Düsseldorf. Boulevardtheater in Zeiten der Krise: Der Düsseldorfer René Heinersdorff spricht über die Lage der Privattheater in Deutschland.
Tonhallen-Konzerte, Premieren in Oper und Schauspielhaus wurden alle abgesagt. Noch spielen Komödie, Kom(m)ödchen, Theater an der Kö, da diese Häuser über nur ein paar Hundert Plätze verfügen. Doch auch die Boulevard-Bühnen geraten in Bedrängnis durch die zunehmende Verbreitung des Corona-Virus und bundesweite Maßnahmen. Die NRZ sprach am Samstag, 15. März, mit René Heinersdorff, Chef des Theaters an der Kö und Vorsitzender der Privattheatergruppe im Deutschen Bühnenverein, über die aktuelle Lage und Zukunft der Privattheater.
Herr Heinersdorff, die städtischen und staatlichen Bühnen haben – wegen des Corona-Virus- ihren Betrieb bis mindestens Anfang April eingestellt. Ist das sinnvoll?
Ich bin kein Virologe, dennoch muten die Maßnahmen, das kulturelle Leben lahmzulegen, angesichts unter 3000 bestätigter Infektionsfälle und fünf Toten bei 80 Millionen Bürgern fremd an. Wir erleben bei den Besuchern unserer Theater eine große Solidaritätsbezeugung abends, weil wir den Spielbetrieb (noch) aufrecht erhalten.
Wie würden Sie im Vergleich dazu die Lage der Privat-Theater in Deutschland beschreiben?
Wenn ein städtisches/staatliches Haus einen Monat lang nicht spielt, bei einer Finanzierung durch die öffentliche Hand von zirka 80 Prozent, bedeutet da die Mindereinnahme im Gesamtetat unter zwei Prozent. Für die Privattheater bedeutet das weit über 15 Prozent Verlust und das ist für die meisten das Aus.
Wie hat sich die Lage dieser Privattheater durch die bundesweit ergriffenen Maßnahmen gegen die schnelle Verbreitung des Corona-Virus geändert?
Sie ändert sich täglich, von der Empfehlung bis zum Erlass. Durch die Panikmache der Medien und dem Profilierungswillen vieler Politiker ist der Vorverkauf gegen Null gegangen, und es gibt bundesweit Absagen von Reservierungen und Rückgaben von Karten in hoher Zahl.
Wie haben die Häuser mit weniger als 1000 Zuschauerplätzen reagiert?
Wir versuchen mit Gutschriften und Umtausch kulant zu reagieren, auch wenn bis dato noch nicht einen Fall einer Übertragung durch einen Theaterbesuch bekannt ist. Gut belüftete, größere Theater sind weniger gefährlich, als kleine stickige Räume.
Welche Gefahren drohen den privat geführten Theatern in Düsseldorf bei einer weiteren Verschärfung der Maßnahmen?
Allen privat geführten Theatern droht durch Ausfälle eine existentielle Gefährdung, das ist sehr ernst. Die große Überzahl dieser Theater ist am Ende der Saison glücklich, wenn sie die schwarze Null geschafft haben. Die wäre im Falle einer Spielunterbrechung mitten in der Saison nicht zu erreichen.
Was erwarten Sie – im schlimmsten Fall – also hier der Schließung auch der kleinen Theater – von den Städten?
Ich erwarte nicht nur eine Rettung durch die Kommunen, sondern auch einen Beitrag der Träger hinter der vorderen Front. Also Vermieter, Verlage, Finanzämter, Berufsgenossenschaften... Hier könnte der Gesetzgeber in dieser besonderen Situation auch Solidarität einfordern oder verordnen. Die Lasten einer solchen, als existentiell empfundenen Lage, müssen verteilt werden.
Wie können die Kommunen auf Dauer die Existenz der kleineren Häuser sichern – von denjenigen, die bislang keine regelmäßigen Zuschüsse der öffentlichen Hand erhalten?
Das muss jede Stadt für sich entscheiden und hat nichts mit dem Virus zu tun. Wenn die Städte endlich nach europäischen Recht Marktgleichheit nicht verhindern würden, wäre die Lage der privaten Theater weniger brisant.
Warum müssen Ihrer Meinung nach auch die privaten Boulevard-Theater – wenn man so will – Boulevard im besten Sinne – unterstützt werden?
Eine Stadt, die sich als Großstadt empfindet, braucht mindestens ein Boulevardtheater. In welcher Form und Höhe die öffentliche Hand das unterstützen möchte, vertreten durch die kommunale Kulturpolitik, muss sie selber entscheiden. Düsseldorf ist da im bundesdeutschen Vergleich absolutes Schlusslicht. Dabei geht es nicht immer nur um Geld. Es geht um Werbung, Räumlichkeiten, Anerkennung und Logistik.
Wie sieht im Besonderen die Lage der privatgeführten Häuser in Nordrhein-Westfalen und in Düsseldorf aus?
Von der Bauart, die wir sind, als Komödie, Theater an der Kö, Kömmödchen, gibt es in Deutschland vielleicht 25 Exemplare. Das sind die letzten Dinosaurier dieser großartigen Spezies. Köln, Bonn, Aachen und Münster sind die einzigen Städte, die vergleichbare Häuser haben. Alle unterstützt. Nur in Düsseldorf nicht.