Vennhausen/Gerresheim. . Helene Curtens und Agnes Olmans lebten im 18. Jahrhundert auf heutigem Vennhauser Gebiet. Sie starben als Hexen auf dem Scheiterhaufen.
Ihre Hinrichtung im August 1738 war eine öffentliche Schau für den 450-Seelen-Ort Gerresheim: Helene Curtens, 16, und Agnes Olmans, Ende 40 und siebenfache Mutter, verbrannten auf dem Gallberg, einem bewaldeten Plateau in Ludenberg. Sie waren der Hexerei für schuldig befunden worden – im letzten Hexenprozess am Niederrhein.
Das Mädchen und die Frau waren Nachbarinnen – sie lebten beide am Stockgartenfeld, auf heutigem Vennhauser Gebiet. Als sogenannte Honschaft, eine ländliche Verwaltungseinheit, gehörte Vennhausen zum damals eigenständigen Ort Gerresheim.
Sie lebten am Ortsrand
„Beide Familien wohnen am Ortsrand, zwei Kilometer südlich der Stadtmauer. Und zumindest Olmans‘ schaffen es offenbar nicht, in die soziale Gemeinschaft Gerresheims aufgenommen zu werden, sie bleiben wohl gesellschaftliche Außenseiter“, meint Historiker Peter Stegt, der sich intensiv beschäftigt mit dem Gerresheimer Hexenprozess und juristische Gutachten sowie Berichte von 1737/1738 studiert hat.
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„Johann Olmans ist als Tagelöhner auf verschiedenen Höfen und in verschiedenen Orten ständig unterwegs gewesen“ – die Familie kann nicht sesshaft werden. Dieses Abseits hat möglicherweise Magie-Gerüchten um Agnes Olmans Nahrung gegeben. Die folgende Schilderung fußt auf Peter Stegts wissenschaftlichen Ausführungen.
Auslöser für die Magie-Gerüchte um Agnes Olmans und die Anklage der Hexerei: Nach einer Wallfahrt mit ihrer Familie nach Kevelaer erzählt die damals 14-jährige Helene Curtens einigen Nachbarn und Mägden, sie habe auf dem Weg den Teufel getroffen. Er habe ihr Zaubertücher geschenkt, mit denen sie Mäuse zaubern könne. Dies behauptet sie auch gegenüber dem Richter Johann Schwarz, der sie, aufmerksam geworden auf die Gerüchte, zum Verhör vorlädt. Weshalb spricht Helene so? „Ich denke, dass sie psychisch krank war, vielleicht auch geistig zurückgeblieben“, so Peter Stegt, „das vermuten auch andere Historiker“.
Flug mit dem Teufel
Bald darauf berichtet Helene, mit dem Teufel geflogen zu sein und währenddessen die Gespräche der Mägde im Pastorat und im Gasthaus „Zum Ritter“ belauscht zu haben – trotz geschlossener Fenster. Ein weiterer dringender Hinweis auf Hexerei. Auf Nachfragen des Richters beschuldigt das Mädchen auch ihre Nachbarin Agnes Olmans und deren Töchter. Sie habe gesehen, wie die Olmans „sich in Katzen mit dem Theufell verwandelt“ habe.
Auch eine namentlich unbekannte Zeugin will einen Hexen-Flug der Helene beobachtet haben. Sie habe Helene „hangent gesehen“, „oben ahm Gyffel des hauses“. Die Zeugin sei nur zehn Schritte weitergegangen, da sei Helene Curtens wieder unten vor der Tür gewesen und habe sich „ober einen Pütz“, einen Brunnen, gehängt. Peter Stegt hält es für gut möglich, dass die Geschichte der Hexen vom Stockgartenfeld bald Tagesgespräch war in Gerresheim. „Der Ort war damals katholisch geprägt und die beginnende Aufklärung noch nicht bis in die Provinz gedrungen.“
Vater belastete seine eigene Tochter
Zeugen, die Richter Schwarz zu den Vorwürfen anhört – darunter sogar die angeblich belauschten Mägde – bestätigen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen. Auch Kaspar Curtens belastet seine Tochter Helene, indem er von Merkwürdigkeiten auf der Wallfahrt nach Kevelaer erzählt: Zum Beispiel hätten die Pferde gescheut.
Agnes Olmans bestreitet die Hexerei-Vorwürfe, doch dann wird sie gefoltert – mit Beinschrauben. Und bekennt nach wenigen Sekunden, im Herbst 1736 nach einem Streit mit ihrem Mann den Teufelsbund eingegangen und die Zauberei erlernt zu haben. Um ihr Widerrufen zu verhindern, lässt der nun zuständige Düsseldorfer Richter Hofrat Eckarth die Qual noch einige Minuten fortsetzen.
Zweifel bei Richter Schwarz
Insgesamt rund 30 Zeugen hat Richter Schwarz befragt, alle scheinen überzeugt, dass Helene Curtens und Agnes Olmans Hexen sind. Dennoch äußert er in seinen Akten wiederholt Zweifel. „Ich kan aber dises nit glauben ...“, notiert Schwarz einmal, das Zitat ist zugleich der Titel von Peter Stegts veröffentlichtem Aufsatz zu dem Hexenprozess. Dann übernimmt Hofrat Eckarth die Untersuchung. Er gilt als strikter Befürworter von Hexenprozessen und empfiehlt im Sommer 1738 die Hinrichtung der Angeklagten.
Aus heutiger Sicht irritiert der im 18. Jahrhundert verbreitete Hexenglaube sehr, wirkt wie ein unvermeidliches Schicksal. Und zeigt zugleich, wie schnell sich eine gleichsam als Naturgesetz eingestufte Überzeugung verbreiten kann. Zumal sie sich bei den zwei Angeklagten mutmaßlich gegen eine gesellschaftliche Außenseiterin und ein psychisch krankes Mädchen wandte. „Die Menschen damals waren von der realen Existenz von Teufel und Hexerei überzeugt“, sagt Peter Stegt. „Magie galt in der Rechtsprechung als anerkanntes Verbrechen.“
In Zedlers Universal-Lexikon des Jahres 1735 heißt es unter dem Stichwort „Hexerey“: „Da die Gelehrten in der Frage, ob Hexen wahrhaftig wären oder nicht, sehr uneinig sind: so fället es uns bedencklich, durch den Beyfall, welchen wir der einen Partey geben müssen, der andern zu nahe zu treten. Wir enthalten uns vielmehr alles Urtheils und erzehlen nur diejenigen Gründe, welche von beyden Seiten vorgebracht werden.“