Düsseldorf. . Die Gentrifizierung in Düsseldorf geht weiter: Bewohner an der Bunsenstraße bekamen in vier Jahren die dritte Mieterhöhung. Nun haben sie genug.

Die Fassade könnte etwas neue Farbe vertragen, hier und da bröckelt der Putz, und es ist sicherlich nicht immer alles optimal im Altbau an der Bunsenstraße 12. Dennoch: Die Mieter wohnen gerne dort. Sie lieben ihr Haus, haben in Eigenregie Renovierungsmaßnahmen übernommen, sogar einen Garten gestaltet, um sich so ein schönes Zuhause zu schaffen. Doch nun quälen sie Sorge und Angst. Die Alteingesessenen befürchten, verdrängt zu werden.

Miete sollte zum dritten Mal erhöht werden

Zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren sollte nämlich die Miete erhöht werden. In dem Haus wohnt auch Streetworker Oliver Ongaro, der sich neben Fiftyfifty auch im „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ engagiert. Und der will sich das nicht bieten lassen.

Denn die Mieten waren lange Zeit niedrig. Viele Jahre lang sind an dem Haus keine Instandhaltungsmaßnahmen vom Vermieter durchgeführt worden. Vor vier Jahren kam dann jedoch die erste Mieterhöhung um 15 Prozent, die zweite im vergangenen Jahr – ebenfalls um 15 Prozent. Letztere wurde mit dem anstehenden Hausverkauf begründet. Mit dieser Erhöhung würde der neue Eigentümer, Lodde Immobilien, daran gehindert, die Miete erneut zu erhöhen, soll der damalige Vermieter erklärt haben.

Mieter haben Angst vor Klage der Immobilienfirma

Doch nach dem Verkauf des Hauses der Schock: Die Miete sollte erneut erhöht werden. Je nach Wohnung liegen die Preise bei 6,80 und acht Euro pro Quadratmeter.

Das Verhalten des Immobilieninvestors Frederic Lodde macht die Mieter stutzig. „Es wollten mal drei Leute von der Hausverwaltung vorbeikommen. Ich habe extra meine Kinder gebeten, vor Ort zu sein. Letzten Endes kam nur der Hausmeister und wollte in meine Wohnung und Fotos machen“, berichtet die 81-jährige Renate Röder, die seit 61 Jahren in dem Haus wohnt. Das habe sie ihm aber auf Rat der Kinder verwehrt. Auch andere Bewohner erzählen von ähnlichen Erfahrungen. Manch einer hatte auch Angst, dass sie von der Immobilienfirma verklagt werden, wenn sie nicht auf die Mieterhöhung eingehen. „Ich bekomme eine Witwenrente. Mit der Rente kann ich jetzt gut auskommen, aber wenn die Miete weiter erhöht wird, bin ich eine arme Frau“, so Röder weiter.

Riesiger Renovierungsstau im Hais

Doch die Mieter wissen: Es gibt einen riesigen Renovierungsstau im Haus. Der vorherige Besitzer hatte sich wenig gekümmert, so Ongaro. Renate Röder etwa verfügt nur über einen Heizkörper in ihrer Wohnung – und für den hat sie selbst gesorgt. Andere monieren, dass es teilweise noch Einfachverglasung gibt, Treppenhaus, Keller, Speicher und Rohre müssten gemacht werden. Raus wollen sie jedoch nicht. „Wir fühlen uns hier wohl“, betont Marlies Kirchholtes, die selbst seit 54 Jahren in dem Haus wohnt. Und selbst wenn sie rausgehen würden – „einen Ersatz würden wir so schnell nicht kriegen“, meint Jens Hurrask.

Daher sind sie froh, dass sie mit Oliver Ongaro einen im Haus wohnen haben, der im Widerstrand erprobt ist und die anderen Mieter ermutigt, sich zu wehren. Ongaro weiß: „Vielen fällt es schwer, wenn jemand mit Anwalt oder Gericht droht, was zu sagen.“

Ur-Düsseldorf werden vertrieben

Und einen kleinen Schritt weiter sind sie schon: Als Ongaro die Medien eingeschaltet hat und der WDR bei Lodde nachhakte, schien das Wirkung zu zeigen: Lodde zog am Dienstag die letzte Mieterhöhung zurück. Dennoch wünscht man sich nicht nur an der Bunsenstraße endlich eine feste Grenze bei Mieterhöhungen und eine Zweckentfremdungssatzung. „Es kann nicht sein, dass Ur-Düsseldorfer, die seit Jahrzehnten hier wohnen, von 30-jährigen Spekulanten vertrieben werden, die zu viel Geld haben“, so Ongaro.

Die Stadt sieht sich jedoch etwas außen vor. „Eine Mieterhöhung kann alle drei Jahre um bis zu 15 Prozent bis zum Erreichen der ortsüblichen Vergleichsmiete zulässigerweise ausgesprochen werden“, kommentiert ein Stadtsprecher. Die Zulässigkeit dieser Mieterhöhungen könne aber durch Institutionen der Privatwirtschaft – wie etwa – Rechtsanwaltskanzleien oder dem Mieterverein Düsseldorf – überprüft werden. Im Klageverfahren ist dann die Amtsgerichtsbarkeit in Düsseldorf zuständig.

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Es ist auch nicht das erste Mal, dass Lodde für Ärger sorgt. Auch an der Bruchstraße in Flingern hat die Firma einen Altbau erworben. Dieser soll abgerissen werden. Die Bezirksvertretung stoppte zwischenzeitlich die Abrissgenehmigung. Den Mietern sollen nun Ersatzwohnungen angeboten worden sein. In Köln soll ebenfalls ein Haus von Lodde gekauft worden sein – und die Miete um 85 Prozent erhöht, so Ongaro.

>> WORKSHOP IN DER CHRISTUSKIRCHE

In der Christuskriche an der Kruppstraße 11 findet am 3. Juli, 19 Uhr, ein Workshop des Bündnisses bezahlbarer Wohnraum statt. Sie wollen damit Mieter darüber informieren, wie Wohnungskonzerne funktionieren und sie unterstützen. Ongaro: „Es ist wichtig, die Menschen zu erreichen, Vertrauen aufzubauen und den Weg durchzukämpfen, wenn es um Wohnungen geht.“

Einsatz für die gute Sache – Ein Kommentar von Stephan Wappner 

Man könnte jetzt sagen, dass Streetworker Oliver Ongaro zum wiederholten Mal die Öffentlichkeit benutzt, um halb-private Angelegenheiten zu bearbeiten. Als er 2017 mit einer OSD-Mitarbeiterin aneinandergeraten war und der Streit schließlich vor Gericht kam, stellte er sich an die Spitze einer Anti-OSD-Kampagne. Das brachte ihm Kritik ein. Jetzt wohnt er in dem Haus, das von einer Immobilienfirma im großen Stil aufgekauft werden soll. Und wieder geht er an die Öffentlichkeit.

Ist das jetzt Eigennutz? Wird sich Ongaro verheizen? Vielleicht, aber das ist eigentlich nicht relevant. Denn der Streetworker setzt sich für die gute Sache ein, sagt der Gentrifizierung den Kampf an. Er und die Mitstreiter von der Bunsenstraße wollen ihr Viertel nicht kalten Spekulanten überlassen. Richtig so!