Vennhausen. . Von der Geweih-Axt bis zur Blasebalg-Düse: Bei Arbeiten im Vennhauser Veenpark-Viertel entdeckten Archäologen vor 15 Jahren eisenzeitliche Funde.
Das Wohnquartier Veenpark im Vennhauser Osten gehört zu den jungen Düsseldorfer Siedlungen. Vor ungefähr zehn Jahren hatten zwei Investoren-Firmen auf dem ehemaligen Gelände einer Lackfabrik mit dem Vermarkten von rund 120 Ein- und Zweifamilienhäusern begonnen, auch rund 90 Wohnungen in Gebäudekomplexen waren im Angebot. Die gesamte Fläche umfasst rund 6,5 Hektar, das entspricht neun Fußballfeldern.
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Dann die Überraschung: Das neue Viertel gründet auf Spuren einer Jahrtausende alten Siedlung. Im Winter 2003/2004, bei Ausschachtungsarbeiten an der Vennhauser Allee, entdeckten ehrenamtliche Mitarbeiter des Amts für Bodendenkmalpflege im Rheinland zahlreiche Zeugnisse eines Abfallplatzes aus der frühen Eisenzeit – mit mehreren hundert Fundstücken aus Keramik, Holz und tierischer Knochensubstanz. Ganz in der Nähe haben offenkundig vor rund 2500 Jahren Menschen gesiedelt.
Charakter des Funds ist einmalig
Zwar zeigen Ausgrabungen im Raum Düsseldorf, dass das Gebiet in diesem Zeitraum für damalige Verhältnisse dicht besiedelt war. „Doch der Charakter und die Zusammensetzung unseres Funds sind einmalig – eine so alte Mülldeponie wurde hier nirgends entdeckt“, sagt Peter Schulenberg. Der Gerresheimer ist 71, Industriekaufmann im Ruhestand und seit 40 Jahren archäologisch für das Bodendenkmalpflege-Amt tätig. „Es war ein aufmerksamer Anlieger, der in der Baugrube etwas gesehen und dies gemeldet hat. Sonst hätten wir nie von diesem Fund erfahren“, erzählt Schulenberg.
Zur Eisenzeit lebten hier Menschen
Die Eisenzeit reicht etwa von 800 vor Christus bis ins erste Jahrhundert nach Christus, ist so benannt, weil sich in diesem Zeitraum Eisen als Werkstoff für Werkzeuge, landwirtschaftliche Geräte und Waffen durchsetzte. „Als interessantes Unikat und Beleg für Metallverarbeitung haben wir die tönerne Düse eines Blasebalgs gefunden“, so Schulenberg – sie weist hin auf die Anwesenheit eines Schmieds in der Eisenzeit-Siedlung auf heutigem Vennhauser Gebiet.
Doch weshalb hat sich am Ort der Baugrube so eine große Zahl frühgeschichtlicher Zeugnisse angesammelt? Peter Schulenberg: „Hier hat es ein überraschendes Hochwasser gegeben, darauf weist das Aussehen der Sedimentschichten hin.“
Die Fundstelle liegt im Bereich eines Altarms der Südlichen Düssel, also eines etwa durch Sand- oder Kiesbänke vom Hauptfluss abgeschnittenen Flussbetts, das wenig oder kein Wasser führt.
Beobachtungen lassen auf ein Hochwasser schließen
In der ungefähr 40 Meter langen und 30 Meter breiten, bis zu fünf Meter tiefen Abgrabung haben die Bodenforscher eine wild bewegte Schwemmtorf-Lage mit Sand, Kies und Ton ausgemacht.
In dieser Schicht eingelagert: Viele Hölzer, kleine Äste, umgestürzte Baumstämme und -stümpfe, auch Tonplacken einer eingestürzten Uferböschung. „Das verstärkte den Eindruck, dass hier über eine flache Senke ein Hochwasser mit aller Wucht hereingebrochen sein musste, den Abfallberg wenige Meter mitriss, dann dort liegenblieb und von weiteren Sedimentschichten überlagert wurde“, erklärt Schulenberg.
Einblick in den Haushalt in der Eisenzeit
Anzeichen für menschliche Todesopfer durch die Flutkatastrophe haben er und das Bodendenkmalpflege-Teams nicht gefunden – dafür gleichsam eine Schatztruhe voller Artefakte, die Einblick geben in die Haushalte, Speisepläne und Handwerke der Eisenzeit-Menschen. Die Funde sind an das Rheinische Landesmuseum in Bonn gegangen.
„Hauptsächlich haben wir in drei Mulden, planlos durcheinander, mehrere hundert Keramik-Bruchstücke gefunden“, berichtet Schulenberg. Darunter waren Teile von Schüsseln in verschiedenen Größen, manchmal mit Verzierungen. Paradestück: Ein fast vollständig erhaltener Becher mit aufwendigem Querrillen-Muster. Darüber hinaus bezeugen Fragmente von Webgewichten und zwei Handspindeln die Herstellung von Tuch. Die Archäologen entdeckten auch Bruchstücke von Basalt-Reibesteinen, die Menschen in der Eisenzeit zum Reiben oder Mahlen von Getreidekörnern verwendeten, außerdem ausgeglühte Kochsteine aus Quarz und Sandstein.
Menschenknochen im Abfall
Bestandteile des frühgeschichtlichen Abfallplatzes waren auch Tierknochen von Haustieren wie Pferd, Rind, Schwein, Schaf und Ziege, zudem solche von Wildtieren wie Rotwild, Reh, Bär, Biber und Fischotter. Etliche tragen Schnittspuren oder wurden nach entsprechender Zurichtung als Werkzeuge benutzt. Außergewöhnlich darunter: Drei Geweih-Äxte, die von einem Rothirsch stammen. Sie zeigen starke Abnutzungen, wurden also mutmaßlich intensiv gebraucht.
Bisweilen gab es in der Eisenzeit den Brauch, menschliche Überreste in Siedlungsabfall zu entsorgen. „Ja, wir haben auch zwei Oberschenkelknochen, eine Elle und den Zahn eines Menschen gefunden“, so Schulenberg. „So plötzlich und verheerend dieses Hochwasser für die damaligen Anwohner der Düssel gewesen sein mag – für uns war es ein archäologischer Glücksfall.“