über Sänger, Musiker und die außergewöhnlichen Bedingungen und Regeln informierte. Bitte nicht hupen, Applaus nur mit Scheinwerfer-Blinken. Ehrlich, offen und sympathisch kam Kober über die Leinwand.
Er, wie auch die Symphoniker ganz in Schwarz. Leger, ohne Frack und Fliege. „Es ist eine Welt-Premiere – eine Gala unter solchen Umständen.“ So schön das auch sei, auf eine zweite dieser Art wolle er aber gerne verzichten.
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Selbst der sonst so nüchtern sachliche Orchester-Chef war – trotz scheinbar entspannter Moderation – emotional berührt von dem, was sie alle da in zwei Stunden vor der Riesen-Leinwand, auf den Nebenbühnen und in der Technik-Regie geleistet haben.
Ein Programm, das im Normalfall im Opernhaus alle Beteiligten aus dem Ärmel schütteln, stellte sie Open Air mit wehender Sommerbrise vor neue Herausforderungen. Die mussten bewältigt werden. Wäscheklammern an Notenpulten, baumelnde Seidenstrümpfe an sämtlichen Öffnungen der Blechblas-Instrumente – „Plopp“-Schutz nenne man diese Vorrichtung, so Axel Kober. Warum? Das wisse niemand.
Kurz: Es waren Bedingungen, die sich noch vor vier Monaten niemand ausmalen konnte. Doch nahezu lautloser, eigentlich gespenstischer Licht-Applaus aus Scheinwerfern und Warnblinkern gab den Organisatoren recht: Die Gala im Autokino wurde für Musiker, Chor und Sänger-Darsteller zu einem großen Erfolg. Nur selten wollten einige ihre Begeisterung nicht verbergen, betätigten die Hupen und riefen lauthals „Bravo“ aus den geöffneten Fensterscheiben.
Wetter spielte bis zum Ende mit
Das trockene, milde Wetter spielte mit bis zur letzten Sekunde der Mittsommernacht vom 19. zum 20. Juni und der Zugabe „Brindisi“, dem Trinklied aus der „Traviata“. Zwei Stunden mit Repertoireschlagern aus Romantik und Belcanto gingen kurz vor null Uhr zu Ende – mit „Nessun dorma“ (Keiner schlafe) mit Edouardo Aladrén. Der Tenor mit schlank geführter Stimme, Strahlkraft und Schmelz beschwor in der Arie die Sterne. Zumindest war der Himmel pechschwarz, ganz klar, bei frischem Lüftchen. Besser hätten Natur und Wetter die Dramaturgie der Opernnacht nicht beeinflussen können.
Von Anfang an gaben die Sänger ihr Bestes und brillierten, vielleicht auch wegen der langen Corona-Zwangspause, mit entspannten, unangestrengten Stimmbändern und sauberen Spitzentönen. Ob Adela Zaharia mit Bravour-Arien aus „Traviata“, Ramona Zaharia als verführerische „Carmen“, Bogdan Baciu als Stierkämpfer ‚Escamillo‘.
Ebenso von der Höhe ihres Könnens überzeugten der rabenschwarze Bass von Bogdan Talos, Maria Kataeva mit weich laufenden Koloraturen als ‚Rosina‘ (Barbier von Sevilla) und die zarten, lyrischen Spitzentöne von Elena Sancho-Pereg. Für die sieben Sänger sicherlich eine Sternstunde, die sie vermutlich lieber im Opernhaus erlebt hätten.
Doch: Weder sie, noch die Zuschauer im eigenen Pkw werden diese Mittsommer-Gala im Auto vergessen.