Düsseldorf. . Elisabeth Wilfart, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, hat untersuchen lassen, welche Rolle Frauen im Rat spielen. Sie sind unterrepräsentiert.
Seit 2012 kümmert sich Elisabeth Wilfart (55) bei der Stadt um Gleichstellung von Männern und Frauen – und scheut sich nicht vor harten Wahrheiten wie dieser: Frauen reden im Rat kürzer und seltener als Männer.
Frau Wilfart, das Gleichstellungsbüro hat kürzlich gemessen, wie sich der Redeanteil von Männern und Frauen in den Ratssitzungen verteilt - mit deutlichem Ergebnis. Wie waren die Reaktionen?
Wilfart: Ganz unterschiedlich. Mir ist wichtig, deutlich zu machen, dass die Intention keinesfalls war, den Frauen vorzuwerfen, dass sie zu wenig ans Redepult treten oder umgekehrt die Männer vorzuführen. Ich meine aber, dass man nicht nur über das Thema Gleichstellung reden sollte, sondern auch Daten und Fakten vorlegen und kritische Punkte benennen muss.
Das Ergebnis zeigt ein Missverhältnis.
Wilfart: Ja. Der Frauenanteil unter den 82 Stadtratsmitgliedern liegt ungefähr bei einem Drittel. Wir haben anhand der Sitzungen im Juni und Juli angeschaut, wie oft Männer und Frauen sich jeweils zu Wort melden und wie lange ihre Beiträge im Vergleich sind. In der Juni-Sitzung lag der Anteil der Frauen bei Redebeiträgen und der Länge jeweils in etwa bei einem Drittel. Im Juli haben Männer sogar noch mehr der Gesamtredezeit eingenommen. Der Frauenanteil ist übrigens im Vergleich zu anderen Parlamenten gar nicht schlecht, der Frauenanteil im Landtag zum Beispiel liegt in der laufenden Wahlperiode gerade einmal bei 27 Prozent.
Wie kamen Sie überhaupt darauf, das zu untersuchen?
Wilfart: Ich bin seit sechs Jahren wegen meiner Funktion im Rat dabei und beobachte natürlich die Kommunikation. Den Ausschlag gab, dass sich zwei Nachwuchskräfte für den Rat interessierten. Sie haben in den Sommerferien die Videoaufzeichnung, die im Internet abrufbar ist, ausgewertet.
Wie erklären Sie sich die Zahlen?
Wilfart: Mir fällt auf, dass Frauen oft ans Redepult treten, um ihr Thema vorzustellen. Das tun die Männer auch, bei ihnen beobachte ich aber noch ein anderes Phänomen, das ich als „reflexhaftes Antworten“ bezeichnen möchte. Dabei geht es gar nicht so sehr um neue Argumente, sondern darum, sich und die eigene Position durch einen Redebeitrag sichtbar zu machen. Präsenz schafft Bedeutung.
Machen die Männer also etwas falsch?
Wilfart: Nein, es geht nicht um falsch und richtig, sondern darum, sich eingeschliffene Gewohnheiten in der Kommunikation bewusst zu machen. Der Rat trifft schließlich Entscheidungen, die für Männer und Frauen wichtig sind, ob Straßenbau oder Kita-Plätze.
Man kann sich die Redeanteile aber vielleicht einfach dadurch erklären, dass drei der sechs Fraktionen von Männern geführt werden, darunter die größten: CDU und SPD. Dazu kommen zwei gemischte Doppelspitzen, nur die kleinste Fraktion Tierschutz/Freie Wähler hat eine weibliche Doppelspitze.
Wilfart: Stimmt! Es geht auch um Führungskultur. Frauen sind unterrepräsentiert. Ich höre oft das Gegenargument, dass es in Deutschland eine Kanzlerin gibt. Man macht aber keine Marzipantorte, indem man einen Marmorkuchen backt und eine Marzipankugel auf die Spitze setzt. Andererseits geht die Gleichstellung natürlich nicht automatisch nach vorne, wenn eine Frau mehr an die Spitze rückt. Auch Männer können etwas tun.
Wollen Sie mehr Frauen-Quoten?
