Düsseldorf. Düsseldorfer Geheimnisse: Julia Lederle vom Stadtarchiv weiß, warum der Friedhof in Heerdt von einem Fuß- und Radweg unterteilt ist.

Friedhöfe sind normalerweise zusammenhängende und trotz ihrer traurigen Bestimmung idyllische Grünanlagen. Letzteres gilt auch für den Heerdter Friedhof. Ersteres nicht: Im westlichen Teil ist er durch einen Fuß- und Radweg unterteilt – die Friedhofsbesucher müssen eine Fußgängerbrücke überqueren, um vom einen Teil in den anderen zu gelangen. Die stellvertretende Leiterin des Düsseldorfer Stadtarchivs, Julia Lederle, weiß, dass das einen guten Grund hat, hinter dem ein bedeutendes Stück Geschichte steckt. Denn der Weg, der den Friedhof trennt, ist nicht irgendein Weg: „Es handelt sich dabei um eine geschichtsträchtige Eisenbahntrasse, die Düsseldorf-Oberkassel mit Aachen verband und noch bis in die 1990er-Jahre betrieben wurde.“

Wilhelm I. und Bismarck fuhren mit der Bahn

Die Bauarbeiten für diese Strecke begannen im Jahr 1852. Ein Jahr später wurde die insgesamt 87 Kilometer lange Bahnlinie von Oberkassel über Neuss und Mönchengladbach nach Aachen eröffnet. Kurz darauf erwies ihr ein hochkarätiger Fahrgast die Ehre: „Im Mai des selben Jahres nutzte die in Düsseldorf bis heute verehrte Stephanie von Hohenzollern-Sigmaringen als angehende Königin von Portugal mit einem Sonderzug auf ihrer Fahrt in die neue Heimat die Strecke“, weiß Julia Lederle über die bedeutsame Fahrt zu berichten. Sie sollte nur der erste in einer ganzen Reihe hochgestellter Fahrgäste sein: „Kurz darauf reiste Königin Viktoria, von London kommend, zusammen mit ihrem zukünftigen Gatten Friedrich, Prinz von Preußen, auf der Strecke an Heerdt vorbei. Und auch der preußische König und spätere deutsche Kaiser Wilhelm I. nutzte zusammen mit seinem Kanzler Otto von Bismarck im Mai 1865 die Verbindung“, zählt Julia Lederle auf.

Passagiere mussten mit Schiff umsteigen

Trotz der berühmten Fahrgäste war der Bahnstrecke kein langes Dasein beschieden: „Es war auf dieser Strecke kein nahtloser Eisenbahnverkehr mit Düsseldorf möglich“, erklärt die stellvertretende Stadtarchivarin die Problematik. „In Oberkassel ankommend, mussten die Reisenden die Bahn verlassen und eine Schiffsbrücke nutzen, um im rechtsrheinischen Düsseldorf zu einem Anschlusszug zu gelangen.“ Da war die Variante, über die 1870 errichtete südlichere Hammer Eisenbahnbrücke zu fahren, deutlich bequemer. „Zwar erhielt Heerdt 1872 noch einen neuen Bahnhof, doch der Personenverkehr nahm schlagartig auf dieser Strecke ab, Güterzüge nahmen stattdessen zu“, schildert Julia Lederle den weiteren Verlauf.

Brücke über die Bahntrasse

Denn die Bahn spielte eine große Rolle für Heerdts Industrie: „Viele umliegende Unternehmen erhielten eigene Gleisanschlüsse, zum Beispiel auch die sich in der Nähe des Friedhofs befindende Zementplatten-Fabrik Reinartz, später auch Reinarz geschrieben. So wurde der Heerdter Bahnhof 1891 um einen Güterbahnhof erweitert. Das Bahnhofsgebäude existiert noch.“

So gut es mit den Gütern lief – der Personenverkehr nahm immerweiter ab: „1902 wurde er vollständig eingestellt, weil er von der Rheinbahn mit ihren Straßenbahnen seit 1898 gänzlich übernommen worden war“, sagt Lederle. Als der Friedhof in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erweitert wurde, errichtete man für die Friedhofsbesucher die Fußgängerbrücke zur Überquerung der Bahntrasse.

Gleise 1998 abgebaut

Doch auch die Ära des Güterverkehrs sollte nicht mehr allzu lange dauern: „Die zunehmende Verlagerung auf die Straße und das Absterben der Industrie im linksrheinischen Düsseldorf führte in den folgenden Jahren zum rapiden Rückgang des Schienenverkehrs in Heerdt“, nennt Julia Lederle die Ursache. „1994 fand die letzte Fahrt eines Güterzuges zwischen Neuss-Vorbahnhof und Heerdt-Oberkassel statt. 1998 wurden die Schienen entfernt.“ Nur die Wegführung und die Friedhofsbrücke erinnern an die geschichtsträchtige Bahnverbindung. Und in gewisser Weise auch die Brücke auf dem Heerdter Friedhof, die Besucher benutzen müssen, um die ehemalige Bahntrasse zu überqueren.

Der Weg verbindet Schiessstraße und Heerdter Landstraße