Düsseldorf. Die Zahl rechtsextremer Straftaten hat insgesamt abgenommen, die Polizei verzeichnet aber mehr Körperverletzungen.
Der Attentäter in Halle war schwer bewaffnet und wollte möglichst viele Juden töten. Da er an sie in der Synagoge nicht herankam, tötete er zwei Menschen auf der Straße. Neben solch gut vorbereiteten HassTaten gibt es immer wieder eher spontane Übergriffe gegen Juden oder Ausländer, die schlimm enden können. Ein Mann wird ins Gesicht geschlagen, schlägt mit dem Hinterkopf auf dem Boden auf – dabei kann er schwer verletzt werden oder sterben. So geschehen in Düsseldorf.
Die wichtigsten Fakten
Aber wie haben sich die Zahlen entwickelt, wie agiert die Polizei und wie stark ist die Prävention? Die wichtigsten Fakten:
Der Trend Immer öfter werden Juden beleidigt oder bedroht, zuweilen auch angegriffen. Das bestätigt Michael Szentei-Heise, seit 33 Jahren Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. „Viele Gemeindemitglieder berichten mir von solch ekelhaften Situationen, dass sie etwa auf der Straße angepöbelt werden, wenn sie einen Davidstern tragen“, sagte der Jurist im Sommer im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Beschimpfungen geschähen viel häufiger als noch vor fünf Jahren, sie reichten bis zum Wort Scheißjude. Fast täglich erhält Szentei-Heise Mails, in denen gegen den „Erinnerungsterror“ gewettert, aber auch beleidigt oder bedroht wird. Dies geschieht immer öfter mit Klarnamen.
Auch in den Schulen nimmt der Druck zu, wie sich bei einem Gespräch von Mitarbeitern des städtischen Zentrums für Schulpsychologie mit jungen Juden und ihren Eltern zeigte. „Du Jude“ werde als Schimpfwort salonfähig, sagt Schulpsychologin Anja Niebuhr.
Die Zahlen Im vorigen Jahr gab es in Düsseldorf laut Landesinnenminister 21 antisemitische Straftaten, darunter zwei Körperverletzungen. Mehr Fälle gab es nur in Köln (28) und Dortmund (34), das bekannt ist für seine aktive rechte Szene.
Den stärksten Zuwachs verzeichnete die Düsseldorfer Polizei bei Beleidigungen, zehn Mal kam es 2018 dazu, in den Vorjahren nur maximal zwei Mal. Diese Entwicklung passt zu den Schilderungen aus der Jüdischen Gemeinde. Noch immer ermittelt wird im Fall des Rabbiners Chaim Barkahn, der im Juni auf der Collenbachstraße als „Scheißjude“ beschimpft wurde und sich bedroht fühlte. Trotz Kameraüberwachung konnte auch die rund zehnköpfige Tätergruppe nicht ermittelt werden, die in der Altstadt einen 17-Jährigen mit Kippa auf dem Kopf im Juli 2018 beleidigte und anrempelte.
Die Zahl der rechtsextremen Straftaten in Düsseldorf insgesamt hat sich jedoch verringert (siehe Grafik), was vor allem am Rückgang bei der Verwendung verbotener politischer Propaganda oder Zeichen liegt. Auch die Zahl der Volksverhetzungen oder Beleidigungen durch Rechtsextreme lag 2018 niedriger als im Vorjahr.
Die Polizei Diese Entwicklung ist kein Grund, sich zurückzulehnen. Im Gegenteil. Polizeipräsident Norbert Wesseler nimmt wie viele andere kritische Beobachter wahr, „dass es gärt“. Er fühlt sich an die Situation in Dortmund erinnert, wo er ebenfalls Polizeipräsident war. Dort übernahmen Rechtsgesinnte quasi einen Stadtteil und gründeten die Partei „Die Rechte“, die als neonazistische Kleinstpartei eingeordnet wird. In anderen Städten gibt es Entwicklungen von „Bürgerwehren“ rechter Provinenz, etwa in Essen, Mönchengladbach und Herne. In Düsseldorf hat sich die „Bruderschaft Deutschland“ formiert, die 60 bis 70 Personen sind der Polizei bekannt. Vor allem in Eller und südlichen Stadtteilen laufen die Männer (gerne muskulös und kurze Haare) Patrouille, sie ließen sich im Sommer auch am Rheinbad blicken, wo Jugendliche mit Migrationshintergrund für Chaos gesorgt hatten.
Die Prävention Wesseler fordert die Bürger auf, die Polizei zu rufen, wenn es zu Drohungen oder Pöbeleien kommt. Die Bruderschaft etwa hat Passanten auf offener Straße provoziert, die Polizei nahm dann alle Personalien auf.
Anders gelagert ist die Situation an den Schulen. Das Zentrum für Schulpsychologie arbeitet mit vielen Initiativen und Institutionen zusammen, im Büro des Oberbürgermeisters ist eigens eine Stelle eingerichtet worden, die sich um Antisemitismus kümmert. Kinder mit muslimischen Hintergrund, die antisemitisch geprägt sind, zeigen dies auch in der Schule. Sie sollen im Unterricht angesprochen werden, gegenseitiges Verständnis und Toleranz lernen. Ein fünfstufiges Präventionskonzept ist aufgelegt, Lehrer sollen intensiver geschult werden und als letztes Mittel Strafanzeige erstatten, wenn es zu antisemitischen Vorfällen kommt.