Düsseldorf. Prozessauftakt: Drei mutmaßliche IS-Terroristen sollten in der Düsseldorfer Altstadt ein Blutbad anrichten. Aber einer stieg vorher aus.
Kaum vorstellbar, was passiert wäre, wenn Saleh A. es sich nicht noch anders überlegt hätte. Wenn sich der mutmaßliche Kopf einer IS-Terrorzelle nicht am 1. Februar 2016 der Pariser Polizei gestellt hätte, die umgehend die deutschen Behörden benachrichtigte. Wenn es tatsächlich mitten in der Düsseldorfer Altstadt, mitten unter feiernden Menschen, an einem Freitag oder Samstag Sprengstoffanschläge und Maschinengewehrsalven gegeben hätte – nicht vorstellbar, nicht fassbar.
Seit Mittwoch steht der 30-jährige Syrer Saleh A. wegen eben dieser Terrorpläne in Düsseldorf vor dem Oberlandesgericht, aber auch wegen anderer Vorwürfe, Schleusertätigkeit, Drogendelikten, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung; ebenso wie seine mutmaßlichen Mitstreiter, die er wohl verriet – es sind der Algerier Hamza C. (29) und der Jordanier Mahood B. (26).
Jetzt sitzen die drei Männer gemeinsam und doch getrennt hinter Panzerglas auf der Anklagebank. Sie tragen Marken-Poloshirts oder ein weißes Hemd und, wenn überhaupt, nur die Andeutung eines Bartes und wirken entspannt. Hamza C., lächelt in die Runde, beschreibt mit den Händen einen Kreis – und formt ein daraus ein Herz.
Langer Prozess, komplizierte Beweisaufnahme
Aber aussagen zur Sache wird er nicht, ebenso wenig Mahood B., jedenfalls bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht, denn die Vorsitzende Richterin Barbara Havliza macht den „Herren Angeklagten“ schnell klar, dass „es immer von Vorteil ist, wenn Sie sich doch für eine Aussage entscheiden“. Aber es ist absehbar, es wird ein langer Prozess mit einer komplizierten Beweisaufnahme für den 6. Strafsenat, mit Angeklagten, die in den vergangenen Jahren kreuz und quer in Europa und dem Nahen Osten unterwegs waren.
Nur Saleh A. wird Fragen beantworten, das stand schon vor der Beweisaufnahme fest. Und das, obwohl er im Gefängnis in Wuppertal bedroht worden sei, erklärt sein Anwalt dem Gericht. Man werde seiner Tochter etwas antun, habe es dort geheißen. Richterin Havliza ordnet an, der Sache nachzugehen.
Saleh A.s Tochter soll es auch gewesen sein, weswegen er sich den Behörden stellte, er habe verhindern wollen, dass sie einen Terroristen zum Vater hat, soll A. bei seinen Vernehmungen ausgesagt haben. Tobias Engelstätter, Vertreter der Bundesanwaltschaft, wollte sich im Vorfeld zu den Motiven des Hauptangeklagten zwar nicht äußern. Gleichwohl hält er diese für glaubwürdig: „Es konnten viele Indizien aus seinen Schilderungen aufgefunden werden, sodass wir davon ausgehen, dass eine so detailreiche Schilderung nicht erfunden sein kann“.
In der Anklageschrift, die einem Drehbuch für einen Agententhriller gleicht, liest sich das so: Saleh A., Sohn eines Radiologen und einer Apothekerin, radikalisiert sich im „arabischen Frühling“, kämpft zunächst in der Gegend um die syrische Stadt Rakka aufseiten der terroristischen Al Nusra-Front, schließt sich dann dem sogenannten „Islamischen Staat“ an und lernt dort Hamza C. kennen.
Befehl von der obersten Führung erhalten
Von der obersten Führung der Terrororganisation erhalten sie im Frühjahr 2014 den Befehl, in Deutschland einen Terroranschlag zu planen und auszuführen, da einer ihrer Mitstreiter am Düsseldorfer Hauptbahnhof gewohnt hat, fällt die Wahl auf die Stadt am Rhein.
Mit 5000 Euro „Handgeld“ vom IS machen sich die beiden auf den Weg, trennen sich, kommen wieder zusammen. Hamza C. soll es gelungen sein, auch Mahood B. von den Plänen zu überzeugen und 2015 nach Deutschland zu locken – alle schwimmen im großen Flüchtlingsstrom mit.
Saleh A. lebt zunächst in der Türkei, arbeitet als Schleuser, macht sich dann selbst über die Balkanroute auf nach Deutschland, landet in Dortmund und schließlich in einem Flüchtlingsheim in Kaarst, kommuniziert eifrig mit den IS-Oberen via Facebook, inklusive Dateienaustausch zum Bombenbau. Einen vierten Mann, dessen Prozess abgetrennt verhandelt wird, beauftragt er mit der Herstellung von Sprengstoffwesten.
Im Dezember 2015 sollen in einer Wohnung in Mülheim an der Ruhr die letzten Einzelheiten beschlossen worden sein. Mahood B. soll sich mit einem weiteren Selbstmordattentäter an der Bolker- oder Andreasstraße in der Altstadt in die Luft sprengen, weitere Attentäter – insgesamt sind es zehn – sollen an den Ausgängen der Altstadt stehen und auf die panischen Menschen schießen. Zur Finanzierung des Anschlags soll das Video eines vom IS entführten Priesters als „Lebenszeichen“ dem Vatikan verkauft werden – für 10 000 Euro.
Doch daraus wird nichts. Als Saleh A. sich Ende Januar 2016 über Frankreich nach Italien aufmachen will, geht ihm in Paris das Geld aus. Er stellt sich.
Bis zum Jahresende sind 35 weitere Verhandlungstage geplant – zunächst.