Düsseldorf. Der Düsseldorfer Shewan Aziz ist erfolgreicher Fotograf. Als Kind floh er mit seiner Familie vor dem Krieg im Irak. Das ist seine Geschichte.
„Das ist mein allerallerstes Büro“, sagt Shewan Aziz und strahlt, er breitet die Arme aus und scheint ein riesiges Geschenk in die Luft zu malen. Der 32-Jährige ist sichtlich froh über seine eigene Werstener Geschäfts-Adresse. Hier empfängt er Paare, die einen ganz besonderen Moment ihres Lebens planen: Aziz ist Hochzeitsfotograf und Videograf, er fängt für seine Kunden den Tag der kirchlichen oder standesamtlichen Trauung in einer Bilder-Reportage ein – und dreht auf Wunsch auch Videos über den festlichen Tag. Zudem gibt er Workshops und Youtube-Tutorials für Fotografie.
Ein Büro wie eine gemütliche Wohnung
Wie Geschäftsräume wirken die drei, insgesamt 70 Quadratmeter großen Zimmer kaum. Eher wie eine eine freundliche Wohnung, der Aziz seine persönliche Bildsprache gegeben hat. „Meine Frau Sanni und ich haben das hier selbst renoviert und eingerichtet“, erzählt er. Wenige Details schaffen eine warme, einladende Atmosphäre. Ein paar ausgeblichene Holzkisten dienen als Regal, einige Pflanzen geben Farbtupfer, und einen Teil der Wand hat Aziz in Dunkelgrün gestrichen. Davor, auf dem hellen breiten Sofa, bespricht er mit den Paaren ihre Vorstellung vom Heiratstag. Eine kleine freischwingende Holztreppe führt hinauf in sein Arbeitszimmer. Dort, am Computer, bearbeitet er seine Fotos.
In der Nische unter der Treppe spielt manchmal seine einjährige Tochter, mit Decken und Kissen bauen sie dann eine kleine Höhle. „Wenn sie hier in meiner Nähe ist, kann sie sehen, was ich beruflich mache“. Auch als Fotograf will er seinen Kunden nahe kommen, ihr Naturell erfassen – und im Gespräch mit Aziz wird eine entscheidende Zutat dafür bald klar: Er begegnet Menschen mit ehrlicher Neugier, hat spürbar Freude daran, mehr von seinem Gegenüber zu erfahren, wirkt konzentriert auf diesen Austausch.
Unsichtbar sein und Gefühle einfangen
„Ja, ein vertrauensvolles Verhältnis zu meinen Kunden ist mir ganz wichtig“, betont er, „nur so kann ich ein Teil ihrer Hochzeit werden.“ Denn das bedeute oft, dass „sie die Kamera vergessen, und dann entstehen die schönsten Fotos“, ist Aziz‘ Erfahrung. Auf seine Website hat Shewan Aziz die Fotos einiger Hochzeitspaare gestellt – von Jenni und Dennis, Yasemin und Ako, Sibel und Ufuk. Die Motive zeigen, dass ihm in der Tat das Kunststück gelingt, gleichsam unsichtbar zu werden und Gefühle einzufangen: Die Paare wirken gelöst, locker, wie für sich. Sibel lächelt versonnen, wie durch die Kamera hindurch, Ufuks Blick ruht auf dem Gesicht seiner Braut, und bei ihrer Umarmung wirken die zwei wie ineinander versunken.
Schon einige Male, erzählt Aziz, sind Freundschaften zu seinen Kunden entstanden, und dann lichtet er auch andere Ereignisse ab. „Bei einem Paar durfte ich sogar schon zu fünf Anlässen fotografieren, unter anderem haben wir ein Babybauch- und ein Familien-Shooting gemacht.“ Sein Kundenkreis wächst, „auch durch Mundpropaganda von zufriedenen Kunden“, zudem zeigt er auf Instagram seine Arbeit. Er hatte Aufträge in Düsseldorf und Solingen, reiste auch schon zu Hochzeiten in die Schweiz, nach Italien und Kroatien.
Leuchttürme der Erinnerung
„Fotografieren und Filmen ist das, was ich schon immer machen wollte“, sagt Aziz. Er lebt seit 2005 in Düsseldorf, ist zuhause in Eller, hat sich vor fünf Jahren selbstständig gemacht. Vorher studierte er Kommunikationsdesign am Düsseldorfer Institute of Design. Für ihn sind Fotos vor allem Leuchttürme der Erinnerung, „ich möchte die intensivsten und schönsten Momente zeigen“.
Shewan Aziz ist kurdischer Abstammung und im Irak aufgewachsen. „Ich habe mich durch meine Herkunft nie anderen gegenüber abgegrenzt, für mich ist jeder Mensch gleich wertvoll.“ Als Zehnjähriger floh er mit seinen Eltern und den drei jüngeren Geschwistern vor dem irakischen Bürgerkrieg. „Ich bin im Kriegszustand groß geworden“, dieser sei für ihn erschreckender Alltag gewesen, sagt Aziz. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm „ein Schusswechsel vor unserem Haus, da habe ich Angst um mein Leben gehabt“.
Die Familie ist das Wichtigste
Doch die Gefahr während der Flucht durch die Türkei, Griechenland und mit dem Schlauchboot übers Mittelmeer nach Italien hätten ihn seine Eltern nie spüren lassen. „Das Flüchtlingsheim habe ich in sehr guter Erinnerung, weil ich alles hatte, was ich brauchte. Meine Familie.“ Wichtig war das Fotografieren damals auch schon seinen Eltern, einer Lehrerin und einem Maß- und Änderungsschneider. „Für mich das wohl Wertvollste, was ich besitze, sind ein paar Bilder aus meiner Kindheit.“ Ein Foto zeigt ihn als schmalen Teenager in Griechenland, während der Flucht, der strahlend eine Armbanduhr in die Kamera zeigt. „Die hatte mir mein Vater gerade geschenkt, und ich war so froh und stolz“, sagt Aziz bedächtig. Ihm ist anzumerken, dass ihm diese Geste seiner Eltern in einer schweren Zeit bis heute viel bedeutet.
Erfahrungen, die Kraft geben
Die Erleben, die Flucht überstanden zu haben, „hat mir die Kraft gegeben, an mich selber zu glauben“, davon ist Aziz überzeugt, „das Selbstvertrauen, Risiken einzugehen und mit Niederlagen umzugehen“. „Hätte ich nicht in jungen Jahren diese Erfahrung gemacht, wäre ich wahrscheinlich nie dazu im Stande gewesen, über meine Grenzen hinauszuwachsen, um ein erfolgreicher Fotograf zu werden.“