Düsseldorf. Einen mal wieder furiosen Auftritt hat der ob seines Aussehens vor allem bei Frauen sehr angesagte Stargeiger Ray Chen in Düsseldorf hingelegt.
Ray Chen war wieder in Topform und ganz der Charming Boy: Den prallen Blumenstrauß, den man ihm nach einem furiosen Auftritt mit Max Bruchs erstem Violinkonzert überreicht, verschenkt er an einen weiblichen Fan in der ersten Reihe. Der 30-jährige, agile Australier, in Taiwan geboren, beherrscht nicht nur souverän seine millionenteure Stradivari ‚Joachim’ und Bruchs G-Moll-Werk mit seinen singenden Ohrwürmern – Ray Chen spielt ebenso virtuos und unaufgeregt auf der Klaviatur moderner Selbstvermarktung, Youtube inklusive. Klar, dass jugendliche ‚Follower’ im Tonhallen-Foyer geduldig Schlange standen, um ein Selfie mit Ray zu ergattern.
Easy going, mit entwaffnendem Lächeln. Kurz ein strahlender Star zum Anfassen ist dieser Musiker, der vor einigen Jahren in der Dortmunder Reihe „Junge Wilde“ Aufsehen erregte und jetzt, beim letzten Meisterkonzert des Jahres, mit den Bamberger Symphonikern auftrat. In voll besetzter Tonhalle, versteht sich. Jubel und Johlen belohnte er mit zwei Zugaben, eine davon war eine Caprice von Paganini.
In Düsseldorf ist Ray kein Unbekannter mehr. Vor zwei Jahren sprang er für den erkrankten David Garrett ein, wurde, wie David, wie ein Popstar gefeiert. Genauso wie im Juli bei einem Sternzeichen mit den Symphonikern. Dass er mit den Bambergern – seit Jahrzehnten einem der renommiertesten Klangkörper der Republik - auftritt, beweist den Ruf, den Chen heute in der Branche genießt. Die große Besetzung der ‚Bayrischen Staatsphilharmonie’, die den Abend mit gedehnten, himmlischen Höhen aus Wagners ‚Lohengrin’-Ouvertüre eröffnete, ist weltweit gereister Kultur-Exportschlager des Freistaats.
Old german school
Unter ihrem tschechischen Chefdirigenten Jakub Husra entfachen sie einen breiten, warmen Sound, eine Schwere und Langsamkeit, die man von alten Schallplatten mit Wilhelm Furtwängler kennt. Hier klingen Hörner und Posaunen nicht etwa grazil, schlank und leicht, wie heute bei vielen Orchestern. Nein. Man meint, Tonnengewicht lastet auf den Bambergern, wenn sie in breiter Intonation langsam loslegen. Bei Max Bruch und später bei Brahms’ erster Symphonie. Blonder, leicht bronzierter Sound bei den Streichern. Sie schimmern, aber dehnen die Tempi, spielen jede Note voll aus. Old german School ist das, Vintage-Interpretation. Vielleicht sogar ein ‚deutscher’ Klang. Aber vom Feinsten. Zumindest denkt man an deutsche Wertarbeit. Denn Geigen und Celli spielen präzise. Auf den Punkt kommen fast alle Einsätze, auch bei Holz- und Blechbläsern.
Ähnlich breit, warm und romantisch legt Ray Chen das Bruch-Konzert an. Mit viel Druck auf den Geigenbogen, ausladend, aber auch perfekt zelebriert er das Adagio. Einen wunderbar leuchtenden Klang entlockt er seiner Stradivari, auch er spielt jede Not aus, zieht das Publikum mit seinen Emotionen mit, sprüht aber voller Energie im finalen ‚Allegro’. Bravorufe für alle.