Verwarnungsgeld für zu langes Sitzen an der Haltestelle: Die Empörung über ein Knöllchen für einen 85-jährigen demenzkranken Mann in Düsseldorf ist groß, die Stadt hat am Montag beigegeben: Das Verfahren wird von Amts wegen eingestellt (NRZ berichtete). Der Fall wirft aber ein Licht auf den Umgang mit der Obdachlosenszene. Gegen sie geht die Stadt häufiger so vor, ohne dass das bisher breite Empörung ausgelöst hat. Selbst bei Menschen mit Fahrkarte wird abkassiert, berichtet Sozialarbeiterin Julia von Lindern, Streetworkerin vom Obdachlosenmagazin „Fiftyfifty“.

Verwarnungsgeld für zu langes Sitzen an der Haltestelle: Die Empörung über ein Knöllchen für einen 85-jährigen demenzkranken Mann in Düsseldorf ist groß, die Stadt hat am Montag beigegeben: Das Verfahren wird von Amts wegen eingestellt (NRZ berichtete). Der Fall wirft aber ein Licht auf den Umgang mit der Obdachlosenszene. Gegen sie geht die Stadt häufiger so vor, ohne dass das bisher breite Empörung ausgelöst hat. Selbst bei Menschen mit Fahrkarte wird abkassiert, berichtet Sozialarbeiterin Julia von Lindern, Streetworkerin vom Obdachlosenmagazin „Fiftyfifty“.

In der vergangenen Woche war es Guiseppe Memoli, der von Mitarbeitern des Ordnungs- und Servicedienstes (OSD) belangt wurde. Der 48-Jährige ließ zwei Bahnen abfahren und saß immer noch auf einer Bank an einer Haltestelle. Ordnungsamtsmitarbeiter hatten ihn zuvor schon angesprochen, er hatte nach eigenen Angaben sogar sein Monatsticket gezeigt. Nach der zweiten Bahn kamen sie wieder. Er dürfe da nicht so lange sitzen, sagten ihm die Mitarbeiter nach seiner Darstellung. „Das ist nicht erlaubt.“ Er habe offenbar „keine Fahrabsicht“. Die Ordnungsamtsmitarbeiter sahen darin einen Verstoß gegen die Düsseldorfer Straßenordnung, die in Paragraf 3 zum Schutz der ÖPNV-Anlagen Verhalten verbietet, das der Zweckbestimmung widerspricht.

Memoli erklärte den OSD-Beschäftigten, „dass ich auf eine Bahn warte, in der ein Bekannter sitzt.“ Aber das änderte nichts. Er habe den Ausweis zeigen müssen, bekam ein Verwarnungsgeld über 35 Euro angekündigt. „Ich habe das noch nicht in der Post gehabt, aber ich gehe natürlich dagegen vor.“

Für das Obdachlosen-Magazin „Fiftyfifty“ zeigt das Vorgehen gegen den 85-Jährigen „exemplarisch das schikanöse Verhalten von OSD-Mitarbeitern gegenüber augenscheinlich armen Menschen“. Der Verein rate Betroffenen, sich dort zu melden: „Wir legen Widerspruch ein“. Zynisch gesagt könnten die Obdachlosen jetzt froh sein, dass durch den Fall dieses Vorgehen bekannt wird.

Das Vorgehen macht viele Menschen sprachlos, die Stadt meldete sich noch am Sonntag erstmals: Wenn es wie geschildert sei, müsse das Paar sich nur melden und den Sachverhalt klarstellen. An der in der Straßenordnung festgehaltenen Praxis von Verwarnungsgeldern fürs Sitzen in Wartehäuschen wird das nichts ändern. 2016 gab es deshalb 112 Verfahren, in diesem Jahr bereits 172. Vor einer Ahndung als Ordnungswidrigkeit oder einem Platzverweis stünden aber immer aufklärende Hinweise und Gespräche.

Wenn die Plätze von „Menschen mit Mittelpunkt auf der Straße“ für einen „Daueraufenthalt“ auserkoren würden, fehlten sie „an diesen stark frequentierten Haltestellen schlicht für die Fahrgäste“. In diesem Jahr sei die Zahl der Verfahren gestiegen, weil Beschwerden über nicht nutzbare ÖPNV-Anlagen massiv zugenommen hätten.

Bei den Obdachlosen könnten manche Verwarnungsgelder bezahlen, sagt Sozialarbeiterin von Lindern. „Bei anderen werden daraus Privatschulden, die gepfändet werden könnten, wenn es was zu holen geben würde.“