Düsseldorf. . Der Düsseldorfer Ratsherr Paul Stieber äußert Kritik an einem aktuellen Vorschlag ohne Widerrufslösung. Abgeordnete verteidigen diesen jedoch.
Wenn Andreas Paul Stieber zur Debatte um Organspenden befragt wird, fällt es dem CDU-Ratsherr aus Düsseldorf schwer, objektiv zu bleiben. Der Bankkaufmann und Unternehmer erkrankte 1994 an einer Niereninsuffizienz und musste regelmäßig an die Dialyse. 2003, neun Jahre später, bekam er dann eine neue Niere.
Den Vorstoß von Gesundheitsminister Jen Spahn, eine sogenannte Widerrufslösung für Organspenden einzuführen, begrüßte der Ratsherr. Demnach müssen Patienten widersprechen, um von einer Organspende ausgenommen zu werden. „Natürlich bin ich dafür, weil es seit vielen Jahren europäische Praxis ist“, sagt Andreas Paul Stieber: „Man kann bei so einer Regelung leicht Widerspruch einlegen.“
Die Widerrufslösung gilt in Spanien, Frankreich, den Niederlanden und 13 weiteren EU-Staaten. Der „Widerruf mit Einspruchsrecht“, so der Fachjargon wird in Belgien, Estland, Finnland, Litauen und Norwegen betrieben. Hierbei müssen bei fehlendem Widerspruch noch die Angehörigen gefragt werden. Diese Version wollte Gesundheitsminister Spahn einführen. Doch einige Monate nach dessen Vorstoß schlugen die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und dem CSU-Abgeordneten Stefan Pilsinger eine neue Maßnahme vor – ohne Widerrufslösung, dafür aber mit deutlich mehr Unterstützung im Parlament. So soll alle zehn Jahre beim Antrag auf einen neuen Personalausweis die Frage zur Organspende miteinbezogen werden. Laut Baerbock böte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung umfassende Informationen, inklusive einer telefonischen Hotline. Der Bürger würde ohne Entscheidung weiter nicht für eine Spende in Frage kommen.
„Mir fällt da eine Ungleichheit bei der Frage auf, wer welche Gesellschaftlichen Rechte in Anspruch nimmt. Viele Kranke warten seit Jahren auf einen Spender und sterben, während sich andere zur Frage der Organspende der Verantwortung entziehen“, kritisiert der Düsseldorfer Ratsherr Andreas Paul Stieber.
Widerruf passt laut Abgeordneten nicht zur Spende
Im Bundestag zweifelt man aber an der Widerrufslösung. Auch die Düsseldorfer Abgeordneten neigen zum alternativen Vorschlag. „Ein Modell, indem alle potenzielle Spender sind, läuft dem Gedanken einer Spende zuwider. Es gibt gute Gründe, warum sich Menschen dazu nicht äußern wollen“, gibt der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Rimkus zu bedenken.
Dem stimmt Rimkus Düsseldorfer Kollegin aus der FDP-Fraktion, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, zu: „Wir in der Fraktion sind gegen eine Widerspruchslösung. Der Staat kann so eine Entscheidung nicht übernehmen. Beim Datenschutz zum Beispiel muss der Bürger immer positiv bestätigen, da können wir das bei einer so persönlichen Entscheidung nicht anders machen.“
Laut der Abgeordneten wurde der Kompromiss bereits in den Gesetzesentwurf des Gesundheitsministeriums eingearbeitet. Eine Abstimmung ist Ende des Monats geplant. Es ginge „in die richtige Richtung“, beurteilt Strack-Zimmermann. Beide Abgeordneten haben einen Organspendeausweis. „Für mich war das wichtig. Außerdem wollte ich meiner Familie diese Entscheidung nicht zumuten“, erklärt Strack-Zimmermann.
Es braucht mehr Aufmerksamkeit
Trotz aller Kritik am aktuellen System sieht Professorin Katrin Ivens, stellvertretende Direktorin des Nieren-Klinikums der Düsseldorfer Uni-Klinik, Organspenden auf einem guten Weg: „Im Vergleich zum Vorjahr wurden 2018 mindestens zehn Prozent mehr Nieren gespendet.“ Viele krude Theorien zur Organspende kursieren, befeuert durch den Spende-Skandal in den Jahren 2010 und 2011, bei denen Mediziner Krankenakten fälschten, um ausgewählte Patienten bevorzugt mit Spenderorganen zu versorgen.
Nieren-Ärztin Karin Ivens stellt die nach ihrer Meinung engen Richtlinien in den Vordergrund: „Geldzahlungen für Angehörige von Spendern werden strafrechtlich verfolgt. Auch gibt es keinen Import von Organen. In besonders dringenden Fällen lassen wir uns schon mal aus dem Ausland beliefern. Das wird aber bilanziert, ein ähnliches Organ muss dann zurück ins Geberland verschickt werden.“
Die positive Spendenentwicklung erklärt sie mit gestiegener Aufmerksamkeit: „Das liegt daran, dass das Thema immer wieder in den Medien behandelt wurde und sich Menschen zwangsläufig damit beschäftigt haben.“ Über ein Ziel sind sich alle Beteiligten in Düsseldorf einig: Es soll noch mehr für die Aufklärung zur Organspende getan werden.
So läuft eine Organspende ab
Der Ablauf einer Organspende, erklärt von Professorin Katrin Ivens von der Uni-Klinik Düsseldorf:
„Der Hirntod eines Patienten wird durch zwei Ärzte unabhängig voneinander diagnostiziert.
Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) wird bei einer Zustimmung zur Spende hinzugezogen. Die Stiftung sendet die Daten zum Spender an das europäische Verteilungsnetzwerk Eurotransplant.
Vergabekriterien, etwa die passende Größe oder Dringlichkeit der Behandlung, entscheiden über den Einsatz des Organs.“