Düsseldorf. Über eine Milliarde Euro fließt ins Influencer-Marketing, weiß Tessa Saueressig. Sie hat eine Agentur in Düsseldorf und betreut Influencer.

Wir erwischen Tessa Saueressig im Zug auf dem Weg in ihre alte Heimat Nürnberg. Dorthin ist sie in diesen Tagen privat wie geschäftlich unterwegs. Über das Smartphone ist sie aber natürlich erreichbar – in ihrer Branche ein Muss. Die 35-Jährige hat sich vor anderthalb Jahren mit der Agentur „.comTessa“ (Influencer Marketing und PR) in Düsseldorf selbstständig gemacht. In einem Dreierteam betreut und berät sie 35 Influencer – also Menschen, die in sozialen Netzwerken einen besonders hohen Bekanntheitsgrad haben, so dass Firmen sie für die Werbung ihrer Produkte nutzen können.

Ab wann kann man sich überhaupt Influencer nennen?

Es gibt keine Anzahl an Followern, ab der man sagt: Du bist jetzt Influencer. Einige Influencer erreichen mehrere hunderttausend oder gar Millionen Menschen, andere „nur“ wenige Tausend. Hier spricht man von sogenannten Micro-Influencern. Vor allem Start-Ups haben nicht das Budget, um sich große Influencer leisten zu können. Sie setzen stärker auf Personen, die in einer bestimmten Nische sehr authentisch sind.

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Mode, Lifestyle, Beauty: Welche Themenbereiche sind denn die erfolgreichsten?

Mode ist zwar omnipräsent – da sie jeder Influencer trägt - aber da stecken nicht die größten Budgets hinter. Die meisten Kooperationen gibt es in den Bereichen Beauty und Fitness. Diese Märkte haben ein sehr hohes Budget für Influencer-Kooperationen. Es gibt aber auch viele andere Themenbereiche - zum Beispiel Nahrungsmittel, Getränke, Handyverträge, Musicals und vieles mehr. Wir arbeiten beispielsweise auch mit einem Personaldienstleister zusammen. Hier steht kein Produkt, sondern eine Dienstleistung im Fokus. Das Unternehmen war auf der Suche nach Pflegepersonal, was bekanntermaßen sehr schwer zu finden ist und hatte nach nur einer gebuchten Story direkt 15 Bewerbungen erhalten. Ein toller Erfolg für das Unternehmen.

Wie viel Geld steckt im Social-Media-Marketing?

Das Budget ist in den vergangenen Jahren um 67 Prozent gestiegen. 2017 lag es noch unter einer Milliarde Euro, 2018 wurde die Milliarde geknackt. Inzwischen wird in Deutschland weit über einer Milliarde Euro jährlich für das Marketing mit Influencern ausgegeben. Das ist natürlich ein riesiger Batzen. Daran sieht man, wie stark Marken in diesen Bereich investieren.

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Und die Entwicklung, die diese Branche erlebt hat. Es geht längt nicht mehr nur um Bilder-Postings. Wie haben Sie diese Veränderung erlebt?

Als ich mich 2015 erstmals beruflich mit dem Thema stark beschäftigte, steckte dieser Bereich noch in den Kinderschuhen. Marken wussten nicht genau, wie sie Influencer für ihr Produkt nutzen sollten oder welche Budgets ein Influencer bekommt. Und auch die Influencer wussten nicht, was ein Posting bei ihnen eigentlich wert ist. Viele Marken fingen an, Produkte wie eine Uhr, als Gegenleistung für ein Posting oder eine Story zu verschenken. Das war die übliche Herangehensweise, bis sich das Business professionalisierte.

Unternehmen nutzen die Reichweiten der Influencer

  • Influencer haben in sozialen Netzwerken eine hohe Reichweite. Diese wird inzwischen von Unternehmen genutzt.
  • Wie viel Geld ein Influencer für ein Posting oder eine Story erhält, lässt sich laut Tessa Saueressig nicht pauschal beantworten. Grob geschätzt erhalte ein Influencer mit 100.000 Followern für eine Story circa 500 und ein Posting circa 1000 Euro. Aber das sei ganz unterschiedlich und von vielen Faktoren abhängig, betont sie.

Was hat sich sonst verändert?

Das Posten ist längst nicht mehr so frei wie früher, sondern zu einem richtigen Business geworden. In Deutschland gibt es zum Beispiel die Kennzeichnungspflicht. Selbst wenn der Influencer mit einem selbst gekauften Outfit auf einem Foto zu sehen ist, muss er „Anzeige wegen Markierung“ schreiben, weil er in diesem Moment durch seine Reichweite die verlinkte Marke bewirbt. Influencer, wie Cathy Hummels, haben sich dagegen bereits gewehrt, es gab verschiedene Urteile. Das zeigt: Es ist ein so neuer Bereich, dass keiner genau weiß, wie man es richtig macht.

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Bei Influencern denkt man schnell an junge Menschen – etwa um die 20 Jahre. Ist das so?

Von den Influencern, die wir unter Vertrag haben, ist die jüngste tatsächlich 20, die älteste Influencerin ist Anfang 60. Auch über 40-Jährige haben Instagram als inspirierendes Tool für sich entdeckt. Das ist außerdem eine Zielgruppe, die sehr kaufkräftig ist. Es gibt da also keine Grenzen.

Wie sollte jemand gestrickt sein, der im Social-Media-Marketing erfolgreich sein möchte?

Ein eigener Typ. Der Influencer sollte Menschen mitreißen aber auch empathisch sein können, so dass die Follower dieser Person gerne zuhören und das Gefühl haben: Dieser Mensch ist so spannend, hat so viel zu erzählen und gibt Tipps – ich möchte an seinem Leben teilhaben, sogar wissen, was er oder sie im Supermarkt einkauft. Außerdem: kreativ sollte ein Influencer sein, ein gutes Auge für Farben, Formen und Styles haben. Das ist für den Inhalt auf seinem Kanal essenziell. Also gewissermaßen sollte er oder sie Star-Charakter haben, ein Künstler sein.