Düsseldorf-Vennhausen. . Die Blick auf die Geschichte der „Freiheit“ in Vennhausen, die zu den ältesten Siedlungen Düsseldorfs gehört.

Düsseldorf ist eine Stadt der Siedlungen. Jeder vierte Düsseldorfer lebt in einer Hochhaus-, Reihenhaus- oder Genossenschaftssiedlung - Tendenz steigend. Auch wenn der Name heute vermieden wird und neue Wohnkolonien lieber unter Etiketten wie Veen-Park, Andreas-Quartier oder Heine-Gärten vermarktet werden, hat das Siedlungswohnen nichts von seiner Bedeutung verloren.

© Stadtarchiv Düsseldorf

Wohnsiedlungen gibt es in Düsseldorf seit mehr als 100 Jahren. Die rasante wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Düsseldorf zu Beginn des vorigen Jahrhunderts hin zu einer Industriestadt, führte auch zu einer schnellen Bevölkerungszunahme und damit verbunden zu einem hohen Bedarf an Wohnraum. Große kommunale Wohnbauprojekte aber auch Werks- und Genossenschaftssiedlungen waren die Antwort darauf. Nicht selten machten sich namhafte Architekten und Mäzene, Lebensreformer und Visionäre im gemeinnützigen Interesse um diese Bauaufgabe verdient.

Die „Freiheit“ gehört in Düsseldorf zu den ältesten Siedlungen

Name und Lage einer Siedlung sind oft nur im eigenen Stadtteil bekannt, doch gibt es einige Anlagen, die in ganz Düsseldorf und darüber hinaus bekannt sind, wie die Siedlung Freiheit in Vennhausen. Die „Freiheit“ gehört in Düsseldorf zu den ältesten Siedlungen und zu den wenigen, die bis heute ihre Ursprungsgestalt nahezu unverändert erhalten haben.

Nachdem sich 1919 aus Reihen der Arbeiter in der Fabrik Gebrüder Schöndorff der Gemeinnützige Arbeiter-Bauverein Freiheit konstituiert hatte, erwarb die Genossenschaft vom Bergischen Schulfond die Wiesen und Äcker des Monckartshofes zwischen Vennhauser Allee und Eller Forst. Zu Beginn der 1920er wurde an der Eichkatz-, dann an der Amsel- und Sperberstraße mit dem Bau von Siedlungshäusern begonnen. Bis 1926 wuchs die Siedlung durch Erweiterungen nördlich und südlich der Friedrich-Engels-Straße auf rund 300 Wohnungen an.

Ein Anteilsschein des gemeinnützigen Arbeiter-Bauvereins „Freiheit“.
Ein Anteilsschein des gemeinnützigen Arbeiter-Bauvereins „Freiheit“. © Archiv Brzosa

Architektonisch verkörpert die Freiheit in ihrer Anordnung ein qualitätsvolles Beispiel des Arbeiterwohnungsbaus der 1920er Jahre. Die von leicht versetzten und geschwungenen Verbindungsstraßen durchzogene Siedlung wurde in gut einem Dutzend verschiedener Haustypen ausgeführt. Die Planung der Siedlung für die Belegschaft der Schöndorff-Fabrik hatte der Düsseldorfer Architekt Hermann Hecker übernommen. Er verband die Idee der Gartenstadt mit dem Heimatstil und entwarf eine Arbeitersiedlung mit dörflichem Charakter. Ein Konsum, mehrere kleine Geschäfte für den täglichen Bedarf, eine Restauration mit Vereinssaal kennzeichneten die eigenständige Infrastruktur der ehemaligen Mustersiedlung.

Noch heute ein Bild romantisch-heimatlicher Idylle

Eine variantenreiche Fassadengestaltung, tief heruntergezogene Dachtraufen und Ställe hinter den Häusern prägen das Siedlungsbild. Das Zweifamilienhaus mit Wohnküche und guter Stube im Erdgeschoss und zwei Schlafräumen im Obergeschoss ist der vorherrschende Bautyp. Großzügig angelegte Nutzgärten für Gemüseanbau und Kleintierhaltung und eine geschickte Eingrünung der Straßen und Plätze unterstreichen auch heute noch das Bild einer romantisch-heimatlichen Idylle.

