Düsseldorf. Die Kontakt- und Notschlafstelle Knackpunkt in der Stadtmitte bietet Mädchen und jungen Frauen seit 22 Jahren Schutz und Hilfe.

Im Wort Knacks steckt das Verborgene, das Heimliche. Ein manchmal feiner, kaum sichtbarer Riss. Der Krug mit Knacks taugt kaum noch etwas. Und ein Mensch? „Ich lerne viel von den Mädchen, erlebe ihre Sorgen, ihre Angst, und auch ihren Mut und ihre Kraft“, sagt Ina Schubert, 54. Seit 22 Jahren – somit seit der Gründung des Hauses – ist sie Sozialpädagogin in der Kontakt- und Notschlafstelle für Mädchen und junge Frauen in der Grupellostraße. Viele davon mit einem Knacks in der Lebensgeschichte. Träger ist der Düsseldorfer Sozialdienst katholischer Frauen und Männer (SKFM).

Prostitution und Drogenkonsum

Die Adresse ist nah an der Charlottenstraße und am Hauptbahnhof. Dort, wo sich drogensüchtige, meist wohnungslose Frauen für Sex verkaufen, um Geld für die nächste Dosis Heroin, Kokain oder Haschisch zu bekommen. Im Amtsdeutsch: Beschaffungsprostitution. Juristisch eine Ordnungswidrigkeit, im Wiederholungsfall eine Straftat.

„Manche der Mädchen sind schon durchgeknallt“, sagt Ina Schubert. Sie sagt es mit einem Lächeln, freundlich, doch auch klar. Wie über jemand, den man mag, den man mit seinen Schwächen – und seinen Stärken – kennt. Die Mädchen, das sind 14- bis 26-Jährige, meist deutschstämmig. „Im Durchschnitt sind sie etwa 18 Jahre. Rund 200 Mädchen und junge Frauen kommen pro Jahr zu uns“, erzählt Schubert. Einige sind aufgewachsen mit Schlägen und Missbrauch in der Familie, mit Gefühlskälte, Armut.

Manche von ihnen sind traumatisiert, depressiv oder psychisch gestört, entweder erkrankt im Laufe ihrer Jugend oder durch das Leben auf der Straße. Auch Heroin und Kokain verstärken mitunter psychische Störungen oder lösen sie aus. „Drogen bekommen Sie leider vor allem rund um den Bahnhof immer“, so Schubert. Häufige Folgen des harten Straßenlebens der Frauen: Infektionen, auch durchs Drogenspritzen, Krankheiten durch Mangel-Ernährung, fehlende Körperpflege und ungeschützten Sex.

Sie blickt zurück: „In den vergangenen 20 Jahren hat sich viel verändert. Wir begegnen mehr jüngeren Mädchen, erst 14, 15, die nicht unbedingt auf den Strich, sondern eher mit Männern ins Hotel gehen. Und das selbst nicht Prostitution nennen, es natürlich jedoch genau das ist.“ Und: „Die Freier werden immer brutaler.“ An der Pinnwand im Flur der Schutzstelle hängt die Nachricht eines Mädchens: Sie warnt vor einem gewalttätigen Kunden, nennt die Farbe seines Wagens und Teile seines Auto-Kennzeichens. Vereinzelt hätten aggressive Freier auch schon versucht, in den „Knackpunkt“ zu kommen. Inzwischen setzt die Schutzstelle eine Videoanlage an der Haustür ein.

Schüler nehmen vermehrt Medikamente

Schubert ist auch nah an Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die nach außen ein geregeltes Leben haben. Sie ist selbst Mutter und hat im Knackpunkt immer wieder Schulklassen zu Gast: „Das Kiffen hat extrem zugenommen“, bemerkt sie, und der THC-Gehalt, also das hauptsächlich berauschende Tetrahydrocannabinol im Haschisch, „ist im Vergleich zu früher stark gestiegen. Hochgezüchtet, wie so vieles bei uns heute.“

Wirklich erschrocken, so Schubert, sei sie über den verbreiteten Schüler-Konsum von Ritalin, einem offiziell verschreibungspflichtigen, aufmerksamkeitssteigernden Medikament. „Eine Schülerin sagte offen, dass sich viele Gleichaltrige unter der Hand Ritalin besorgten.“ Ein Grund sei der als immens erlebte Leistungsdruck.

Auf der Straße leben – das bedeute nicht, dass ihre Klientinnen immer unter der Brücke oder in Hauseingängen schliefen, so Schubert. Sie übernachten bisweilen bei Bekannten oder Verwandten. Doch selten an einem Ort, wo jemand auf sie wartet, wo sie willkommen sind. Und: Wo sie auch wieder gehen können und ihnen die Tür am nächsten Tag wieder offensteht. Die Knackpunkt-Hilfe ist niedrigschwellig. Denn die Regeln und Pflichten anderer Hilfsangebote, etwa Wohngruppen, überfordern manche Frauen.„Es kommt vor, dass eine Frau hier gern übernachten möchte, doch das Geld für den nächsten Schuss Heroin am folgenden Morgen noch nicht zusammenhat. Dann will sie wieder auf die Straße.“

Probleme der Suchterkrankten ernstnehmen

Dieses akzeptierende Ernstnehmen einer Sucht für den Moment, gemeinsam mit der Gesprächsbereitschaft und Zuwendung, ist ein Schlüssel, der den Frauen Kraft gibt. Ihr oft brüchiges Selbstwertgefühl stärkt, wachsen lässt.

In der Broschüre zum 20-jährigen Bestehen der Kontaktstelle haben einige Frauen kleine Aufsätze zur Frage „Was ist der Knackpunkt für mich?“ geschrieben: „Hier kann man sein wie man will und keiner verurteilt dich deswegen“, schreibt Vanessa. Und Tatjana: „Es war 3 Jahre mein Wohnsitz – (Zuhause). Man hat sich geborgen gefühlt und man konnte auch seine Probleme erzählen und man wurde ernst genommen.“

Und manchmal kommt dann die Lebenswende: „Ich war ein Junkie und ging anschaffen. Der KP war für mich mein ‚geschützter Raum‘. Dorthin liefen mir keine Freier hinterher und ich brauchte keine Angst zu haben, dass mir etwas passiert“, schreibt Steffi, eine ehemalige Klientin.