Wilfart: Nicht nur. Ich fordere vor allem ein stärkeres Bewusstsein für Geschlechtergerechtigkeit in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Es wäre schön, wenn auch bei uns in Düsseldorf mehr weibliche Vorbilder sichtbar würden. Denn das motiviert andere Frauen. Ich erlebe durch meinen 20 Jahre alten Sohn, dass die junge Generation da weiter ist als wir. Dort gibt es viele unheimlich selbstbewusste Frauen und auch Männer, denen eine Partnerschaft auf Augenhöhe wichtig ist
Sie sind seit 2012 die städtische Gleichstellungsbeauftragte. Hat sich seitdem in der Stadtverwaltung etwas geändert?
Wilfart: Ja. Der Anteil der weiblichen Amts- und Institutsleiter hat sich erheblich erhöht und liegt nun bei etwa 33 Prozent. Wir treffen mit jedem Amt und jedem Institut eine Zielvereinbarung zum Abbau von Unterrepräsentationen, zur Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf und zu Maßnahmen gegen Diskriminierung. Dadurch nehmen wir die Führungskräfte in die Pflicht. Natürlich muss jede Abteilung im Detail angeschaut werden, die Grundsituation im Aquazoo ist sicher anders als im Katasteramt.
Was passiert denn, wenn sich ein Amt nicht an die Vereinbarung hält?
Wilfart: Das Gesetz sieht keine Sanktionen vor. Unsere Hauptaufgabe ist daher, ein Bewusstsein zu schaffen. Ich kann niemanden zwingen.
Nicht mal jeder zehnte Fahrer der Rheinbahn ist weiblich. Unternimmt das Unternehmen genug dagegen? Eigentlich fehlen ja Fahrer.
Wilfart: Ich finde es gut, dass Arbeitsdirektor Klaus Klar das Thema jetzt angehen will. Bei allen Fahrbetrieben gibt es mehr Männer als Frauen, es gibt aber welche mit einem höheren Frauenanteil als die Düsseldorfer.
Was machen die anders?
Wilfart: Die Arbeitgeberin muss gucken, wie sie den Einstieg erleichtern kann. Eine große Herausforderung ist sicher der Schichtdienst. Die Bremer Verkehrsbetriebe zum Beispiel praktizieren sehr erfolgreich ein Modell mit extrem flexiblen Arbeitszeiten. Natürlich geht es auch hier wieder um Vorbilder. Wenn so wenige Frauen in einem Bereich arbeiten, braucht man Eisbrecherinnen. Die Rheinbahn hat sogar eine Tradition als Arbeitgeberin für Frauen.
Woran denken Sie?
Wilfart: Nach dem ersten Weltkrieg gab es Schaffnerinnen, damals wurde das Geld ja noch während der Fahrt eingesammelt. Wir sind auf historische Aufnahmen gestoßen, als wir mit dem Stadtarchiv die Ausstellung “Düsseldorferinnen. Frauen haben Recht(e)” vorbereitet haben.
Was ist dort noch zu sehen?
Wilfart: Wir zeigen, wie Frauen in den vergangenen hundert Jahren in Düsseldorf gelebt haben. Unter anderem haben wir für die Ausstellung nach allen Frauen gesucht, die im Stadtrat gesessen haben. Von vielen haben wir sogar ein Foto gefunden. Anlass ist das 100-jährige Bestehen des Frauenwahlrechts. Man muss sich vorstellen: Vor 100 Jahren hat man Frauen noch erklärt, sie hätten ein kleineres Gehirn und würden sich daher nur für die Rolle der tugendsamen Ehegattin eignen. Das ist eigentlich noch gar nicht so lange her.
>> Ausstellung zu Frauen-Rechten
Bis Freitag, 30. November wird im Rathaus in der Düsseldorfer Altstadt die Ausstellung „düsseldorferinnen. FRAUEN HABEN RECHT(E)“ gezeigt. Die Schau wird vom Gleichstellungsbüro in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv präsentiert. Anlässlich „100 Jahren Frauenwahlrecht in Deutschland“ soll die Ausstellung die gesellschaftliche und politische Entwicklung der vergangenen 100 Jahre darstellen.
In der Ausstellung im Rathaus dienen drei der insgesamt 16 Tafeln der zeitlichen Orientierung und nehmen nationale sowie internationale Entwicklungen in den Blick.
Gezeigt wird auch, was sich speziell für Frauen in Düsseldorf alles getan hat – seit den 1970er Jahren bis heute. Die bebilderte Ausstellung wird durch eine Medienstation ergänzt. Hier sind u.a. vier Interviews zu finden, die mit Frauen aus unterschiedlichen Bereichen der Düsseldorfer Stadtgesellschaft geführt wurden.