Düsseldorf. . Düsseldorfer Unternehmen präsentieren ihre Firmenhistorie im Netz von der besten Seite. Verbrechen aus der NS-Zeit werden dabei oft ausgeblendet.

Am vergangenen Wochenende wurde an die massenhafte Ermordung von Juden im Vernichtungslager Auschwitz erinnert. „Nie wieder“, hieß es zu den Verbrechen des Nationalsozialismus von Vereinen und Institutionen aus ganz Deutschland. Zeitgleich läuft in NRW eine Debatte zu einem der zahlreichen Opfer von Auschwitz: Der Metzger Jakob Meyer wurde durch die Nazis enteignet und ermordet. Nutznießer soll die bis heute bekannte Bochumer Fleischerei Dönninghaus sein, die das jedoch bis heute in Ihrer Firmengeschichte unerwähnt lässt.

Die zurückhaltende Geschichtsaufarbeitung Deutscher Unternehmen ist auch in Düsseldorf allgegenwertig. Die Industrie-Riesen Henkel, Rheinmetall und Mannesmann zeigen, wie sie auf sehr unterschiedliche Art mit ihrer Vergangenheit im Nationalsozialismus umgehen:

Die Firma Henkel veröffentlichte zuletzt zum 140-jährigen Bestehen 2016 eine umfassende Unternehmenschronik. Online zeigen Zeitstrahl und interaktive „Zeitreise“ die „Erfolgsgeschichte“ des Unternehmens. Kaum Erwähnung findet Henkels Geschichte als „nationalsozialistischer Musterbetrieb“. Dazu gehörte die Beschäftigung von mehr als 500 Zwangsarbeitern sowie die Bevorzugung von Regime-treuen Angestellten. Inhaber Hugo Henkel trat 1933 der NSDAP bei und wurde auf Vorschlag des damaligen Gauleiters von 1934 bis 1942 Mitglied im Gemeinderat. Versteckt auf der Firmen-Website ist bei Henkel in einer Chronik lediglich der Verweis auf Zwangsarbeit und der Bezeichnung als „Musterbetrieb“ zu finden.

Henkel verwehrte Einlass ins Unternehmensarchiv

So wie beim Bochumer Fall Bönninghaus hält es Professor Peter Hayes von der Northwest University im US-Amerikanischen Illinois zudem für wahrscheinlich, dass Henkel von der Enteignung von Juden profitierte. So etwa bei dem Kauf von Anteilen des damaligen Degussa-Chemiekonzerns: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass einige Anteile, die Henkel kaufte auf dem Markt waren, weil sie von deutschen Juden konfisziert wurden. Das ist jedoch kaum nachzuverfolgen“, sagt der Experte auf NRZ-Anfrage.

Der Historiker Heyes forschte zu antisemitischen Verbrechen von deutschen Unternehmen und stieß so auf Henkel. Seine Bitte um Einlass ins Archiv wurde gleich mehrfach verwehrt. „Manche Deutsche Unternehmen haben ab den 1990er mit unabhängigen Forschern ihre Geschichten aus der Nazi-Era erzählt. Familienunternehmen sind ablehnender. Mein Eindruck ist, dass Henkel eine der am wenigsten offen und ehrlichen Firmen ist“, schätzt Peter Hayes ein. Eine Anfrage an Henkel blieb bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.

Rheinmetall verweist auf Unternehmens-Chronik

Anders geht das Rüstungsunternehmen Rheinmetall mit der eigenen Vergangenheit um. Auf dessen Website ist der Brief eines ehemaligen Zwangsarbeiters an das Unternehmen zu finden. Die Beschreibungen Sascha A.s aus einem Werk in Derendorf überraschen. „Die deutsch Arbeiter waren gutherzlich und gütigen. Sie gaben uns das Essen“, heißt es aus dem Original in gebrochenem Deutsch auf der Rheinmetall-Website. Der Meister des Zwangsarbeiters soll „sehr streng, aber ehrlich“ gewesen sein. Zu den Umständen für Zwangsarbeiter gibt es kaum Informationen. „Es gibt keine Rechtfertigung für die Beschäftigung von Zwangsarbeitern, wie sie in der Kriegszeit bis 1945 in der deutschen Wirtschaft leider allgegenwärtige Praxis war“, heißt es von Unternehmensseite auf NRZ-Anfrage. Rheinmetall weist darauf hin, dass eine differenzierte Auseinandersetzung in einer schriftlichen Chronik festgehalten wurde.

Besonders zurückhaltend in seiner Darstellung ist das Unternehmen Mannesmann, dass seit 1940 mit dem Mannesmannufer an der Rheinpromenade geehrt wird. Lediglich zwei Sätze veröffentlicht das Unternehmen, das jetzt zur Salzgitter AG gehört, in seiner Chronik: „Die 1930er und 1940er Jahre waren auch bei Mannesmann von der Rüstungspolitik der nationalsozialistischen Regierung geprägt. Während des Zweiten Weltkriegs beschäftigte das Unternehmen zum Ausgleich des Arbeitskräftemangels Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, um die Produktion aufrecht zu erhalten.“

Mannesmann ist besonders zurückhaltend

Unerwähnt bleiben dort die Enteignung jüdischer Unternehmen wie der Stern AG oder der Hahnschen Werke, die der Publizist Kurt Pritzkoleit in den 1960er Jahren aufdeckte. Der britische Yale-Professor Adam Tooze bezeichnete den damaligen Generaldirektor Mannesmanns, Wilhelm Zacher, im Bezug auf Enteignungen deutscher Juden als „einen der habgierigsten Profiteure des Nazi-Regimes.“ Die Salzgitter AG, mittlerweile Inhaber der Mannesmann-Marke, verweist auf das offene Konzernarchiv: „Die Geschichte der heute zur Salzgitter AG gehörenden Unternehmen ist auf unserer Internetseite lediglich als kurzer Überblick dargestellt. Auf Basis von Quellen des Archives sind in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Veröffentlichungen entstanden, die auch die Zeit des Nationalsozialismus und die damals begangenen Verbrechen thematisieren.

Die 1990 veröffentlichte Konzerngeschichte von Mannesmann ‘Kontinuität im Wandel’ oder die von Martin Münzel verfasste Studie ‘Die jüdischen Mitglieder der deutschen Wirtschaftselite’ aus dem Jahr 2004 sind zwei Beispiele, in denen auch die Enteignung von jüdischem Eigentum und die Judenverfolgung ausführlich thematisiert sind.“