Das „Vereinsheim“ des Tennisvereins in der Siedlung Freiheit 1941. Noch heute gibt es zwei Tennisclubs in Vennhausen.
Das „Vereinsheim“ des Tennisvereins in der Siedlung Freiheit 1941. Noch heute gibt es zwei Tennisclubs in Vennhausen. © Archiv Brzosa

Viele Einzelgebäude sind trotz der Privatisierung der Siedlungshäuser seit dem Jahre 1979 in ihrer ursprünglichen Ausformung erhalten. Das gleiche gilt für viele Details, wie zum Beispiel Fenster und Laden, die sich vielfach noch im Originalzustand befinden.

1984 wurde für die Siedlung Freiheit eine strenge Gestaltungssatzung für Um- und Neubauten erlassen, um den besonderen Charakter und die Einheitlichkeit des Ensembles auch in der Zukunft zu erhalten. Wer heute durch die Siedlung Freiheit geht, spürt sofort, dass die Gestaltungssatzung ihren Zweck erfüllt und die Anlage ihre städtebauliche Funktion als Refugium mit hoher Wohn- und Lebensqualität in einer verdichteten Stadtlandschaft bewahrt hat.

Die Amselstraße in der Siedlung Freiheit um 1930
Die Amselstraße in der Siedlung Freiheit um 1930 © Archiv Brzosa

Um den Abriss der „Waldschänke“ wurde hart gerungen

Viele Bewohner der Freiheit sind stolz auf den unverwechselbaren Charakter ihrer Siedlung. Aufmerksam verfolgen sie daher den Neubau von einem Mehrfamilienhaus und drei Reihenhäusern auf dem Grundstück der ehemaligen Waldschänke. Um den Abriss des Gasthauses am Eingang zum Eller Forst wurde hart gerungen. Die Wirtschaft war von der Eröffnung 1921 bis zur Schließung 2011 ein beliebtes Ausflugslokal und zentraler Treffpunkt der Bewohner. Obwohl am Rande der Siedlung gelegen, galt sie vielen als Seele der Freiheit. Hier fanden Familienfeste von der Taufe über die Hochzeit bis zur Beerdigung statt. Es gab politische Versammlungen, Vereinsfeiern und Kegelabende. Als 2013 bekannt wurde, dass die Waldschänke abgebrochen und „Luxuswohnungen“ weichen sollte, ging ein lauter Aufschrei durch die Siedlung. Um den Erhalt zu sichern, wurden Bürgerversammlungen abgehalten, mehr als 1000 Unterschriften gesammelt, Risikogutachten erstellt, ein Runder Tisch eingerichtet, der Petitionsausschuss angerufen. Die Bezirksvertretung lehnte Abbruch und Neubau mehrheitlich ab. Aus Sicht der Gegner war alle Empörung jedoch vergebens. Am 30. April 2015 erteilte der Rat der Stadt Düsseldorf dem Investor die Abriss- und Baugenehmigung, nachdem sich Oberbürgermeister Thomas Geisel zuvor vehement für das Neubauvorhaben eingesetzt hatte.

Zwar fallen unter die Gestaltungssatzung der Freiheit auch Neubauten, doch ist es in der Historie das erste Mal, dass ein Siedlungshaus durch einen vollständigen Neubau ersetzt wird. Etwas vieldeutig heißt es in den Vorschriften, dass sich „Neubauten harmonisch in das vorhandene Siedlungsbild einfügen“ müssen. Wohl nicht zu Unrecht fürchtet mancher Siedler, sollte beim Neubau der Waldschänke der Begriff „harmonisch“ zu großzügig ausgelegt werden, könnte dies der Anfang vom Ende einer für alle verbindlichen Gestaltungssatzung sein. Obwohl die Neubaupläne der Öffentlichkeit seit längerer Zeit bekannt und großflächig am Bauzaun um die ehemalige Waldschänke plakatiert sind, wird bis heute, wie noch jüngst in der Bezirksvertretung 8, leidenschaftlich darüber diskutiert, ob die mittlerweile nicht mehr als „Luxuswohnungen“ sondern nur noch als „Wohnen am Naturschutzgebiet Eller Forst“ angepriesenen Waldschänke-Ersatzbauten die „Harmonie“ in der Freiheit dauerhaft gefährden. Bautechnisch wie zwischenmenschlich.

* Der Autor Dr. Ulrich Brzosa beschäftigt sich als Historiker mit Düsseldorfer Stadtteil- und Kirchen-Geschichte. Ulrich Brzosa beschäftigt sich als Historiker mit Düsseldorfer Stadtteil- und Kirchen-Geschichte.