Düsseldorf. Die 27-jährige kurdische Aktivistin Zîn setzt sich in Düsseldorf für Frieden und die Freiheit der Kurden ein.
Der türkische Angriff auf die Kurdengebiete im Norden Syriens sorgte international für Kritik. Auch in Düsseldorf protestieren kurdische Aktivisten und ihre Unterstützer weiterhin gegen den Einmarsch der Türkei in das von den Kurden ausgerufene autonome Gebiet „Rojava“. Auf Kurdisch bedeutet der Name „der Westen“. Eine dieser Aktivisten ist Zîn. Die 27-jährige Kurdin lebt seit elf Monaten in Deutschland. Ihren echten Namen (der Redaktion bekannt) möchte sie nicht veröffentlicht wissen. Zu groß ist die Angst vor den nationalistischen Anhängern des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan. Zuvor lebte und arbeitete sie im autonomen Gebiet Rojava.
Verletzt bei Rettungsaktion
Ursprünglich stammt Zîn aus der südost-türkischen Stadt Diyarbakir und studierte dort. Die kurdische Bevölkerungsmehrheit in der Region nennt die Stadt „Amed“. 2014 griff die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Syrien die direkt an der türkischen Grenze liegende Stadt Kobanê an. Zîn entschloss sich, in die Stadt Soruç, die auf der anderen Seite liegt, zu gehen, um dabei zu helfen, Zivilisten aus dem vom IS unter Beschuss stehenden Kobanê zu retten. Durch ein in der Nähe einschlagendes Geschoss wurde sie am Arm, der Schulter und am Bein schwer verletzt. Einige der Frauen und Kinder, die sie aus Kobanê holen wollte, kamen bei dem Angriff ums Leben.
Aufklärung in Deutschland
In die Türkei konnte sie danach nicht mehr zurück. Sie befürchtete, als Terroristin bezeichnet und verhaftet zu werden. So wurde sie nach al-Malikyia (kurdisch: Dêrik), in der Region Jazira (kurdisch Cizîrê) im Nordosten Rojavas, gebracht und dort versorgt. Anschließend begann sie, in der Stadt im Bildungsbereich zu arbeiten. Nachdem Erdogan Anfang 2018 mit einem Einmarsch in das autonome Kurdengebiet drohte, floh Zîn nach Deutschland. Hier schloss sie sich anderen kurdischen Aktivisten an. „Wir wollen die Errungenschaften der Revolution in Rojava erhalten. In Deutschland will ich die Leute aufklären, damit wir gemeinsam einen weiteren von der Türkei ausgeführten Genozid verhindern können“, erzählte Zîn.
Regelmäßig demonstriert sie mit anderen Aktivisten in Düsseldorf. Oft stehen sie mit einem Infostand auf dem Bertha-von-Suttner-Platz am Hauptbahnhof und protestierten vor dem dortigen US-amerikanischen Konsulat gegen den Rückzug der amerikanischen Truppen aus den Kurdengebieten. Sie demonstrierten am Düsseldorfer Flughafen und vorm Hauptbahnhof. Auch zum WDR seien sie bereits gegangen und hätten sich dort in direkten Gesprächen für eine bessere Berichterstattung über die Ereignisse in Nord-Syrien einzusetzen. „Angesichts der türkischen Angriffe sind die Berichte nicht ausreichend. Es sollte mehr darüber berichtet werden“, forderte Zîn.
Mehr Menschen erreichen
Doch zu oft, das kritisiert Zîn, sind die kurdischen Aktivisten unter sich. Trotz der großen Solidarität, die sie aus einem großen Teil der Gesellschaft erfahren. „Redebeiträge und Slogans sind zu oft noch auf Kurdisch. Wir wollen den Menschen daher mehr Inhalte auf Deutsch vermitteln“, erklärt Zîn. „Wir wollen nun vor allem junge Düsseldorfer erreichen und auch auf die verschiedenen Glaubensgemeinschaften zugehen. Die hier, wie in Rojava, wollen wir mit allen gemeinsam in Frieden leben.“
Hoffnung schöpfe sie, wenn sie sieht, wie zahlreiche Passanten immer wieder an den Kundgebungen der Kurden stehen bleiben. „Man sieht, dass die Menschen sich für das Thema interessieren“, sagt sie. Doch auch negative Erfahrungen musste die junge Kurdin bei ihren politischen Aktionen machen. Immer wieder käme es vor, dass Erdogan-Anhänger auftauchten, die Aktivisten bedrohten und beleidigten. „Wir wollen uns aber nicht provozieren lassen“, sagt sie.
Dass der türkische Angriff auf Rojava von vielen Staaten diplomatisch verurteilt wurde, sieht Zîn als Erfolg der Proteste von Kurden in diesen Staaten. „Um die türkische Besatzung zu beenden braucht es aber vor allem harte Sanktionen“, fordert sie. „Denn es bringt nicht viel nur die Waffenexporte einzuschränken oder zu stoppen. Waffen bekommt die Türkei immer noch genug aus Katar oder Aserbaidschan.“
Krieg gegen die moderne Demokratie
Warum Erdogan in Nord-Syrien einmarschierte, begründet Zîn einerseits mit den Erdölvorkommen in diesem Gebiet, die derzeit von den Kurden bewirtschaftet werden. „Vor allem aber ist das ein Krieg gegen die moderne Demokratie“, sagt sie. „Kräfte wie wir Kurden, die sich gegen Ausbeutung und Unterdrückung wehren, werden von Autokraten angegriffen. Denn in Rojava wurde gezeigt, dass es diese autoritären Systeme nicht alternativlos sind.“
Direkte Forderungen stellt sie jedoch nicht. „Wir haben zu oft gesehen, dass man uns im Stich gelassen hat und nicht geholfen hat“, kritisiert sie. „Deswegen rufen wir die Menschen auf, uns zu unterstützen und nicht die Staaten. Deswegen wollen wir den Leuten die Bedeutung dessen, was in Rojava aufgebaut wurde nahebringen“, so Zîn weiter. „Die Menschen sollen sehen, dass die Völker, die in der Vergangenheit Opfer von Völkermorden wurden, sich in Rojava zusammengeschlossen haben. Diese Gemeinschaft ist ein Luftschnappen in all der Gewalt.“
Geschichte darf sich nicht wiederholen
„Für uns ist es sehr wichtig, dass die Leute zu unseren Demonstrationen kommen. Die hohen Teilnehmerzahlen sind ein Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit“, sagt Zîn. „Es müssen aber noch mehr werden. Denn nur so können wir alle verhindern, dass ein weiterer Völkermord vor unseren Augen stattfindet“, mahnt sie. „Die Geschichte darf sich nicht wiederholen. Wir sind alle dafür verantwortlich das zu verhindern.“
Trotz der zunehmend schlechten Lage für die Kurden in Nord-Syrien, wollen sie sich jedoch nicht entmutigen lassen. „Wir werden weiterhin jeden Abend um 18 Uhr am Hauptbahnhof demonstrieren und freuen uns, wenn viele Menschen dazu kommen.“