Düsseldorf. Den spektakulärsten Fall einer verhinderten Baumfällung gab's bei der „Himmelgeister Kastanie”, die mittlerweile überregionale Bekanntheit erlangt hat. Anwohner der Siedlung Freiheit protestierten, als eine ihnen liebgewonnene Platane weichen sollte.
Eine Oberkasselerin kettete sich sogar an einen Baum, um ihn zu retten. Mehr als ein Dutzend Mal wehrten sich Bürger in den vergangenen zwei Jahren vehement, als das Gartenamt mit Axt und Kettensäge anrücken wollte. „Kein Baum wird willkürlich gefällt. In jedem Einzelfall muss abgewogen werden, ob er noch standsicher genug ist. Aber immer gilt: Die Sicherheit hat absolute Priorität”, betont Gründezernentin Helga Stulgies.
Von der Wurzel bis zur Krone
Das Gartenamt kümmert sich um 200 000 Bäume in den städtischen Parks und 56 000 Straßenbäume. 500 bis 600 Gehölze werden jedes Jahr gefällt, im Gegenzug rund 800 neue gepflanzt. Verkehrssicherungspflicht heißt das juristische Schlagwort. „Umstüzende Bäume vor allem an Straßen, aber auch in Parks bedeuten eine erhebliche Gefahr”, sagt Stulgies. Deshalb werden Buchen, Eichen, Kastanien und Co. regelmäßig überprüft.
Elf Bezirksmeister sind im Einsatz, um jeden Baum mindestens einmal im Jahr zu kontrollieren, von der Wurzel bis zur Krone. Verfärbungen der Rinde können zum Besipiel Hinweise auf einen Pilzbefall geben. Die Experten greifen auch zum Hammer und klopfen den Stamm ab.
„Gefahr im Verzug”
Ein eher dumpfes Geräusch verrät: An dieser Stelle ist der Baum morsch. Ein weiteres Hilfsgerät ist der Resistograph. Mit diesem Handbohrer ziehen die Fachleute Proben aus dem Inneren des Stamms, um sie zu untersuchen. Die Bezirksmeister dokumentieren anschließend die Schädigungen. Dann rücken Mitarbeiter einer 20-köpfigen Spezialkolonne aus, um die Rinde zu versorgen oder Äste zu beschneiden. Meldet ein Bezirksmeister „Gefahr im Verzug”, nimmt ein zweiter Experte den Baum genau unter die Lupe. Erst wenn dieser zum gleichen Ergebnis kommt, wird eine Fällung genehmigt.
Bei besonders prachtvollen, alten Gehölzen oder wenn die Fachleute sich nicht sicher sind, zieht das Gartenamt einen vereidigten Sachverständigen der Landwirtschaftskammer hinzu. Dieser macht weitere Spezialuntersuchungen, wie zuletzt im Ostpark.
Hier schwächelten drei mächtige, 30 Meter hohe Roteichen und drohten auf den Gehweh zu kippen. Benachbarte Bäume waren Sturm Kyrill zum Opfer gefallen, weshalb die Eichen, die in städtischen Parks bis zu 120 Jahre alt werden können, nun stärker dem Wind ausgesetzt sind. Hinzu kam ein straker Pilzbefall, der weder mit natürlichen noch chemikalischen Mitteln zu bekämpfen ist. Doch nach statischen Berechnungen Berechnungen gab's Entwarnung: „Wir mussten Äste und Zweige, vor allem im Bereich der Krone um 15 Prozent kappen. Jetzt ist die Standfestigkeit wieder garantiert. Schon ein Rückschnitt um zehn Prozent verbessert die Statik eines Baumes um 400 Prozent”, erläutert Axel Rendenbach vom Gartenamt.
Post aus
aller Welt
Erst vor zwei Wochen schlugen die „Prachtkäfer” an der Harffstraße in Wersten zu, gingen 26 Weißdornen derart zu Leibe, dass diese akut auf die Straße zu dtürzen drohten. Die Stadt ließ sie sofort fällen. Künftig werden sie durch widerstandsfähigere Nussbäume ersetzt.
„Erstaunlich viele Menschen haben sehr innige Beziehungen zu Bäumen. Sie reagieren sensibel, wenn ein Gehölz weichen muss, bei dem die Schädigung nicht offensichtlich erkennbar ist”, sagt Gartenamtsleiter Manfred Krick. Deshalb will er künftig die Bürger besser informieren. Wenn ein Baum weichen soll, heftet ein Mitarbeiter einige Tage zuvor ein Informationsschreiben daran, versehen mit einer Telefonnummer für Nachfragen.
Bei der „Himmelgeister Kastanie” ist es bekanntlich gelungen, sie zu erhalten, allerdings erst nach Bürgerprotesten. Eine nochmalige Expertenuntersuchung ergab: Sie war gar nicht vom gefährlichen Brandkrustenpilz befallen. Durch die Rettung bekam sie - unter kreativer Mithilfe einiger Baumfreunde - mystische Kräfte. Mittlerweile hat die Kastanie einen Baumgeist, einen Briefkasten und erhält Post aus der ganzen Welt.